E-Health aus Sicht der Krankenanstalt

Imago Hominis (2010); 17(2): 127-132
Klaus Schindelwig

Zusammenfassung

Zunächst wird versucht eine Begriffsklärung für E-Health zu finden, wobei sich als Ergebnis heraus stellt, dass es sich bei E-Health weniger um einen Wissenschaftsbegriff, sondern mehr um einen Modebegriff handelt, der als Überbegriff für Projekte verwendet wird. Anschließend wird der Frage nachgegangen, was eine „E-Health-Krankenanstalt“ von einer „Krankenanstalt ohne E-Health“ unterscheidet und ob es von Nutzen ist, E-Health in einer Krankenanstalt verstärkt einzusetzen. Dabei wird vorgeschlagen, dass zuerst mittels Strategiefindungsprozess Klarheit über die Ziele erlangt werden soll, die erreicht werden sollen und es wird auf die Besonderheiten von E-Health-Projekten eingegangen, insbesondere auf die Erhöhung des Sicherheitsaspektes, den steigenden Dokumentationsaufwand und die speziellen Datenschutzanforderungen, speziell jene für ein geeignetes Berechtigungssystem. Zum Abschluss wird ein Zukunftsbild gezeichnet, E-Health als Second Life – Mein E-Health-Avatar.

Schlüsselwörter: E-Health, Datenschutz, Elektronisches Vergessen, E-Health-Avatar

Abstract

Looking at definitions for eHealth one has to recognize that the term eHealth is often more a fashionable term being used to characterize certain projects than a well defined scientific concept. Furthermore, the question is being investigated, how an “eHealth Hospital” differs from a “Non-eHealth Hospital”, especially focusing on whether the application of eHealth technologies brings any benefit for a health provider. It will be shown that it is necessary to gain clarity about the goals to be achieved by eHealth via a strategy-finding process and afterwards a closer look at peculiarities of eHealth pro-
jects will be taken, such as an improved data security and privacy level, a role based secure access to the system and the constantly increasing need for documentation in our healthcare system. Finally a future state will be developed, implementing eHealth as a kind of Second Life with a patient represented by an eHealth Avatar that could deliver possible future health scenarios for a certain person.

Keywords: E-Health, Privacy, Unimpossibility of Electronics Assembly to Unlearn Something, E-Health Avatar


Begriffsklärung

Bevor E-Health an Krankenanstalten eingesetzt werden kann, stellt sich zuerst die Frage, was unter E-Health zu verstehen ist und wo die Neuerungen zu den bisherigen Gesundheitsversorgungen bzw. Krankheitsbehandlungen liegen.

Steht das „e“ nur für den Wechsel von konventionellen Arbeitsmethoden zu elektronisch unterstützten Arbeitsabläufen, oder versteckt sich dahinter mehr? Soll damit eine neue Lebenseinstellung, ja ein neues Gesundheitsbewusstsein zum Ausdruck gebracht werden oder steht „e“ für eine Marketingmaßnahme, um alten Wein in neuen Schläuchen zu verkaufen? Wird sich der Begriff E-Health im Sprachgebrauch bald abgenutzt haben und durch einen anderen Kunstbegriff wie „Virtual Health“ oder „Future-Health“ ersetzt werden? Oder wird der Begriff geschärft werden und Eingang in den fixen Sprachgebrauch finden?

Derzeit wird sich nicht leugnen lassen, dass E-Health weniger einen Wissenschaftsbegriff, sondern mehr einen Modebegriff darstellt. War vor einigen Jahren noch überall von Telemedizin die Rede, so ist dieser Begriff außer Mode gekommen und durch E-Health ersetzt worden, obwohl die darunter verstandenen Projekte oft dieselben geblieben sind.

Dementsprechend liest sich auch die im Jahr 2005 auf der 58. World Health Assembly der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erstellte Definition, die eigentlich eine Umschreibung darstellt, wonach „E-Health den kostengünstigen und sicheren Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien beschreibt, um die allgemeine Gesundheit zu fördern1 – darin eingeschlossen sind die Unterstützung des Gesundheitssystems und der Gesundheitsberichterstattung, die Gesundheitsförderung sowie allgemein Wissen und Forschung.

