Das ärztliche Aufklärungsdilemma bei pränatalen Untersuchungen

Imago Hominis (2012); 19(4): 293-303
Josef Spindelböck

Zusammenfassung

Pränatale Untersuchungen besitzen eine verschieden große Aussagekraft bezüglich der Abklärung von Krankheiten und Behinderungen des ungeborenen Kindes. Eltern, bei deren ungeborenem Kind eine positive Diagnose festgestellt wird, geraten gesellschaftlich leicht unter Druck, ihr Kind abtreiben zu lassen. Auch der beratende Arzt sieht sich in der Wahrnehmung seiner Aufklärungspflicht einem gewissen Dilemma ausgesetzt: Seine Informationen tragen womöglich dazu bei, dass die Mutter sich gegen die Geburt ihres kranken oder behinderten Kindes entscheidet. Von seiner christlichen Überzeugung aus darf der katholische Arzt keine direkte Tötung eines ungeborenen Kindes durch Abtreibung durchführen oder sie unterstützen. Er wird auf der Grundlage seiner ärztlichen Aufklärungspflicht umfassend informieren, schwangeren Frauen in Not positiv-motivierend zur Seite stehen, dabei zur Annahme des Kindes ermutigen und auf das Angebot weiterer Beratungs- und Hilfeleistungen für Mutter und Kind verweisen.

Schlüsselwörter: Pränataldiagnostik, Abtreibung, Behinderung, Krankheit, Kind

Abstract

In prenatal diagnoses there is a different certainty of detecting possible diseases and handicaps of the unborn child. Parents with a positive diagnosis regarding their unborn child are easily put under pressure by society to perform an abortion. The physician who gives advice and information is in some dilemma: his information offered to the mother can be relevant for her decision against the birth of her child. According to his Christian belief a catholic physician is not allowed to perform or to support the direct killing of an unborn child through abortion. On the basis of his duty of giving adequate patient information he will positively motivate a woman in need to accept her child and show further ways of advice and help for both mother and child.

Keywords: Prenatal Diagnosis, Abortion, Disablement, Handicap, Disease, Child


Angesichts des medizinisch-technischen Fortschritts im Bereich pränataler Diagnostik und einer im allgemeinen gesellschaftlichen Bewusstsein vorhandenen, teilweise auch rechtlich mitgeprägten Erwartungssituation in Richtung der Selektion kranker und behinderter ungeborener Kinder erscheint die Annahme plausibel, dass es für einen Arzt im Zusammenhang der vorgesehenen Beratungen bei pränatalen Untersuchungen zu einem gewissen Aufklärungsdilemma kommen kann. Diese Problematik gilt es im Folgenden näher aufzuweisen und zugleich nach möglichen Auswegen zu suchen.

1. Um welche pränatalen Untersuchungen geht es?

Die vorgeburtliche Diagnostik gehört heute zu den in der Medizin routinemäßig angewandten Untersuchungen.1 Es gibt aber auch besondere Indikationen ihrer Anwendung. Dazu zählt das Risiko der Weitergabe genetischer Mutationen mit Krankheitswert an die Nachkommen, bei Frauen höheren Alters das Risiko für das Kind bezüglich einer numerischen Chromosomenstörung sowie andere Risiken für das Kind, z. B. bei dauerhafter Medikamenteneinnahme der Mutter. Auch Ausweitungen der Anwendung werden gefordert, z. B. auf alle Frauen bezüglich des Screenings ungeborener Kinder auf Trisomie 21.2

Unterschieden werden nicht-invasive Mutterschaftsvorsorgeuntersuchungen im ersten, zweiten und dritten Trimenon (vor allem mit Ultraschall und bisweilen kombiniert mit der Untersuchung des mütterlichen Blutes, intendiert als Screening zur Überwachung der normal verlaufenden Schwangerschaft)3 und invasive Untersuchungen (bei Risiken für eine Fehlbildung oder eine spezielle Krankheit, durchgeführt mittels Chorionzotten- bzw. Plazentabiopsie und Amniozentese, danach durch molekulargenetische und chromosomale Diagnostik).4 Weitere diagnostische Mittel sind die Chordozentese (Punktierung der Nabelschnur des Fetus zur Untersuchung des kindlichen Blutes), Untersuchungen mit dem Fetoskop,5 außerdem genetische Blutuntersuchungen und der sog. Triple-Test, aktuell auch der PraenaTest®.6 Im Rahmen der In-vitro-Fertilisation ist die Anwendung der Präimplantationsdiagnostik (PID) technisch längst durchführbar, wenn auch in den einzelnen Staaten mit verschieden großen rechtlichen Einschränkungen.7

Sowohl in der prätherapeutischen Diagnostik8 als auch in der intrauterinen Therapie (z. B. bei Blutgruppenunverträglichkeit, kardialen Rhythmusstörungen, Infektionen, urogenitalen Erkrankungen, Zysten und Tumoren, Thrombopenie und dem fetofetalen Transfusionssyndrom) hat es in den letzten Jahren große Fortschritte gegeben, wobei im gegebenen Fall eine experimentelle offene Ungeborenen-Chirurgie zunehmend durch eine endoskopische intrauterine Chirurgie abgelöst wurde. Eine somatische Gentherapie pränatal diagnostizierter Gendefekte ist hingegen erst ansatzweise möglich.9 Die Keimzelltherapie ist rechtlich untersagt; es könnten sogar durch die bei der somatischen Therapie verwendeten Retroviren unter Umständen auch Keimzellen verändert werden.10

2. Worin besteht das ärztliche Aufklärungsdilemma bei pränatalen Untersuchungen? 

Beim Dilemma im Hinblick auf eine qualifizierte ärztliche Beratung der Mutter vor, bei und nach der Durchführung einer pränatalen Diagnostik geht es um eine Diskrepanz zwischen dem je nach Faktenlage sicheren, wahrscheinlichen oder unsicheren Wissen aufgrund einer pränatalen Diagnose und oft nicht oder nur unzureichend gegebenen therapeutischen Möglichkeiten bei einer festgestellten Erkrankung oder Behinderung des ungeborenen Kindes.

