Bioethik aktuell

Menschenhandel in Wunschbaby-Klinik: Leihmutterschaft-Skandal erschüttert Griechenland

IMABE: Ausbeutung durch Leihmutterschaft und Kinderhandel braucht klares Verbot statt ‚Regelung'

Lesezeit: 03:49 Minuten

Eine führende IVF- und Leihmutterschaftsklinik auf Kreta wurde Mitte August 2023 von den Behörden geschlossen. Die Betreiber hatten hunderte junge Frauen aus Osteuropa mit falschen Versprechungen auf die Insel gelockt, wo sie zur Leihmutterschaft gezwungen wurden und ihre Eizellen abgeben mussten. Ihr Lohn betrug 200 bis 600 Euro. Der Verkaufspreis für ein Baby lag bei bis zu 120.000 Euro. In Griechenland ist kommerzielle Leihmutterschaft verboten.

Kidnapping and human trafficking, violence against women
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Das seit 1994 bestehende Mediterranean Fertility Institute wurden wegen Verdachts auf Menschenhandel und illegale Adoptionen polizeilich geschlossen. Junge Frauen aus Osteuropa wurden systematisch als Leihmütter ausgebeutet, Kinder wurden erzeugt, die leiblich nicht von ihren Eltern abstammten. Neun Mitglieder der Klinik wurden festgenommen, unter ihnen der 73-jährige klinische Leiter und Gynäkologe, Ioannis Giakoumakis, der Embryologe, die Managerin der Leihmutterschaftsprogramme sowie eine Hebamme. Das Netzwerk war seit einem Jahrzehnt in mehreren griechischen Städten aktiv (NeoKosmos, 14.8.2023). Bei der Razzia wurden 30 junge Frauen entdeckt, die als Leihmütter festgehalten wurden (ORF.at, 18.8.2023).

Menschenhandel: Kinder werden gegen Geld ausgehändigt

Griechenland verbietet die kommerzielle Leihmutterschaft, allerdings dürfen ‚altruistische‘ Leihmütter eine Aufwandsentschädigung von bis zu 10.000 Euro erhalten. Seit 2014 ist es gesetzlich auch Ausländern ohne Wohnsitz in Griechenland erlaubt, ein Baby von einer Leihmutter in Griechenland austragen zu lassen. Damit wurde der Markt angekurbelt. „Leihmutterschaft ist ein internationales Geschäft, der Markt wächst und es fließt immer Geld“, betont IMABE-Direktorin Susanne Kummer. „Egal, ob in der Ukraine, Georgien oder Griechenland – am Ende heißt es: ‚Sie geben uns das Geld, wir liefern Ihnen das Kind‘.“ Die sogenannte altruistische Leihmutterschaft sei daher „eine Farce“, so Kummer.

Bei allem Verständnis für ungewollt kinderlose Paare müsse mitbedacht werden, dass die Autonomie auch Grenzen hat, nämlich da, wo es um die Existenz und die Rechte von Dritten geht. „Kinder und Frauen haben unveräußerliche Rechte: Wer Kinder zum Vehikel für Elternwünsche macht, Frauen auf ein mietbares Objekt reduziert und Nachwuchs gegen Geld handelt, verstößt eklatant gegen die Menschenrechte“, betont die Ethikerin. 

Wo „Autonomie“ neue Formen der Ausbeutung hervorbringt

Statt Leihmutterschaft zu legalisieren oder –  wie derzeit auf EU-Ebene geplant – zu vereinfachen, sollten „Gesetze Frauen Schutz vor Ausbeutung und Selbstausbeutung bieten", betont Kummer.  Die Freiheit zu wählen, wie, wann und mit welcher Methode man zu einem Kind komme, werde auf dem Rücken der Leihmütter und der so geborenen Kinder ausgelebt und sei eine Zumutung für andere Betroffene. Damit bekomme die Autonomie „illiberale Züge der Unterdrückung“. Menschen, die andere Frauen als Baby-Austragende bezahlen, müssen sich im Klaren sein, dass sie damit den Menschenhandel unterstützten“, unterstreicht die Ethikerin. Statt einer Regelung brauche es deshalb ein klares internationales Verbot der Leihmutterschaft.

Junge Frauen aus Osteuropa wurden von Maklern angeheuert

Die jungen Frauen, die vom Mediterranean Fertility Institute angeheuert wurden, stammten aus Ländern wie der Ukraine, Rumänien, Moldawien, Georgien und Albanien. Sie waren in schwierigen finanziellen Situationen, wurden von „Maklern“ ins Visier genommen und dazu überredet, nach Kreta zu kommen, um ihre Eizellen zu verkaufen oder als Leihmütter zu arbeiten. Dort wurden sie unter unmenschlichen Bedingungen untergebracht und festgehalten. Allein seit Ende 2022 wurden 182 Fälle dokumentiert, in denen Frauen als Eizellenspenderinnen und Leihmütter ausgebeutet wurden. Ihr Lohn betrug 200 bis 600 Euro.

Qualitativ bessere Eizellen von anderen Frauen befruchtet

Wenn die Eizellen der Bestellmutter ein zu geringe Qualität hatten, wurden diese einfach durch Eizellen einer anderen Frau ausgetauscht und befruchtet. Damit sollten die Erfolgschancen für eine Geburt durch die Leihmutter erhöht werden – und zugleich der Profit der Klinik (Bluewin.ch, 26.8.2023). Die griechischen Behörden untersuchen nun 400 Fälle von mutmaßlichem Betrug, Korruption und Menschenhandel. Mehrere von den Leihmüttern Neugeborene wurden nach Schließung der Klinik in einem Krankenhaus untergebracht. DNA-Kontrollen sollen klären, wessen Kinder sie nun eigentlich sind.

Machenschaften waren bereits seit 2019 bekannt

Das Mediterranean Fertility Institute galt als größter Anbieter von Leihmutterschaftsprogrammen in Griechenland. Den Klinikmitarbeitern wird unter anderem der Verkauf von Embryonen und Keimzellen vorgeworfen, die Fälschung von Krankenaktendaten und Urkunden sowie Menschenhandel und die Vermittlung bei der Adoption Minderjähriger. Das Institut hatte bereits seit 2019 offensiv europäische Kunden mit günstigen Tarifen angeworben (Die Zeit, 24.5.2019). „Keine Wartezeiten bei Eizellspende“ lautet ein Slogan. Man warb damit, hetero- und homosexuellen Paaren, aber auch alleinstehenden Männern und Frauen auch aus dem deutschsprachigen Raum zu einem Kind verholfen zu haben.

Behörden verlangen DNA-Tests zur Identifizierung der Kinder

Rund 150 australische Paare, die rund die Hälfte der „Baby-Austrag-Aufträge“ an der Klinik ausmachten, sind ebenfalls von deren Schließung betroffen (Neokosmos, 25.8.2023). Einige sind nach Kreta geflogen, dürfen aber die Kinder, die sie in Auftrag gegeben haben, nicht sehen, bis deren Identität geklärt ist. Die griechischen Behörden haben zudem alle noch tiefgefrorenen Embryonen der Klinik beschlagnahmt. Ob deren Identität geklärt werden kann, ist offen. Mehrere schwangere Leihmütter haben angesichts der angespannten Situation das Land verlassen.

Institut für Medizinische
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