E-Health lässt sich somit nicht klar definieren, sondern wird als Überbegriff für Projekte verwendet, die einer gewissen Zielsetzung folgen oder bestimmte Kriterien aufweisen.

E-Health-Krankenanstalten

Neben der Klärung, wofür E-Health nun wirklich steht, stellt sich für Krankenanstalten zunächst die Frage: Wieso soll eine Krankenanstalt Investitionen im Bereich E-Health tätigen und in welchem Verhältnis stehen die Investitionen zum erwarteten Nutzen? Was unterscheidet überhaupt eine „E-Health-Krankenanstalt“ von einer „Krankenanstalt ohne E-Health“? Sind es eine höhere Fortschrittsgläubigkeit, ein verstärkter IT-Einsatz oder eine höhere IT-Durchdringung, oder sind es eine bessere Patientenorientierung, eine effizientere und effektivere medizinische Behandlung und eine bessere Zusammenarbeit über intra- und extramurale Grenzen?

Ist es von Nutzen, E-Health in der eigenen Krankenanstalt verstärkt einzusetzen und somit zur E-Health-Krankenanstalt zu mutieren, oder ist es vielleicht doch geschickter konservativ zu agieren, um eventuelle Fehlinvestitionen zu vermeiden?

Je nach gewählter Fragestellung verschiebt sich automatisch der Focus der E-Health-Anwendung, nämlich vom technikorientierten Ansatz hin zum zielorientierten Ansatz.

Eine Krankenanstalt, die E-Health verstärkt einsetzen will, sollte zunächst in einem Strategiefindungsprozess Klarheit über die Ziele erlangen, die sie durch den Einsatz von E-Health-Projekten erreichen will.

Ein derartiger Zielfindungsprozess wurde auch von einer interdisziplinären Arbeitsgruppe aus ganz Österreich mit Schwerpunkt Tirol2 erarbeitet, als Ergebnis wurde die „Tiroler e-Health Strategie“ entwickelt. Dabei wurde anhand einer Zieldefinition festgesetzt, was mit e-Health3 erreicht werden soll:

„a) Wichtige medizinische Informationen sollen den behandelnden Ärzten (elektronisch) über die einzelnen Einrichtungen hinaus zugänglich gemacht werden. Eine Zusammenschau der relevanten Gesundheitsinformationen eines Patienten (z. B. Medikamente) soll ermöglicht, aber gleichzeitig durch ein entsprechendes Berechtigungssystem vor missbräuchlicher Verwendung geschützt werden.

b) Relevante Inhalte sollen bei Bedarf rasch zur Verfügung stehen, eine Informationsüberflutung aber gleichzeitig vermieden werden.

c) Der Bürger bzw. Patient soll selbst auf seine eigenen medizinischen Informationen zugreifen und zum Teil selbst Daten eingeben können (z. B. Blutdruckwerte).

d) In die genannten elektronischen Systeme sollen im Sinne von „Wissensmanagement“ auch Begleit- und Hilfsinformationen integriert werden können (z. B. Leitlinien, Standards und Erläuterungen).

e) Mit e-Health sollen durch Überwindung räumlicher Distanzen Gesundheitsdienstleistungen näher an den Patienten heran gebracht und eine flächendeckende medizinische Versorgung unterstützt werden (z. B. Teleradiologie).“

Ausgehend von solch einer Zieldefinition können dann geplante Projekte bewertet werden und diejenigen ausgewählt werden, die der Strategie am ehesten entsprechen.

Legt man sich im Anschluss an einen solchen Zielfindungsprozess auf mehrere E-Health-Projekte fest, so gilt es, bei der Umsetzung noch einige Besonderheiten zu beachten.

Zusatzanforderungen, die bei E-Health-Projekten auftreten

Eine Besonderheit besteht darin, dass bisherige Arbeitsabläufe bei einem Umstieg auf E-Health wesentlich kritischer hinterfragt werden und dadurch oft Mehraufwendungen entstehen. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen.