Die Diagnose teilt die betroffenen Frauen und ihre ungeborenen Kinder in drei Gruppen ein:
1) Das Kind ist sicher gesund.11 2) Das Kind ist wahrscheinlich (schwer) krank oder behindert. 3) Das Kind ist mit Sicherheit (schwer) krank oder behindert. Der gesellschaftliche Druck lastet sowohl auf dem Arzt als auch auf den Eltern, vor allem der Mutter, eine Krankheit oder Behinderung jenes Kindes, das auf die Welt kommen soll, möglichst auszuschließen, d. h. aber dann konkret, bei fehlender Therapiemöglichkeit ein schwer krankes oder behindertes Kind abtreiben zu lassen.

Der Arzt weiß, dass im gegenwärtigen gesellschaftlichen Kontext und vielleicht erschwerend auf dem Hintergrund der persönlichen Situation der schwangeren Frau gewisse Erwartungen bestehen oder dass sogar ein mehr oder weniger schwerer Druck auf sie ausgeübt wird, auf keinen Fall ein krankes oder behindertes Kind auszutragen und zu gebären.12 Mit der technologischen Weiterentwicklung pränataler Tests wächst der Handlungsdruck für Ärzte, das, „was erkennbar ist“, auch wirklich zu diagnostizieren. Machbarkeitsvorstellungen werden hochgeschraubt, einem „Paradigma der Vermeidbarkeit“ folgend.13 Dies spitzt sich in besonderer Weise zu bei der ärztlichen Beratung im Hinblick auf die Entscheidungsfindung der Frau angesichts der pränatalen Kindes-Diagnose Down-Syndrom. Ein komplexer, multifaktorieller Abwägungsprozess findet „innerhalb eines gesellschaftlich präformierten Klimas“ statt, „das den selektiven Abbruch nach der Diagnose Down-Syndrom als normalen und folgerichtigen Schritt der Verfahrenslogik pränataler Diagnostik ansieht.“14

Für den Arzt besteht im Rahmen pränataler Diagnostik eine rechtliche Verpflichtung, die Mutter möglichst umfassend aufzuklären („nach den Regeln ärztlicher Kunst“), was den gesundheitlichen Status des ungeborenen Kindes und eine mögliche Therapie bei Erkrankungen oder Fehlbildungen betrifft. Tut der Arzt das nicht oder nur unzureichend,15 wird er möglicherweise haftbar gemacht, falls ein krankes oder behindertes Kind zur Welt kommt („Familienplanungsschaden“, „wrongful life/conception/birth“). Es heißt zwar, nicht das Kind werde hier als Schadensfall angesehen, sondern „die aufgrund der Behinderung sich ergebenden Mehraufwendungen“.16 Praktisch läuft dies aber auf dasselbe hinaus.17

So verschärft sich das Dilemma: Wenn der sich dem Nichtschadensprinzip („primum non nocere“) verpflichtet wissende Arzt aufgrund einer an sich sowohl rechtlich als auch ethisch bestehenden Informationspflicht und eines damit zusammenhängenden Rechts auf Wissen Auskunft gibt, riskiert er vielleicht ungewollt, bei einer möglichen Abtreibung mitzuwirken, insofern seine Auskunft letztlich maßgeblich dafür ist, eine Entscheidung gegen das Leben des kranken oder behinderten Kindes zu fällen und es vorgeburtlich zu töten.

Bevor nach ethisch vertretbaren Antworten und Auswegen angesichts des ärztlichen Aufklärungsdilemmas gesucht wird, die sowohl der Informationspflicht des Arztes, dem Recht auf Wissen (bzw. auch auf Nicht-Wissen) auf Seiten der Mutter bzw. der Eltern sowie der Frage einer möglichen Mitwirkung der handelnden Personen am Bösen („cooperatio ad malum“) gerecht werden, soll die hinter der gesellschaftlichen Erwartungshaltung zur Abtreibung kranker oder behinderter Kinder stehende Popularethik skizziert werden.

Demgemäß sei es für die Eltern und die Gesellschaft unzumutbar, wenn ein behindertes oder unheilbar krankes Kind auf die Welt komme. Wie viel Leid könne man auch den betroffenen Kindern ersparen, wenn sie frühzeitig „selektiert“ würden!18 Volkswirtschaftlich und eugenisch gesehen sei es vorteilhaft, wenn kranke und behinderte Menschen überhaupt erst nicht geboren würden. Extrem darwinistisch im Sinne eines „Kampfes ums Dasein“, bei dem nur die Stärksten durchkommen, kann man es noch schärfer formulieren: Solch „lebensunwertes“ Leben sollte man möglichst frühzeitig „ausmerzen“.

Auf der Ebene wissenschaftlicher ethischer Theorien sind diverse Spielarten des Utilitarismus wirksam, die die Würde der menschlichen Person angesichts von Krankheit und Behinderung nicht ausreichend wahrnehmen und schützen. Auch zeigt sich die Problematik einer Ethik der Güterabwägung im Kontext des Teleologismus (bzw. Proportionalismus und Konsequenzialismus): Angeblich stehen „zwei konkurrierende Güter miteinander in Widerstreit …: das behinderte Leben des Kindes und das Gesamtwohl der Mutter und der Familie“.19

Peter Singer und andere vertreten einen Präferenzutilitarismus, wonach das Personsein nur jenen Lebewesen zukomme, die bestimmte Interessen in bewusster Weise aktuell wahrnehmen können.20 Ungeborene Kinder entsprechen von vorneherein nicht diesem Kriterium, sodass ihr Lebensrecht in einem Abwägungsprozess gegen angeblich konkurrierende Werte und Güter taxiert wird.

