Bioethik aktuell

Chemotherapie: Frau wird trotz Krankheit Mutter dank tiefgefrorenem Eierstockgewebe

Erstmals brachte eine 27-jährige Frau, deren Ovarialgewebe seit ihrer Kindheit aufbewahrt wurde, ein Kind zur Welt

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Die Gefahr, dass Frauen nach Chemotherapien unfruchtbar werden, ist groß. Nun berichtet das Team um die Gynäkologin Isabelle Demeestere von der Université Libre de Bruxelles in Fachjournal Human Reproduction (2015; doi:10.1093/humrep/dev128), von einer jungen Frau, die ihr Eierstockgewebe noch vor ihrer ersten Regelblutung kryokonservieren und später reimplantieren ließ. Nun brachte sie brachte im November 2014 ein spontan empfangenes Kind zur Welt. Bislang wurde tiefgefrorenes Ovarialgewebe nur bei erwachsenen Frauen entnommen. Die Zahl der Langzeitüberlebenden nach hämatologischen Erkrankungen wachse laut Demeestere, 20 Prozent der Patientinnen, die sich vor einer Chemotherapie das Eierstockgewebe einfrieren lassen, seien Kinder.

Die Patientin war als Fünfjährige an einer schweren Sichelzellenanämie erkrankt, im Alter von 13 Jahren musste sie sich einer Chemotherapie unterziehen, die Belgierin erhielt eine Knochenmarkspende ihre Bruders. Davor hatten ihr die belgischen Ärzte Gewebe ihres rechten Eierstocks entnommen und tiefgefroren - noch vor ihrer ersten Menstruation. Durch die Chemotherapie wurde der verbleibende Eierstock zerstört, die Mediziner pflanzten der 25-jährigen gebürtigen Kongolesin das Gewebe ihres rechten Eierstocks wieder ein. Fünf Monate später setzt die erste Menstruation ein. Das Ovar nahm also tatsächlich seine Arbeit wieder auf. Zwei Jahre später - im November 2014 - wurde die nun 27-Jährige auf natürlichem Weg Mutter eines Buben. Gynäkologin Demeestere spricht von einem „wichtigen Durchbruch“, Kinder seien die Patienten, die in Zukunft am meisten von dem Verfahren profitieren können. Zugleich räumt sie ein, dass der Eingriff risikoreich ist und nur dann indiziert sei, wenn ein hohes Risiko für ein Versagen der Eierstöcke besteht (vgl. Pressemitteilung, online, 9.6.2015).

Bei sämtlichen in den letzten Jahren durch Retransplantation behandelten Patientinnen kam es laut einer im Deutschen Ärzteblatt International publizierten Studie (2012; 109(1-2): 8-13; DOI:10.3238/arztebl.2012.0008) zu einer Wiederherstellung der Ovarialfunktion, Regelblutungen und einer Normalisierung der Hormonwerte. Ein wichtiger Aspekt bei der Retransplantation sei die Frage nach der Sicherheit im Hinblick auf die mögliche Übertragung von Tumorzellen auf die Patientinnen oder aber die Möglichkeit der Reinduktion der Tumorerkrankung. Dazu gibt es erste Erkenntnisse bei Patientinnen mit Hodgkin-Lymphom, die die Unbedenklichkeit der Retransplantation für dieses Kollektiv vorerst bestätigen. Weltweit wurden bisher rund 40 Kinder nach durchgeführter Retransplantation von kryokonserviertem Ovarialgewebe geboren.

Natürlich kann dieser Fortschritt auch missbraucht werden, um neue Märkte zu öffnen. Einige Forscher wollen die neue Methode künftig als Menopausen-Therapie einsetzen. In einem kürzlich im The Journal of Reproductive Biomedicine Online (doi: 10.1016/j.rbmo.2015.05.010) publizierten Artikel nehmen Pasquale Patrizio von der Yale School of Medicine und der US-amerikanische Bioethiker Arthur Caplan dazu kritisch Stellung. Es sei ethisch nicht legitim, das Verfahren auch als Behandlung für Beschwerden in den Wechseljahren oder „Jungbrunnen“ einzusetzen.

Institut für Medizinische
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