Erhöhung des Sicherheitsaspektes:

Früher war bzw. es ist immer noch Usus, dass bei einem Anruf eines niedergelassenen Arztes, der einen Arztbrief oder Befund wünscht, das Dokument ohne jede Identitätsprüfung an die angegebene Nummer gefaxt wird, obwohl damit ein erhebliches Sicherheitsrisiko verbunden ist. Der Anrufer könnte beispielsweise auch der Arbeitgeber und nicht der behandelnde Arzt sein. Trotzdem ist dieser Ablauf in den meisten Krankenanstalten Österreichs gelebte Praxis.

Beim Umstieg auf ein elektronisches System wird sofort der Sicherheitsaspekt in den Vordergrund gestellt. Es dürfen nur noch zwischen eindeutig identifizierten und berechtigten Personen verschlüsselt Daten übertragen werden. Weiters muss eine gesetzliche Grundlage als Rechtfertigung für die Übermittlung vorliegen oder, wenn diese nicht vorhanden ist, muss der Patient der Übermittlung zustimmen. Diese Zustimmung des Patienten hat die anfragende Person einzuholen und zu dokumentieren.

Durch diese Sicherheitsmaßnahmen ist das elektronische System viel besser vor Missbrauch geschützt, aber es entstehen dadurch auch Mehraufwendungen wie z. B. das Einholen der Einverständniserklärung der betroffenen Patienten, die den Usern erst vermittelt werden muss. Diese werden leider oft als bürokratischer Ballast betrachtet. Und dies, obwohl eigentlich nach der bestehenden Gesetzeslage in Österreich schon bisher Arztbriefe nur mit Einverständnis der Patienten übermittelt werden dürfen.4

Verstärkte Dokumentation aller Arbeitsschritte:

Transparenz und Nachvollziehbarkeit sind gern verwendete Begriffe, wenn Prozesse qualitätsgesichert werden sollen. Qualitätsgesicherte Prozesse werden im Rahmen von E-Health-Projekten als Selbstverständlichkeit betrachtet. Die nachweisbare Dokumentation aller Arbeitsschritte verursacht jedoch auch Kosten in nicht unerheblichem Ausmaß und hinterlässt bei den Usern das Gefühl, es mit einem bürokratischen System zu tun zu haben.

Datenschutz und E-Health

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass das Thema Datenschutz im Rahmen von E-Health-Projekten zu den am meisten und emotionalsten Diskussionspunkten gehört. Ist man nicht in der Lage, bei E-Health-Projekten diesen Punkt erfolgreich zu behandeln, verliert das Projekt seine Akzeptanz und hat nur wenige Chancen auf eine erfolgreiche Umsetzung – und dies zu Recht.

Datenschutz bedeutet, sich so zu verhalten, dass das entgegengebrachte Vertrauen anderer, die einem ihre personenbezogenen Daten überlassen haben, nicht enttäuscht wird. Diesem Grundsatz sollten auch E-Health-Projekte entsprechen. Was bedeutet dieser Grundsatz aber im Konkreten?

a) Der Betroffene ist einzubinden, ob Daten von ihm übermittelt werden dürfen.

b) Ohne gesetzliche Grundlage oder ausdrückliche Zustimmung des Betroffenen hat eine Übermittlung zu unterbleiben.

c) Effizienzsteigerung oder Qualitätssicherung sind kein ausreichender Grund, um den Geheimhaltungsanspruch des Betroffenen zu brechen.

d) Die Datensicherheit ist entsprechend dem Umfang der gespeicherten und verwendeten Daten zu erhöhen, um Missbrauch entgegen zu wirken.

e) Ein Berechtigungssystem muss vorliegen und ständig weiter entwickelt werden.

f) Ein Kontrollsystem muss implementiert sein, um auch zu gewährleisten, dass die vorgesehenen Sicherheitsmaßnahmen eingehalten werden und Missbrauchsfälle konsequent geahndet werden.