Doch ist personales Leben nicht verrechenbar, weder gegen anderes Leben noch gegen andere Güter.21 Es handelt sich im konkreten Fall möglicher vorgeburtlich feststellbarer Behinderung oder Erkrankung normalerweise auch nicht um eine im strengen Sinn vitale Indikation, bei welcher zwei Leben miteinander konkurrieren und nur eines von ihnen gerettet werden kann. Vielmehr gilt es den Menschen als Person in seiner Einzigartigkeit anzuerkennen und sein Recht auf Leben wirksam zu schützen sowie die Möglichkeiten einer humanen Entfaltung seiner leibseelischen Anlagen zu fördern.

3. Welche Antwort kann die Ethik angesichts des ärztlichen Aufklärungsdilemmas geben?

Wie kann außerdem eine solche Antwort begründet werden, und zwar im Gegensatz zur oben angeführten präferenz-utilitaristischen Ethik? Wie können Handelnde wirksam zu einer sittlich guten und objektiv richtigen Antwort motiviert werden? Gibt es Wege, bestimmte „Strukturen des Unrechts bzw. der Sünde“ möglichst dauerhaft zu überwinden? Geht es im Kern der ethischen Frage nur um jeweilige, verschieden stark artikulierte Interessen (des Kindes, der Mutter, der Familie, der Gesellschaft) oder um das unveräußerliche Lebensrecht Betroffener? Die verschiedenen Aspekte kommen jeweils einzeln zur Sprache, wobei eine Zusammenschau anzustreben ist.

Ethische Vertretbarkeit der Pränataldiagnostik

Diagnostische und therapeutische Fortschritte sind vom Standpunkt der Ethik aus zu begrüßen.22 Zugleich gilt es, das Leben mit seinen Begrenzungen und etwaigen Behinderungen und Krankheiten anzunehmen. Generell ist gegenüber den Möglichkeiten genetischer Beratung und pränataler Diagnostik so lange eine gewisse Zurückhaltung angebracht, als „die Probleme der genetischen Beratung und der informierten Entscheidung eher festgestellt als gelöst werden.“23 Ganz grundsätzlich gilt: „Die pränatale Diagnostik ist ethisch vertretbar, wenn sie im Dienst der Gesundheitsvorsorge von Mutter und Kind unter Achtung des Lebensrechts des ungeborenen Kindes steht.“24

Personale Sichtweise

Das Arzt-Patienten-Verhältnis bedarf des geschützten Raumes für einen vertraulichen Austausch. Je mehr die Vertraulichkeit garantiert ist, desto leichter lässt sich Druck von außen vermeiden, und die Patientin wird zu eigenverantwortlicher Entscheidung angesichts der medizinisch relevanten Fakten und der objektiven sittlichen Normen befähigt.

Man kann von einem pränatalen Arzt-Patienten-Verhältnis sprechen, „insofern das ungeborene Leben selbst in einem umfassenden humanen Sinn zum ungeborenen Patienten wird“.25 Die Eltern nehmen stellvertretend für ihr Kind das Recht auf aufgeklärte Zustimmung („informed consent“) wahr.26 Gemäß einer solchen personalen Sichtweise verbietet sich jede Instrumentalisierung des Kindes und jede Aufrechnung seines Lebens gegen ein anderes Leben oder andere Güter. Das von den Eltern stellvertretend für das ungeborene Kind ausgeübte Recht auf „informed consent“ darf nicht als „Selektionsrecht über das werdende Leben“ missverstanden werden.27 Die Eltern und andere verantwortliche Personen haben im Sinne des Fürsorgeprinzips („salus aegroti suprema lex“) das Wohl des ungeborenen Kindes zu fördern. Sollte das Kind krank oder behindert sein, gebührt ihm kraft seines Menschseins dessen unbedingte Annahme und Anerkennung und kraft seiner Schwäche besondere Förderung und Fürsorge. Eine Fremdbeurteilung von Lebensqualität wird zu einer Bewertung nach lebenswert oder lebensunwert des betroffenen Subjekts und enthält ein Urteil nach der Art: „Du sollst nicht existieren!“28

Aufklärung

Zu Ziel und Inhalt pränataler Beratung stellt der Ethik-Codex der Barmherzigen Brüder Österreichs grundsätzlich fest, die Eltern des ungeborenen Kindes müssten sich über die Konsequenzen eines „positiven“ Befundes klar werden; unvorhergesehene Konflikte sollten verhindert werden und ihre Entschlussfreiheit müsse in allem gewahrt sein.29 Ärzte sollen sich ausreichend Zeit nehmen für ihre Patientinnen. Eine bloß dem Buchstaben des Gesetzes genügende Aufklärung erweist sich als ethisch problematisch. Nötig ist eine qualifizierte Beratung und Aufklärung vor der Durchführung pränataler Diagnosen und nachher.30 Die Aufklärung muss die besonderen Indikationen der jeweiligen Untersuchungstechniken, ihre statistisch wahrscheinliche Aussagekraft und je eigene Risiken für Mutter und Kind darlegen.31 Vorher ist über Art und Tragweite der Untersuchung aufzuklären sowie auf mögliche Konsequenzen bei positivem Befund vorzubereiten, und zwar im Sinne einer Ermutigung zur Annahme auch behinderter und schwer kranker Kinder. Nachher ist bei positivem oder unsicherem Befund neben der medizinischen Beratung und dem Angebot einer vielleicht möglichen Therapie auch eine psychosoziale Beratung zu vermitteln sowie je nach Wunsch und Offenheit der Frau der Kontakt zu Selbsthilfegruppen herzustellen.32

