Bioethik aktuell

Chirurgie-Ethik: Ja zu Einhand-Prothese, Nein zu Einhand-Transplantation

Handchirurgin Piza begrüßt hirngesteuerte Prothesen und warnt vor chirurgischem Übereifer

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Ein italienisches Forscherteam aus Chirurgen, Anästhesisten, Neurologen und Bio-Ingenieuren von der Universität Campus Bio-Medico in Rom hat in einem EU-Gemeinschaftsprojekt namens „Lifehand“ eine „fühlende“ Handprothese entwickelt, die mittels Elektroden mit dem menschlichen Nervensystem verbunden wird. Damit kann die „Cyberhand“, ähnlich einer normalen Hand, direkt vom Gehirn des Patienten gesteuert werden. So ermöglichen Sensoren in der Prothese nun dem 27-jährigen Italo-Brasilianer Pierpaolo Petruzziello, der bei einem Autounfall seinen linken Unterarm und seine Hand verloren hatte, nicht nur zu greifen, sondern auch Sinnesempfindungen wie Druck und Temperatur zu spüren, berichtet Focus (online, 02. 12. 2009).

Die erfahrene österreichische Handchirurgin Hildegunde Piza, die an der Innsbrucker Universitätsklinik zwischen 1999 und 2008 mit drei erfolgreichen beidseitigen Hand- bzw. Unterarmtransplantationen Medizingeschichte geschrieben hat, hält im Gespräch mit IMABE diese neueren Prothesen-Entwicklungen für sehr wichtig. Sollten die Fortschritte in der Technik soweit gehen, das Feingefühl der Hände reproduzieren zu können, wäre das ein Meilenstein, der Transplantationen (von Organen eines Toten auf einen Lebenden) überflüssig machen könnte, prognostiziert sie. Insbesondere für Menschen, die „nur“ eine Hand verloren haben, könnte so die Lebensqualität erheblich erhöht werden. Die Weiterentwicklung von Prothesen sei die zukunftsweisende Alternative, denn: Einhändigen Patienten eine Fremdhand zu transplantieren, hält Piza für „übereifrige Chirurgie“.

„Hände sind keine überlebensnotwendigen Organe. Eine Transplantation kann nur dort ethisch gerechtfertigt sein, wo jemand beide Hände bzw. Arme verloren hat, da ihm ein ganzes Sinnesorgan fehlt“, sagt die Plastische Chirurgin. Durch die beidseitige Transplantation erlange der Patient die motorische Funktion wieder, aber auch die Sensibilität. Eine Einhand-Transplantation hält die Chirurgin aus medizinisch-ethischer Sicht für fraglich. Die sensible Funktion sei durch die eine, gesunde Hand gegeben. „Außerdem weiß man, dass die transplantierte Hand hinter der gesunden Hand in ihrer Funktion immer nachhinken wird.“ Kosten und Risiken seien sehr hoch, ebenso die Nebenwirkungen der immunsupprimierenden Medikamente, die der Organempfänger sein Leben lang einnehmen muss. Sie stünden nicht im Verhältnis zum Resultat, betont Piza und appelliert an die ethische Verantwortung der behandelnden Ärzte.

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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