Schwierigkeiten bereitet bei E-Health-Projekten oft die Gestaltung des Berechtigungssystems.

Als Leitsatz wird diesbezüglich immer wieder genannt: „Jeder soll auf die Daten zugreifen können, die er für die Patientenbehandlung benötigt.“ Dies greift jedoch zu kurz, da die Definition, welche Daten für welche Art der Behandlung notwendig sind, für das Gesamtspektrum der Behandlungen nicht existiert und zudem der Patient nach diesem Leitsatz nicht eingebunden ist.

Zur Gestaltung eines Berechtigungssystem für ein E-Health-Projekt, beispielsweise dem bereichsübergreifenden Austausch von Gesundheitsdaten, stehen zwei prinzipielle Möglichkeiten zur Auswahl.

a) Während eines Behandlungsverhältnisses wird nachgefragt, welche Daten verwendet werden dürfen. Damit sich der Patient entscheiden kann, werden die Daten einfach kategorisiert. Die Kriterien, die beispielsweise beim Stufenmodell und auch im Vorschlag für das Berechtigungssystem ELGA dafür vorgesehen wurden, sind: Zeit, behandelnde Einrichtung, Fachrichtung, Dokumententyp (Arztbrief, Befund,…).

b) Alternativ besteht die Möglichkeit, dass der Patient nicht im Behandlungszusammenhang, sondern im Vorfeld mittels Berechtigungsmatrix definiert, welche Einrichtung bzw. welche Personen (Hausarzt) welche Daten von ihm einsehen dürfen.

Beide Möglichkeiten haben Vor- und Nachteile: Bei der ersten Möglichkeit muss der Patient jedes Mal um seine Zustimmung gebeten werden. Bei der zweiten Möglichkeit muss man die betroffenen Patienten dazu bringen, die Berechtigungsmatrix, die auch vorausgefüllt sein kann, frei zu geben bzw. zu befüllen.

E-Health und die Unfähigkeit „elektronisch zu vergessen“

Eine weitere Besonderheit, die im Zuge von E-Health-Projekten, aber auch generell bei der elektronischen Archivierung von Krankengeschichten auftritt, sind die Beschwerden von Patienten darüber, dass ihre Daten nach einer gewissen Zeit nicht gelöscht werden oder als nicht mehr relevant gekennzeichnet werden, also kein „Elektronisches Vergessen“ eintritt.

Hintergrund der Beschwerden ist zumeist, dass die Patienten mit bestimmten Tatsachen oder Diagnosen nicht mehr konfrontiert werden wollen, da sie diese als belastend empfinden. Dies hängt auch damit zusammen, dass die elektronisch gespeicherten Daten auch nach einem langen Zeitraum noch so wirken, als ob sie erst vor kurzem geschrieben wurden.

Auch dazu ein Bespiel: Eine Frau im Alter von 45 Jahren lässt sich an einer Abteilung für Frauenheilkunde behandeln. In der elektronisch geführten Krankengeschichte findet sich der Hinweis auf eine Depression. Die Gynäkologin fragt bei der Anamnese nach, ob die Frau noch Depressionen hat oder nicht, worauf diese entrüstet äußert, dass sie nur einmal ein Familienproblem mit 16 Jahren gehabt habe und irgend ein junger Assistenzarzt dies als Depression dokumentiert hat, was aber nicht korrekt war, und dass sie seit nunmehr fast 30 Jahren immer wieder mit der Frage konfrontiert werde, ob sie depressiv sei.

Um solche Fälle zu vermeiden, wird es Überlegungen zu einem elektronischen Vergessen geben müssen. Das Beispiel verdeutlicht aber auch noch ein anderes Problem. Wie soll reagiert werden, wenn die Gesundheitsakte/Krankengeschichte falsche Daten enthält, sich der dokumentierende Arzt aber weigert, diese Daten richtig zu stellen?