Sittliches Tötungsverbot

Der gemäß einem recht informierten christlichen Gewissen handelnde Gynäkologe wird sich der Durchführung einer direkten Abtreibung verweigern.33 Der moralische Status des Embryos ist der einer menschlichen Person.34 Jedes menschliche Leben ist schützenswert, auch das schwer kranke und behinderte. Das Tötungsverbot lässt sich sowohl philosophisch als auch theologisch begründen. Grundsätzlich und speziell in Härtefällen stützt der christliche Glaube einen recht verstandenen Humanismus auf einzigartige Weise ab.35 Es darf keine formelle Mitwirkung bei der direkten Tötung eines ungeborenen Kindes geben: Weder die Mutter eines ungeborenen Kindes mit Verdacht auf Behinderung oder Erbkrankheit noch deren Gatte bzw. das familiäre Umfeld und schließlich auch nicht die beteiligten Ärzte und Pflegepersonen dürfen in Verbindung mit einer möglichen positiven pränatalen Diagnose die Absicht haben, eine Abtreibung eines kranken oder behinderten Kindes durchzuführen.36

In Österreich besteht für den Arzt, der aus Gewissensgründen eine Abtreibung verweigert, ein rechtlicher Schutz, der analog auch für alle übrigen Beteiligten gilt.37

Rücksicht auf komplexe Vorgeschichten

Wenn die ärztliche Beratung zur pränatalen Diagnostik einsetzt, gibt es bereits eine komplexe Vorgeschichte. Ein Beziehungsgeflecht von verschiedenen Komponenten ist auf Seiten betroffener Mütter wirksam: Es gibt „Sozialisationsfaktoren in Familie und Beruf, individuelle Lebensentwürfe und die Bedeutung der spezifischen Schwangerschaft, die gesellschaftliche Praxis von Pränataldiagnostik und Selektion, Wissen und Informationen über Zielsetzungen und Implikationen der einzelnen Verfahren, persönliche Zugangsweisen zur Pränataldiagnostik, Einstellungen, Kenntnisse und Bewertungen im Kontext mit Menschen mit Behinderungen, familiäre, soziale und gesellschaftliche Kontextbedingungen“ sowie „zur Verfügung stehende Ressourcen“.38 All dieser Vorbedingungen, Vorprägungen und Vorentscheidungen sollte sich der beratende Arzt wenigstens grundsätzlich bewusst sein.

Psychosoziale Beratung

Sowohl vor der Diagnostik als auch danach ist nicht nur eine medizinische Beratung nötig, sondern erweist sich auch eine psychosoziale Beratung als hilfreich: In dieser soll „eine Reflektion der eigenen Einstellungen und Ressourcen angeregt werden“; es gilt die „Bedeutung ganzheitlicher Erkenntnismomente (‚vitale Evidenz‘)“ herauszustellen.39 Es geht außerdem um eine „Kanalisation der Informationsflut“ und eine Hilfe zur Gewinnung einer gewissen Übersicht durch Strukturierung relevanter Gegebenheiten.40 Wenn es diese psychosoziale Beratung tatsächlich gibt, kann der Arzt darauf verweisen und muss nicht alles selber thematisieren; er ist von daher entlastet und wird wenigstens teilweise aus dem ärztlichen Aufklärungsdilemma befreit. Allerdings kann er als Arzt und als Mensch nicht einfach die Position eines „neutralen“ Informanten und Beobachters einnehmen,41 er wird vielmehr die Würde und die grundlegenden Werte der menschlichen Person und ihrer Ausrichtung auf das Leben in Gemeinschaft bejahen und im Aufklärungsdiskurs auch vertreten.42

Mobilisierung personaler Ressourcen

Auf Seiten jener Frauen, die sich für die Annahme ihres Kindes mit Down-Syndrom (und somit gegen dessen selektive Tötung durch Abtreibung) entschieden haben, war bereits eine „Entscheidung vor der Entscheidung“ wirksam – wie eine Studie aus der Retroperspektive zeigt –, und zwar als kleinster gemeinsamer Nenner eine Option „gegen die Verfügbarkeit und für den Respekt vor menschlichem Leben“, „ein Eintreten gegen die Instrumentalisierung und Entpersonalisierung des Ungeborenen“.43 Religion und Kirche spielen eine unterschiedlich prägende Rolle; maßgebend sind die jeweiligen Wertsysteme der Klientinnen, die aus verschiedenen Quellen gespeist werden. Wichtig als soziale Instanzen sind auch der Partner und Kindesvater sowie das erweiterte familiäre Umfeld.44 Vorrangig geht es daher in der Beratungssituation darum, die eigenen zur Verfügung stehenden personalen Ressourcen der Frau zu mobilisieren. Professionelle nicht-medizinische Beratung als weitere soziale Ressource wurde von den Frauen „als zwar nicht entscheidungsrelevant, aber bewältigungsrelevant analysiert“.45 Auch Selbsthilfegruppen wurden von den befragten Frauen als Kompetenzzentren wahrgenommen und geschätzt.46

Was heißt Autonomie?

Soll die Beratung im Rahmen pränataler Diagnose direktiv oder nicht-direktiv sein? Die Entscheidungsfreiheit der Mutter ist jedenfalls zu achten; dennoch kann und soll die Beratung nicht wertfrei erfolgen.47 Im Kontext der Beratung vor und nach pränataler Diagnostik geht es auf der Wertebene um ein Bewusstmachen der Heiligkeit des menschlichen Lebens, der unbedingten Würde jeder menschlichen Person und zugleich ihres individuellen Wertes, aber auch der damit verbundenen sozialen Verantwortung.48

Pränatale Diagnostik kann hilfreich sein, wenn sie im Kontext einer Bejahung des ungeborenen menschlichen Lebens geschieht.

