Bioethik aktuell

IMAGO HOMINIS: TAGUNGSBAND „DEM STERBENDEN BEGEGNEN“, Band 1

Lesezeit: 02:41 Minuten

Die aktuelle Ausgabe von Imago Hominis umfasst den ersten Teil der erweiterten Vorträge des interdisziplinären Symposiums Dem Sterbenden begegnen. Herausforderungen an Medizin und Pflege, das im November 2017 in Wien stattfand.

Was brauchen Menschen, die in ihren letzten Tagen mit ihrer Endlichkeit unmittelbar konfrontiert sind - und was brauchen jene, die sie begleiten? Welche Kompetenzen sind unter Ärzten, Pflegenden und Therapeuten nötig, um dem Sterbenden in seinen physischen und spirituellen Nöten und Ängsten zu begegnen? Wie lassen sich ethische Konflikte auflösen, die am Lebensende drängend werden: etwa im Bereich der palliativen Sedierung, des Verlusts von Hunger und Durstgefühl - oder auch beim sog. freiwilligem Nahrungsverzicht?

Ist Sterben gesellschaftlich immer noch ein Tabu? Der Soziologe und Altersforscher Franz Kolland (Fakultät für Sozialwissenschaften, Universität Wien) ortet eine Ambivalenz. Einerseits findet sich in den letzten Jahren tatsächlich eine verstärkte Aufmerksamkeit für Fragen des Sterbens im Zusammenhang mit Sterbehilfe oder Palliative Care und andererseits bedingen enge Regelungen und Amtsstrukturen in Pflegeheimen und Krankenhäusern eine schwache Anteilnahmekultur und Tabuisierung des Sterbens. Um einen Kulturwandel des Sterbens als Teil des Lebens zu erreichen, sei es nötig, das Bild des Selbstbestimmten, autonomen Patienten zu ergänzen durch eine Kultur der Fragilität und Verletzlichkeit.

Der Medizinethiker Martin W. Schnell (Universität Witten/Herdecke) betont die Asymmetrie zwischen Arzt und Pflege gegenüber dem Sterbenden. Niemand kann dem Anderen sein Sterben abnehmen. Der Tod ist der je eigene Tod. Die Kommunikation zwischen Arzt und Patient geschieht an der Grenze des Schweigens, weil am Lebensende die für den Dialog zwischen Ich und Du notwendige, gemeinsame Bedeutungswelt schwindet. Deshalb sei es wichtig, dass Mediziner und Pflegende existenzphilosophische, kommunikative und palliativmedizinische Aspekte der Diversität am Lebensende kennen und voneinander unterscheiden.

Die Palliative Sedierungstherapie (PST) gilt als ethisch umstrittene medizinische Therapie zur Bewusstseinsdämpfung am Lebensende, stets im Graubereich des rechtlich Vertretbaren. Im Jahr 2017 wurde deshalb die Österreichische Leitlinie zur Palliativen Sedierungstherapie veröffentlicht. Der Palliativmediziner Dietmar Weixler (Landesklinikum Horn-Allentsteig) und Vorsitzender der AG Ethik in Palliative Care (OPG) stellt die Leitlinie vor. Um potenziell lebensbegrenzende Mittel zu verwenden, brauche es Regeln, definierte Prozesse, Transparenz und Nachvollziehbarkeit - im Respekt für die Person und deren Rechte.

Die Pflegewissenschaftlerin Angelika Feichtner, Dozentin im Bereich von Hospizarbeit und Palliative Care, klärt in ihrem Beitrag darüber auf, was es heißt, wenn es am Lebensende zu einem Verlust des Appetits bei schwerkranken Menschen kommt. Bei den betroffenen Angehörigen löst dies Ängste aus, „Verhungern“ und „Verdursten“ seien in diesem Zusammenhang aber unzulässige Begriffe. In fortgeschrittenen Situationen und besonders im Sterbeprozess, kann jede Form der Nahrung zu einer großen Belastung werden. Eine Aufklärung der Angehörigen ist hier besonders wichtig.

Der freiwillige Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit mit der Absicht, aus dem Leben zu scheiden (FVNF), auch „Sterbefasten“ genannt, wird zunehmend als Alternative zur Tötung auf Verlangen diskutiert. FVNF wirft zahlreiche ethische Fragen auf, die Enrique Prat (IMABE, Wien) in seinem Beitrag analysiert. Er stellt eine besondere Form des Suizids dar, die den Anschein eines natürlichen Todes hat. Die Begleitung stellt Ärzte, Pflegepersonen und Angehörige vor Gewissenskonflikte, die differenziert diskutiert werden.

Die Imago-Hominis-Ausgabe 2/2018 ist hier abrufbar.

Institut für Medizinische
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