Kommentar I

Imago Hominis (2009); 16(2): 158-159
Konrad Brustbauer

Vorweg darf ich erwähnen, dass (nach dem letzten veröffentlichten Jahresbericht) die WPPA (= Wiener Pflege-, Patientinnen und Patientenanwaltschaft) jährlich mit über 11.000 Anliegen kontaktiert wurde, wovon weit über 2000 zu einer umfangreicheren aktenmäßigen Bearbeitung führten, fast 1000 konnten schließlich durch entsprechende Auskunft aufgeklärt werden, in annähernd 400 Fällen konnte eine Organisationshilfestellung geleistet werden, von über 700 Beschwerden waren etwa 10% voll und knapp 13% zum Teil berechtigt, der Rest dieser „reinen“ Beschwerden war nicht berechtigt oder wurde schon vor Erledigung zurückgezogen.

Mehr als 350 Beschwerden betrafen den intramuralen Bereich, wovon nur 26 berechtigt und knapp über 200 nicht berechtigt waren, 55 waren zum Teil berechtigt, der Rest wurde zurückgezogen.

Aus dem Patientenentschädigungfonds wurden für 138 Fälle insgesamt mehr als 1,2 Millionen Euro ausbezahlt, die meisten Fälle betrafen schwerwiegende Komplikationen bei denen eine Haftung des Rechtsträgers kaum oder nur schwer zu erlangen war, der Freiwillige Wiener Härtefond hat für ähnlich gelagerte 29 (Sozial-)Fälle insgesamt 236.000 Euro ausgeschüttet. Ferner konnte unter Vermittlung der WPPA fast 1 Million Euro durch Versicherung bzw. Rechtsträger der Krankenanstalten an Betroffene ausbezahlt werden. In all diesen Fällen kam es somit nicht zu einem gerichtlichen Prozess. Dies zeigt, dass die Arbeit der WPPA letztlich sehr oft zur Kalmierung anfänglich widerstreitender Standpunkte und auch zur Verhinderung umfangreicher Zivilprozesse auf Grund vermeintlicher oder wirklicher Ansprüche von geschädigten Patienten beiträgt.

Zu den geschilderten drei Fällen:

Fall 1

Die vom Spital schließlich erteilte umfassende Auskunft an die Patientenanwaltschaft (= PA) hat sicher eine weitere juristische, allenfalls zivilgerichtliche Auseinandersetzung mit dem Patienten bzw. seiner Gattin verhindert und solcherart auch das Spital davon entlastet. Der Aufwand des Spitals für die Auskunft hat sich damit sicher gelohnt.

Unerwähnt blieb bei der Schilderung des Falls aber, warum dem Angehörigen nicht direkt die Antwort gegeben wurde, sondern sie erst über die PA erreicht werden konnte.

Fall 2

Ähnlich gelagerte Fälle sind auch der WPPA bekannt, Ursache ist ein Kommunikationsmangel, der rasch durch entsprechende Informationen der WPPA und vor allem auch des FSW (Fonds Soziales Wien) über mögliche Hilfen behoben wird. Ein funktionierendes Entlassungsmanagement (PIK) kann und wird viele Ängste, Ablehnungen und Unsicherheiten beseitigen helfen.

Der Ausdruck, dass mit dem PA „gedroht“ wird, erscheint unverständlich, weil der/die PA doch keine Person ist, deren Einschreiten „Furcht und Unruhe“ verbreiten, sondern vielmehr Spannungen, Missverständnisse, Kommunikationsmängel zwischen Krankenhauspersonal und Patienten und ihren Angehörigen beseitigen helfen soll.

Soweit aber medizinisches oder Pflegepersonal heute noch eine Fehlvorstellung von den Aufgaben und der Person des/der PA hat, sollte von allen Seiten immer wieder versucht werden, diese zu beseitigen. Dass dies auch schon zumindest teilweise geschehen ist, zeigt, dass wiederholt und immer mehr auch Ärzte und Pflegepersonen in ihnen ausweglos erscheinenden Gesprächen, die Patienten oder ihre Angehörigen an die WPPA verweisen.

Fall 3

Ausgehend von der letztlich vom Krankenhaus beschriebenen Einsicht in das Fehlverhalten vor der Schiedstelle der Ärztekammer und der Tatsache, dass sich damit der Beschwerdeführer nicht abgefunden hat, stellt sich nur die Frage, warum nicht (auch) die zuständige PA befasst wurde, vielleicht hätte dies doch einen Prozess vermieden. Es wäre den Versuch wert gewesen.

Zu den aufgeworfenen vier Fragen:

  1. Der Wille zur Kooperation von Patienten und Angehörigen kann wohl kaum reglementiert werden. Ein Kodex des gebotenen Verhaltens von Patienten und Angehörigen würde, ohne einen solchen Kodex zugleich auch für Ärzte zu erlassen, Schieflage zum Nachteil der Patienten und deren Angehörigen bedeuten.
  2. Auf Grund des Behandlungsvertrages zwischen Arzt und Patient ergibt sich sicher auch für den Patienten die Obliegenheit, seinem Vertragspartner all jene Umstände bekanntzugeben, die dieses Vertragsverhältnis betreffen oder beeinflussen können.
  3. Aus dem im Gesetz umschriebenen Aufgabenbereich können sich schon derzeit Spitalsangehörige mit ihren Anliegen an die WPPA wenden. Sie tun dies auch aktuell, wenn entweder im Spitalsbereich vermeintliche Fehler geschehen sind oder aber mit Patienten oder deren Angehörigen eine Auseinandersetzung besteht, eskaliert oder zu eskalieren droht. Dies geschieht üblicherweise in Form einer „Vorinformation“, wodurch die WPPA bei Erscheinen eines diesbezüglichen Beschwerdeführers auch schon von Spitalsseite informiert ist. Die Fälle sind bisher nicht allzu häufig, es folgen auch nicht immer tatsächlich Beschwerden nach.
  4. Die WPPA ist bereits eine „bipolare“ Anlaufstelle, in Gesundheits- und Fragen der Pflege.

Anschrift des Autors:

Prof. Dr. Konrad Brustbauer, Patientenanwalt
Schönbrunner Straße 108, A-1050 Wien
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Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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