Rechtlich geht es darum, die Mutter über die Fakten aufzuklären, sodass sie dann „ohne Einflussnahme des behandelnden Arztes entscheiden“ kann. Die ethische Problematik zeigt sich an der Frage, was denn der legitime Inhalt einer solchen Entscheidung sein kann. Zu bejahen ist es, wenn äußere Zwänge und Einflussnahmen aus dem Entscheidungsprozess eliminiert werden und auf diese Weise „der Entstehung eines Abtreibungsautomatismus für den Fall des Verdachts oder Nachweises einer Schädigung beim Embryo“ entgegen gewirkt wird.49

Die Beratung kann aber nicht neutral bleiben gegenüber der potenziellen Missachtung des Lebensrechtes eines ungeborenen, wenn auch vielleicht schwer kranken oder behinderten Kindes. Nicht selten wird die Autonomie der Patientenentscheidung betont. Faktisch werden dadurch argumentative Infragestellungen mit Hinweis auf das Recht auf Leben des ungeborenen Kindes erschwert, wenn nicht gar verunmöglicht.50

Wahre Autonomie setzt Aufklärung und Wahlfreiheit voraus51 und zugleich den Respekt vor den ethischen Grenzen.52 Von sich aus soll der Arzt (bzw. eine andere dafür zuständige Person) in jedem Fall „für das Leben“ beraten. Der Berater soll gerade auch in schwierigen Fällen ermutigen und den Weg zu konkreten Hilfsangeboten eröffnen.53 Eine solche Beratung ist nicht „direktiv“ in dem Sinn, dass sie die je eigene Verantwortung und Entscheidung der betroffenen Eltern ersetzen kann und will, doch wird der Wert der Bejahung des Lebens des ungeborenen Kindes motivierend in den Aufklärungsdiskurs eingebracht und so das ethische Dilemma für den aufklärenden Arzt und seine Gesprächspartner prinzipiell überwunden.

Fachliche und umfassende Information

Wichtig sind Wahrheit und Wahrhaftigkeit bei der ärztlichen Aufklärung: Der Arzt muss umfassend und gewissenhaft aufklären; er darf der mündigen Mutter nichts davon verschweigen, was sie wissen will und was für sie und ihr Kind wichtig ist. Rechtlich ist der Arzt zu umfassender Aufklärung über Chancen und Risiken im Rahmen pränataler Diagnostik und Therapie verpflichtet. Es ist aber zu wenig, einer rechtlich bestehenden Aufklärungspflicht ohne Rücksicht auf die bei den Frauen ausgelösten Befindlichkeiten nachzukommen. Der beratende Arzt mag nämlich spüren, dass die Mutter des ungeborenen Kindes mit diesem Wissen psychisch überfordert ist. Wie kann er ihr die nötigen Informationen „wohldosiert“ und zugleich korrekt, ja auch umfassend übermitteln? Hat er den Eindruck, bestimmte Wahrheiten wären für die Mutter noch nicht zumutbar, muss er sich in Geduld und vielleicht in zeitlichen Etappen der Aufklärung darum bemühen, dass sie das nötige Verständnis dafür aufbringt.

Es geht konkret auch um die rechte Deutung von Wahrscheinlichkeiten des Vorliegens von Krankheit und Behinderung bei einem ungeborenen Kind und um das Klarmachen dessen, dass auch eine negative Diagnose pränataler Untersuchungen nicht schon die Geburt eines gesunden Kindes garantieren kann.

Das Aufklärungsdilemma tut sich dann für den beratenden Arzt auf, wenn er weiß, dass die betroffene Frau bei Verdacht auf Fehlbildung oder Krankheit des Kindes eine Abtreibung vornehmen lassen will. Eine grundsätzliche Zurückhaltung von Information verletzt jedoch sowohl die ärztliche Aufklärungspflicht als auch das Recht auf Information seitens der Schwangeren.54 Überdies ist die Annahme kurzschlüssig, es könnten dadurch mehr Kinder gerettet werden als sonst. Nötig ist eine fachlich richtige und umfassende Information, verbunden mit dem Angebot konkreter Hilfe bei psychischer und sozialer Überforderung, um Abtreibungen effektiv zu verhindern.

Auf Seiten der für das Kind verantwortlichen Eltern entspricht dem Recht auf Wissen komplementär auch ein Recht auf Nicht-Wissen, sofern dadurch nicht ein vorauszusehender schwerer Schaden für das Kind oder andere Personen folgt. Pränatale Untersuchungen und genetische Tests sollen aus ethischer Sicht freiwillig sein. Insofern genetische Daten generell für die Leiblichkeit des Menschen stehen, die auf diese Weise instrumentalisiert werden kann, besteht die Notwendigkeit eines angemessenen Datenschutzes als Persönlichkeitsschutz. Reihenuntersuchungen (Screening) mit dem Ziel der Selektion von Trägern gewisser Krankheitsdispositionen oder unerwünschter Eigenschaften sind mit der Würde des ungeborenen Kindes und seinem Recht auf Leben nicht vereinbar.

Integration von Behinderten

Gesellschaftlich-strukturell stellt sich die Aufgabe, eine Mentalität der Selektion sowie der Ausgrenzung und Zurücksetzung von Behinderten zu überwinden: durch gezielte Informationen und Bildungsinitiativen, durch Förderung des Erfahrungsaustausches betroffener Eltern und Familien sowie auch durch Gesetze mit entsprechenden Sanktionen. „Eine ideale Voraussetzung für den persönlichen Umgang mit den Chancen und Grenzen der Pränataldiagnostik wäre ein gesellschaftlich tradiertes Wissen über ‚Behinderung’, das nicht auf Stereotypien und Mythen, sondern auf Erfahrung und Anerkennung unterschiedlicher Realitäten und Normalitäten basiert …“55 Behinderung definiert sich nicht einfach als Zustand dauernder physischer oder psychischer Beeinträchtigung mit entsprechendem Funktionsverlust relevanter Bereiche, sondern in das Selbstverständnis und die Wahrnehmung behinderter Menschen geht mit ein, wie sie von ihrer Mitwelt als Menschen wahr- und angenommen werden und so die Möglichkeit der Partizipation am gesellschaftlichen Leben erhalten. Dies gilt es jedenfalls zu fördern!56

4. Ausblick

Die Frage nach der „Zumutbarkeit“ und dem menschlich Sinnvollen angesichts der Situation schweren Leidens oder schwerer Behinderung (sowohl für das betroffene Kind als auch für dessen Mutter bzw. die Eltern) verweist auf Situationen des Heroismus im Alltag, die nur mit Gottes Hilfe bestanden werden können. Die Rolle des Glaubens soll nicht ausgeblendet oder tabuisiert werden. Gerade hier liegen Ressourcen, aus denen dafür offene Menschen Kraft und Zuversicht sowie Orientierung schöpfen können.