Der Arzt kann sich diesbezüglich auf die Dokumentations- und Archivierungspflicht nach dem Krankenanstaltengesetz berufen. Der Patient kann, da es sich um eine gesetzliche Grundlage handelt, nicht auf das Löschungsrecht nach dem Datenschutzgesetz berufen, auch wenn er ein Gutachten eines anderen Arztes vorlegt, welches den Nachweis erbringt, dass die andere Diagnose falsch ist.

Hier stellen sich also zwei Ansprüche im Widerstreit zueinander, wobei derzeit der gesetzliche Anspruch immer überwiegt, was aus Patientensicht alles andere als zufriedenstellend ist.

Zukunftsbild E-Health als Second Life – Mein E-Health-Avatar

Das Second Life5 hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass neben dem realen Leben noch ein zweites, virtuelles Dasein besteht. Dieses eingebettet in eine meist surreale Spielwelt, weist allerdings meist deutliche Unterschiede zum realen Leben auf, da oft versucht wird, im virtuellen Dasein positive Seiten mehr in den Vordergrund zu stellen und negative zu verheimlichen, um so in der jeweiligen Community ein attraktives Mitglied zu sein. Dies kann so weit führen, dass das virtuelle Dasein überhaupt keine Gemeinsamkeiten mehr zur realen Person aufweist, oder auch, dass mehrere Second Lifes geführt werden, um für einzelne Neigungen immer einen typischen Charakter parat zu haben.

Für die Medizin lässt sich daraus ein Zukunftsszenario entwerfen: Bevor sich jemand in medizinische Behandlung begibt, lässt er sich zuerst sein virtuelles medizinisches Abbild, seinen Avatar, der mit allen zur Verfügung stehenden medizinischen Informationen über ihn behaftet ist, in einer künstlich nachgebildeten Gesundheitsversorgungswelt behandeln. Diese Gesundheitswelt wird ständig über die aktuellen Benchmarkvergleiche und sonstigen verfügbaren Daten (etwa aus Zufriedenheitsanalysen) der realen Gesundheitseinrichtungen „gefüttert“, damit die Prognose des Behandlungsergebnisses eine hohe Eintrittswahrscheinlichkeit hat.

Der Avatar kann mit demselben Krankheitsbild in den verschiedensten Gesundheitseinrichtungen behandelt werden, was dem User ermöglicht, den Behandlungserfolg und die Behandlungskosten zu vergleichen bzw. zu eruieren, wo man insgesamt die höchste Erfolgsquote zu erwarten hat bzw. welche Kosten für die einzelnen Behandlungen entstehen. Darüber hinaus bekommt der User über seinen Avatar auch noch angezeigt, ob die zwischenmenschliche Komponente in den jeweiligen Gesundheitseinrichtungen passt und man davon ausgehen kann, sich auch wohl zu fühlen.

Umgekehrt kann der User den Avatar auch in die Rolle des Mediziners schlüpfen lassen, um zu erfahren, welche Entscheidungen dieser zu treffen hat.

Wenn ein Mediziner diesen Absatz liest, wird er sich vielleicht die Frage stellen, ob er dann nicht nur Patienten, die sich über das Internet ein „Halbwissen“ aufgebaut haben, darüber aufzuklären hat, wo das tatsächliche medizinische Problem liegt, sondern dass er in Zukunft auch noch erläutern muss, wieso er eine andere Behandlungsmethode vorschlägt als der in der virtuellen E-Health-Welt behandelnde Arzt.

Erweitert man diesen Spielgedanken um den Aspekt, dass neben erhobenen medizinischen Daten auch noch ständig Echtzeitdaten wie Blutdruck, Herzfrequenz, Schlafrhythmus, Trainingsdaten, Impfdaten übermittelt werden und psychologische Tests eingespeist werden, so wird das Bild des Avatar immer mehr mit dem realen medizinischen Bild der Person übereinstimmen. In ferner Zukunft übermittelt der Bürger dann nicht mehr seine Krankengeschichte, sondern seinen E-Health-Avatar an verschiedene Gesundheitseinrichtungen und fragt an, welche Behandlung sie vorschlagen und welche Behandlungskosten damit verbunden sind.

