Präimplantationsdiagnostik - Fakten und Daten

Was ist die Präimplantationsdiagnostik (PID)?

 Die PID ist ein diagnostisches Verfahren, bei dem künstlich erzeugte menschliche Embryonen vor dem Einsetzen in die Gebärmutter auf genetische Fehler und Risiken untersucht und gegebenenfalls selektiert werden. Ziel der Untersuchung ist es, jene Embry-onen auszusondern, die unerwünschte Merkmale (Chromosomenanomalien oder genetisch erkennbare krankheitsrelevante Mutationen) besitzen. Sie kann auch der Selektion von Embryonen mit erwünschten Merkmalen (Geschlecht, Organ- und Gewebespender) dienen. 

Wie wird PID durchgeführt?

 Die Präimplantationsdiagnostik erfordert die Bereitstellung mehrerer Embryonen, um so genügend Ausgangsmaterial zu haben. Das Verfahren ist an die In-vitro-Fertilisierung (IVF) gebunden. Dem mehrere Tage alten Embryo werden meist während des so genannten 4- bis 8-Zell-Stadiums mindestens ein bis zwei Zellen entnommen. Um eine PID durchzuführen, muss oft zuvor eine aufwändige Analyse der genetischen Veranlagung der Eltern stattfinden – nur so wissen die Ärzte, wonach sie suchen sollen - um dann einen passenden Gentest durchzuführen oder einen maßgeschneidert zu entwickeln. 

Wann soll PID angewandt werden?

Die Mehrheit der Befürworter einer PID verlangt klare, enge Begrenzungen: Eine PID solle nur dann erlaubt sein, wenn bei den Eltern Erbanlagen für Gendefekte bestehen, die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu schweren Behinderungen führen oder ein hohes Risiko für Fehl- oder Totgeburten bergen. PID stellt Diagnosen, kann aber keine Therapien anbieten. 

Welche Krankheit rechtfertigt einen "Embryonencheck"?

 Darüber wird heftig debattiert. Als Einsatzgebiet der PID werden monogene Erbkrankheiten (wie z. B. die Bluterkrankheit, Mukosviszidose, Sichelzellanämie und Thalassämien) genannt oder numerische und strukturelle Chromosomenanomalien (etwa überzählige oder fehlende Chromosomen, wie z. B. beim Down-Syndrom, Klinefelter-Syndrom). Man kann PID auch zur prädiktiven Diagnostik von Erbkrankheiten einsetzen, die erst später im Leben auftreten werden, wie z. B. bei Chorea Huntington, einer neurodegenerativen Krankheit, die meist erst ab dem 40. Lebensjahr ausbricht. Letztlich gibt es aber keinen gesellschaftlichen Konsens darüber, welche Krankheiten in eine Indikationsliste aufgenommen werden sollen, um PID und damit die Zustimmung zum Aussortieren betroffener Menschen zu legitimieren. Ein Indikationsmodell („Watch-Liste“ von Krankheiten) ist praktisch undurchführbar (und wurde deshalb auch von Deutschland abgelehnt), weil sie dem Diskriminierungsverbot widerspricht. Es stellt sich außerdem die demokratiepolitische Frage, welche Liste rechtens von wem erstellt werden darf, aufgrund derer dann Embryonen ausgesondert und vernichtet werden dürfen. 

Ist PID das Mittel um Frauen eine Fehl- oder Totgeburt zu ersparen?

 Ein Argument von PID-Befürwortern lautet, dass PID ohnehin nur nicht lebensfähige Embryonen aussortieren würde. Damit würde Leid erspart und könnte letztlich auch die Erfolgsrate der IVF gesteigert werden. Es gibt sicherlich Situationen, in denen sich Paare in einer schwer zu ertragenden Lage befinden. Doch der Wunsch nach einem gesunden Kind ist und bleibt ein Wunsch. Diesem mit allen – auch ethisch nicht rechtfertigbaren – Mitteln nachzugeben, fördert eine gesellschaftlich unrealistische Haltung, aus der heraus ein Anspruchsdenken nach einem „Null-Fehler-Baby“ oder „Designer-Baby“ wächst – ein Trend, der sich in Ländern, in denen PID erlaubt ist, klar beobachten lässt. Dagegen zählt es zu den fundamentalen Schutzpflichten des Staates, schon die Erzeugung von Embryonen zu verbieten, die in diskriminierender Weise „aussortiert“ werden sollen. PID bringt keineswegs eine Garantie mit sich. Viele genetische Krankheiten lassen sich durch diese Technik nicht erfassen oder treten erst zu einem späteren Zeitpunkt auf. 