„Das den Menschen bis zu seinen äußersten Grenzen Beanspruchende darf nicht verschleiert werden“.57 Auch wenn es anscheinend nur „wenige“ sind, die sich selbst dann noch ethisch richtig verhalten und entscheiden, so ist ihr Zeugnis doch ein Zeichen und eine Ermutigung für „viele“ und kann den Weg für eine Trendumkehr zu einer „Kultur der Liebe und des Lebens“ (Johannes Paul II.) ebnen.

Referenzen

  1. vgl. Rella W., Radner K., Neuere Entwicklungen in der Pränatalmedizin, Imago Hominis (2012); 19(4): 271-291
  2. vgl. Barmherzige Brüder Österreich (Hrsg.), Ethik-Codex. Orientierung an Hospitalität und Professionalität, facultas.wuv, Wien (2010), 6.3, S. 64
  3. vgl. Schroeder-Kurth T., Pränatalmedizin. 1. Diagnostik, in: Korff W. et al. (Hrsg.), Lexikon der Bioethik (= LBE), Bd 3, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh (1998), S. 44-51; hier S. 45-46. Vgl. die Aufzählung der Techniken in: Barmherzige Brüder Österreich, siehe Ref. 2, 6.2, S. 63
  4. vgl. Schroeder-Kurth T., siehe Ref.3, S. 47-49
  5. vgl. ebd., S. 4
  6. vgl. ebd., S. 49-50. Ein leicht zugänglicher spezieller Bluttest (PraenaTest®) der Konstanzer Biotech-Firma LifeCodexx zur Feststellung der genetischen Schädigung ungeborener Kinder durch das sog. Down-Syndrom sorgt für Aufregung, da er einem selektiven, nichttherapeutischen Ziel dient. Die dafür verantwortliche Firma LifeCodexx argumentiert, der PraenaTest® könne „die Zahl der eingriffsbedingten Fehlgeburten deutlich reduzieren und allein in Deutschland bis zu 700 Kindern das Leben retten, die jährlich durch Komplikationen bei invasiven Untersuchungen sterben“ (Lifecodexx, Presseerklärung, 20.08.2012). Dies gilt für jene ungeborenen Kinder, denen eine weitere invasive Untersuchung und damit das Risiko einer Fehlgeburt aufgrund des nicht-positiven Ergebnisses des Tests erspart bleiben. Als solcher will der Test das Vorhandensein von Trisomie-21 zuverlässig ausschließen oder bestätigen. Da eine pränatale Therapiemöglichkeit für Trisomie-21 nicht gegeben ist, wird die faktische Konsequenz für die meisten positiv befundeten Kinder deren vorgeburtliche Tötung durch Abtreibung sein
  7. Die PID (= Präimplantationsdiagnostik) wird im Folgenden ausgeklammert, da sie eine eigene Behandlung verdient. Allerdings argumentiert man verschiedentlich für deren begrenzte Zulassung mit Hinweis auf die Erlaubtheit selektiver Abtreibung nach positivem Befund bei der PND (= Pränataldiagnostik). Vgl. Nationaler Ethikrat, Votum für eine verantwortungsvolle, eng begrenzte Zulassung der PID: ethische und verfassungsrechtliche Argumente, in: Genetische Diagnostik vor und während der Schwangerschaft. Stellungnahme, Berlin (2003), S. 106-148, hier S. 109: „Eine PID rechtfertigt sich in diesen Fällen analog zu einer medizinischen Indikation zum Schwangerschaftsabbruch nach einer PND.“ Unterschiedliche Standpunkte zur PID werden formuliert in: Reform des Fortpflanzungsmedizinrechts. Stellungnahme der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt, 2. Juli 2012, S. 45-46 (pro), S. 77-78 (kontra)
  8. vgl. Hepp H., Pränatalmedizin. Therapie, in: LBE 3, S. 51-54, hier S. 51-5
  9. vgl. ebd., S. 52-5
  10. vgl. Schmidt A., Pränatalmedizin. Rechtlich, in: LBE 3, S. 54-56, hier S. 5
  11. Eine medizinische Garantieerklärung für ein gesundes Kind gibt es dennoch nicht. Erstens besitzen die Instrumente der pränatalen Diagnostik je nach Methode eine verschieden große immanente Unschärfe, und zweitens lassen sich mit Hilfe dieser Methoden längst nicht alle Formen von Krankheit und Behinderungen feststellen. Zudem sind die einzelnen Krankheiten und Behinderungen kaum jemals genetisch monokausal bedingt; die Rolle und Bedeutung der Epigenetik ist in den letzten Jahren durch die Ergebnisse der Forschung neu ins Licht getreten. Vgl. Beck M., Leben. Wie geht das? Die Bedeutung der spirituellen Dimension an den Wendepunkten des Lebens, styria premium, Wien/Graz/Klagenfurt (2012
  12. Mieth D., Was wollen wir können? Ethik im Zeitalter der Biotechnik, Herder, Freiburg (2002), S. 143, spricht von einem „Druck etwa auf die Verantwortung, genetisch defektes Leben nicht auszutragen“, der auch „anonym über die vom wissenschaftlichen Fortschritt miterzeugte Bewusstseinslage wirken“ kann
  13. vgl. Baldus M., Von der Diagnose zur Entscheidung: Eine Analyse von Entscheidungsprozessen für das Austragen der Schwangerschaft nach der pränatalen Diagnose Down-Syndrom, Verlag Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn (2006), S. 3
  14. ebd., S. 16
  15. Eine Pflichtverletzung des Arztes könne „insbesondere darin bestehen, dass der Arzt der Schwangeren im Rahmen der Beratung während der Schwangerschaft oder im Rahmen der Pränataldiagnostik falsche oder unvollständige Informationen über die Möglichkeit der Diagnose von Schäden des Kindes erteilt, die die Entscheidung zu einem Schwangerschaftsabbruch gerechtfertigt hätten“ (Nationaler Ethikrat, Genetische Diagnostik vor und während der Schwangerschaft. Stellungnahme, Berlin (2003), S. 70)