Eine weitere interessante Zukunftsperspektive in diesem Bereich ist es, den E-Health-Avatar einen Zeitsprung mit der jeweiligen jetzigen Lebensführung machen zu lassen. Dann erhält man eine Zukunftsprognose, wann mit welcher Erkrankung zu rechnen ist bzw. wo die derzeitige Lebenserwartung liegt und mit welcher Lebensqualität man zu rechnen hat.

Als Vergleich zum Erstergebnis kann dann eine Lebensgewohnheit geändert werden, z. B. statt des Konsums von 20 Zigaretten pro Tag keine Zigaretten mehr, und man erhält die geänderte Zukunftsprognose. Oder aber man lässt sich errechnen, wie man sich verhalten muss, um am längsten zu leben.

Zukunftsmusik? Ja sicherlich, aber zielen nicht jetzt schon eine Vielzahl medizinischer Tests, insbesondere die genetischen Tests darauf ab, ein genaues Zukunftsbild zu liefern, welchem Krankheitsrisiko man ausgesetzt ist und ob man durch Verhaltensänderungen das Risiko einer Erkrankung vermindern kann oder nicht?

Aus Sicht des Datenschutzes könnte sich der E-Health-Avatar auch als Bumerang erweisen. Denn wenn dieser tatsächlich einen hohen Übereinstimmungsgrad zu persönlichen Gesundheitsdaten besitzt, ist er auch sofort ein Objekt der Begierde für Versicherungen, Arbeitgeber, Polizei usw., die Personen damit kategorisieren und für die Zukunft planen können, etwa die Frage, ab welchem Zeitpunkt die Versicherungspolizze gekündigt werden soll, weil das Risiko für Ausgaben steigt, oder wann man seine Attraktivität für den Arbeitgeber verliert, weil die Leistungsfähigkeit voraussichtlich nachlässt.

Konklusion

Es spricht viel dafür, E-Health-Projekte verstärkt an Krankenanstalten zum Einsatz zu bringen. Jedoch sollte man sich nicht von einem technikverliebten Ansatz in der Gestaltung verleiten lassen, sondern anhand einer definierten Strategie den Einsatz kalkulieren. So kann gewährleistet werden, dass durch das E-Health-Projekt auch ein konkreter Nutzen eintritt, der den investierten Aufwand übersteigt. Zudem sind bereits vor Projektstart klare Konzepte zu den Themen Sicherheit und Datenschutz auszuarbeiten, um nicht Gefahr zu laufen, die Akzeptanz der Betroffen durch Missbrauchsfälle zu verlieren.

Referenzen

  1. http://www.who.int/gb/ebwha/pdf_files/WHA58/WHA58_28-en.pdf
  2. Die e-Health-Strategie Tirol wurde im Auftrag der Tiroler Gesundheitsplattform unter Koordination von Georg Lechleitner, Thomas Schabetsberger und Johannes Schöch erstellt und im September 2009 durch den Tiroler Gesundheitsfonds abgenommen und freigegeben.
  3. Bei dem Begriff E-Health wurde das „e“ bewusst klein geschrieben, um zum Ausdruck zu bringen, dass nicht die Technik sondern die Gesundheit im Vordergrund stehen soll.
  4. Vgl. § 35 Abs. 4 Tiroler KAG
  5. Wikipedia: Second Life (deutsch: zweites Leben, von Teilnehmern kurz „SL“ genannt) ist eine Online-3D-Infrastruktur für von Benutzern gestaltete virtuelle Welten, in der Menschen durch Avatare (eine künstliche Person, ein virtueller Stellvertreter) interagieren, spielen, Handel betreiben und anderweitig kommunizieren können. Das seit 2003 verfügbare System hat 15 Millionen registrierte Benutzerkonten, über die rund um die Uhr meist rund 60.000 Nutzer gleichzeitig in das System eingeloggt sind.

Anschrift des Autors:

Mag. Klaus Schindelwig, MSc.
Personalsysteme, Datenschutz, TILAK GmbH
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