Wie viele Embryonen werden im Rahmen einer PID "verbraucht"?

 Die Daten der Europäischen Gesellschaft für Humanreproduktion und Embryologie (ESHRE) von 2010 zeigen, dass im Zuge einer PID auf eine Lebendgeburt 33 Embryonen „verbraucht“ wurden. Diese hohe Zahl hängt mit dem Verfahren der PID zusammen: Sie braucht Zugriff auf mehrere Embryonen als Untersuchungs- und Vergleichsmaterial. Dies verschärft das Problem der Herstellung von überzähligen Embryonen im Zuge einer IVF, da in der Regel mehrere Implantations-Versuche (mehrere Embryonen) nötig sind, damit es zu einer erfolgreichen Schwangerschaft kommt. 

Kann der Staat die PID begrenzen?

 Die Erfahrungen in Ländern, in denen die PID bereits erlaubt ist, zeigen, dass es praktisch unmöglich ist, die PID in der Praxis „auf Einzelfälle“ hin zu regeln. Als Beispiel sei Großbritannien genannt: Dort wurde die PID 2006 legalisiert; sie kann bei der drohenden Vererbung bestimmter Formen von Krebs, Alzheimer und Muskelkrankheiten genutzt werden – insgesamt bei mehr als 160 Indikationen. Inzwischen genügt das bloße Vorhandensein eines sogenannten Risiko-Gens – etwa des Brustkrebsgens BRCA1, um Embryonen im Zuge der PID auszusortieren, selbst wenn bekannt ist, dass die Krankheit weder zwingend ausbrechen wird, noch dass sie allein auf dieses Risiko-Gen rückführbar ist. 

Welche sozialen Folgen hat die PID?

 Embryonen werden nicht um ihrer selbst willen erzeugt, sondern ihre Existenz wird abhängig gemacht von bestimmten genetischen Dispositionen, Anlagen und Merkmalen. Anders als die Pränataldiagnostik (PND), die – ungeachtet ihres Missbrauchs in der medizinischen Praxis – auch wichtige Erkenntnisse für eine der Gesundheit des Ungeborenen dienenden Geburtsvorbereitung sowie der frühzeitigen Einleitung von Therapien dienen kann, ist die PID ein „reines Selektionswerkzeug“. Durch sie wird letztlich normiert, was lebenswert ist und was nicht, welcher Mensch anderen Menschen „zumutbar“ ist und welcher nicht. 

Was folgt aus diesen Fakten?

  1. Aus medizinischer Sicht ist die PID ein aufwändiges, belastendes, wenig erfolgversprechendes und risikoreiches VerfahrenSie ist ethisch unannehmbar, weil sie ein reines Instrument der Selektion des frühen Embryos ist. In letzter Konsequenz handelt es sich um eine moderne Spielart von Eugenik.
  2. Das Indikationsmodell („Watch-Liste“ von Krankheiten) ist praktisch undurchführbar, die Liste wird je nach Stand der Technik immer weiter – und damit auch die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen immer schärfer.
  3. Wer PID erlaubt, bahnt den Weg, dass sie zu einem Routineverfahren der In-vitro-Fertilisation mutiert und damit Sicherheiten auf ein „gesundes“ Kind vorspiegelt. In diesem Zusammenhang ist eine breite Debatte gefordert über nicht offen gelegte Interessen: die prinzipielle, flächendeckende Ermöglichung der Qualitätskontrollen von Embryonen im Zuge der IVF; handfeste ökonomische Interessen von reproduktionsmedizinischen Zentren (Kosten für PID-Tests: 2.000 bis 4.000 Euro) usw.
  4. Die Zerstörung des Embryos widerspricht der Menschenwürde (vgl. EuGH-Urteil, 18. Oktober 2011, Brüstle vs. Greenpeace C-34/10). Menschenwürde ist unteilbar: Die Anerkennung der Würde des Menschen ist an seine Existenz gebunden, nicht an seine Eigenschaften.
  5. Gesellschaftspolitisch muss der Gleichheitsgrundsatz gelten. Durch die PID fallen Menschen aber einem abstrakten Gesundheitsideal zum Opfer: Nicht Krankheiten werden eliminiert, sondern die Kranken. Dies widerspricht einer aufgeklärten Gesellschaft, deren wohl höchste Errungenschaft die Menschenrechte sind.
Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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