  16. Schmidt A., siehe Ref. 10, S. 54. Gemäß einer „Kind als Schaden“-Judikatur können Eltern „unter Umständen von jenem Arzt, aufgrund dessen vertraglichem Fehlverhalten (wie Übersehen einer Behinderung) sie ihr Kind nicht (spät-) abgetrieben haben, Schadenersatz in Höhe des gesamten Unterhalts ihres Kindes fordern“ (Merckens S., Schwanger – die gute Hoffnung im Entscheidungsdilemma, Referat bei der Zweiten Internationalen Hartheim Konferenz „Ambivalenzen der Biowissenschaften“ in Schloss Hartheim am 14. November 2009). Nach der Ansicht von Merckens „sollte der Unterhalt eines Kindes, das so geboren wurde, wie es einvernehmlich gezeugt wurde, nicht schadenersatzfähig sein.“ Eine ärztliche Haftung solle „in Form einer pauschalierten Vertragsstrafe bestehen bleiben“, die davon abhänge, wie schlampig der Arzt gehandelt habe, „und nicht vom Grad der Behinderung, die übersehen wurde“ (Jedes Leben hat Sinn. Interview, in: Der Sonntag, 14.08.2012). Ethisch fragwürdig (so Pöltner G., Grundkurs Medizin-Ethik, Facultas, Wien (2002), S. 87) „ist der Titel – der Schaden-Nutzen-Gesichtspunkt –, unter dem die ethisch gebotene gesellschaftliche Unterstützung vor Gericht verhandelt wird.
  17. vgl. Imago Hominis (2007); 14(3) zum Thema OGH-Urteil „Das Kind als Schaden
  18. vgl. die Darstellung verschiedener, miteinander korrespondierender Legitimationsmuster der Vermeidung kranker und behinderter Kinder durch pränatale Selektion im Sinne einer Bedrohungs-, Rettungs-, Fürsorge- und Verantwortungsrhetorik nach E. Beck-Gernsheim bei Lob-Hüdepohl A., Biopolitik und die soziale Inszenierung von Behinderung, in: Hilpert K., Mieth D. (Hrsg.), Kriterien biomedizinischer Ethik. Theologische Beiträge zum gesellschaftlichen Diskurs, Herder, Freiburg (2006), S. 234-254, hier S. 246 f
  19. Hunold G. W., Pränatalmedizin. Ethisch, in: LBE 3, S. 56-58, hier S. 5
  20. vgl. Singer P., Practical Ethics, Cambridge University Press, Cambridge (1979/2011
  21. vgl. Spaemann R., Personen: Versuche über den Unterschied zwischen ‘etwas’ und ‘jemand’, Klett-Cotta / J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger, Stuttgart (1996
  22. Hunold G. W., siehe Ref. 19, S. 56, spricht von einem Paradigmenwechsel in der medizinischen Ethik gemäß der Entwicklung von pränataler Diagnostik zu pränataler Therapie
  23. Mieth D., siehe Ref. 12, S. 14
  24. Pöltner G., siehe Ref. 16, S. 144 f
  25. Hunold G. W., siehe Ref. 19, S. 5
  26. „Eine stellvertretende Wahrnehmung der Interessen des Kindes durch die Eltern liegt nur dann vor, wenn durch die pränatale Diagnostik eine frühzeitige Therapie oder eine bessere Planung des Geburtsvorgangs ermöglicht wird, nicht aber, wenn das Kind aufgrund seiner genetischen Konstitution getötet wird. Im Hinblick auf die Methoden einer sittlich erlaubten pränatalen Diagnostik ist darauf zu achten, dass das Kind nicht ohne schwerwiegenden Grund einem erhöhten Risiko ausgesetzt werden darf.“ – Österreichische Bischofskonferenz, „Leben in Fülle“. Leitlinien für katholische Einrichtungen im Dienst der Gesundheitsfürsorge, 11.11.2005, Nr. 2.1.
  27. Mieth D., siehe Ref. 12, S. 143. Er meint aber, „nicht-selektive Forschungsziele unter Einschluss ethisch einwandfreier Forschungsmethoden“ machen „den freiwilligen genetischen Test ethisch unproblematisch“ (ebd., S. 144)
  28. vgl. Pöltner G., siehe Ref. 16, S. 8
  29. vgl. Barmherzige Brüder Österreich, siehe Ref. 2, 6.3, S. 6
  30. vgl. ebd., 6.3, S. 64. Vgl. § 69 GTG (Einwilligung und Beratung
  31. vgl. ebd, 6.2, S. 6
  32. vgl. ebd, 6.3, S. 64-65: „Vor Durchführung einer diagnostischen Methode gilt es, den Anlass, das Ziel, das Risiko, die Grenzen der technischen Möglichkeiten, die Aussagekraft, das mögliche Vorgehen bei einem positiven Befund, die damit verbundenen Belastungen und Alternativen zur Durchführung der Diagnostik zu besprechen. Nach Durchführung der Diagnostik muss der Befund in seiner Bedeutung erläutert werden (auch die Möglichkeit von falsch-positiven oder falsch-negativen Ergebnissen), müssen Ursachen, Art und Prognose einer allfälligen Erkrankung oder Entwicklungsstörung geklärt werden, muss über therapeutische Möglichkeiten aufgeklärt werden, muss das Angebot der Kontaktaufnahme mit Selbsthilfegruppen gemacht werden und muss neben medizinischer auch psychosoziale Hilfe angeboten werden. Im Fall eines positiven Befundes (d.h. mit Verdacht oder Sicherheit einer Behinderung) soll eine Entscheidung für das Leben des Kindes gefördert und ermutigt werden. Es liegt am Arzt, einen genügenden zeitlichen Entscheidungsspielraum zwischen den einzelnen Beratungs- und Diagnoseschritten offenzuhalten.“ In der Checkliste „Patientengespräch im Rahmen der Pränataldiagnostik (PND)“ (Barmherzige Brüder Österreich, siehe Ref. 2, 22.4, S. 175 f.) werden als zu thematisierende Inhalte einer schrittweise erfolgenden Aufklärung unterschieden: Indikation, Aussagekraft, Risiken der Untersuchung für Frau und Kind sowie Konsequenzen
  33. „Mit der Autorität, die Christus Petrus und seinen Nachfolgern übertragen hat, erkläre ich deshalb in Gemeinschaft mit den Bischöfen — die mehrfach die Abtreibung verurteilt und, obwohl sie über die Welt verstreut sind, bei der eingangs erwähnten Konsultation dieser Lehre einhellig zugestimmt haben — dass die direkte, das heißt als Ziel oder Mittel gewollte Abtreibung immer ein schweres sittliches Vergehen darstellt, nämlich die vorsätzliche Tötung eines unschuldigen Menschen. Diese Lehre ist auf dem Naturrecht und auf dem geschriebenen Wort Gottes begründet, von der Tradition der Kirche überliefert und vom ordentlichen und allgemeinen Lehramt der Kirche gelehrt.“ – Johannes Paul II., Enzyklika „Evangelium vitae“ über den Wert und die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens, 25.03.1995, Nr. 6
  34. „Der menschliche Embryo hat also von Anfang an die Würde, die der Person eigen ist.“ – Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion „Dignitas personae“ über einige Fragen der Bioethik, 08.09.2008, Nr. 5.; vgl. Condic M. L., When Does Human Life Begin? A Scientific Perspective (White Paper, October 2008), NCBQ (2009); 9: 127-208; Damschen G., Schönecker D. (Hrsg.), Der moralische Status menschlicher Embryonen. Argumente pro und contra Spezies-, Kontinuums-, Identitäts- und Potentialitätsargument, de Gruyter, Berlin (2003
  35. vgl. Spindelböck J., Die Katholische Kirche und die Heiligkeit des Menschenlebens, FKTh (2011); 27: 114-12
  36. vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion „Donum vitae“ über die Achtung vor dem beginnenden menschlichen Leben und die Würde der Fortpflanzung, 22.02.1987, Nr. I 2
  37. „Kein Arzt ist verpflichtet, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen oder an ihm mitzuwirken, es sei denn, dass der Abbruch ohne Aufschub notwendig ist, um die Schwangere aus einer unmittelbar drohenden, nicht anders abwendbaren Lebensgefahr zu retten. Dies gilt auch für die im Krankenpflegefachdienst, in medizinisch-technischen Diensten oder im Sanitätshilfsdienst tätigen Personen.“ – § 97 Abs. 2 StGB
  38. Baldus M., siehe Ref. 13, S. 20
  39. vgl. ebd., S. 31
  40. vgl. ebd., S. 31
  41. Wer als Patient für sich selber oder stellvertretend für eine andere Person (hier die Mutter für das ungeborene Kind) ärztliche Hilfe in Anspruch nimmt, vertraut sowohl auf die sachliche als auch auf die menschliche Kompetenz des Arztes (vgl. Pöltner, S. 90). Dabei verbindet der Arzt mit der sachlichen Mitteilung eine existentielle Entscheidungshilfe, um dem Patienten zu helfen, die lebenspraktischen Folgen seiner Situation zu bewältigen (vgl. Pöltner, S. 109)
  42. Mieth D., siehe Ref. 12, S. 143, stellt fest: „Eine interpersonelle Beratung kann de facto nicht von jedweder Beeinflussung freigehalten werden, weil auch die Information über die Fakten immer schon bei einem Adressaten oder bei seinem Umfeld in einem bewerteten Kontext steht. Es wäre eine Überforderung des Beraters, wenn man von ihm erwarten würde, die Interaktion auf möglichst große Neutralität hin kontrollieren zu können.
  43. Baldus M., siehe Ref. 13, S. 25
  44. vgl. ebd., S. 26
  45. ebd., S. 28
  46. vgl. Strachota A., Rezension von: Baldus M., Von der Entscheidung zur Diagnose, EWR (2007); 6: Nr. 2
  47. „Das Aufdecken ethischer Perspektiven ist zu unterscheiden vom Aufdrängen eines ethischen Standpunktes“ (Pöltner G., siehe Ref. 16, S. 138
  48. vgl. Moraczewski A. S. / Shea J. B., Genetic Medicine, in: Furton E. J. et al. (ed.), Catholic Health Care Ethics. A Manual for Practitioners, National Catholic Bioethics Center, Philadelphia (2009), S. 237-242, hier S. 24
  49. Schmidt A., siehe Ref. 10, S. 5
  50. vgl. Baldus M., siehe Ref. 13, S. 37 f
  51. vgl. Prat E. H., Abtreibungsdebatte. Ein neuer Fokus, Imago Hominis (2010); 17(1): 59-6
  52. Autonomie besagt eigentlich Selbstbestimmung zum sittlich Gesollten; in der öffentlichen Debatte und Wahrnehmung wird sie individualistisch umgedeutet und schlägt in eine Heteronomie-Zumutung für den Arzt und für Pflegepersonen um, die zum Ausführungsorgan von Patientenwünschen degradiert werden. So wird die Berufung auf Autonomie zum „Druckmittel für erwünschte medizinische Machbarkeiten“ (Pöltner G., siehe Ref. 16, S. 95)
  53. Im Ethik-Codex der Barmherzigen Brüder Österreichs wird formuliert: „Im Fall eines positiven Befundes (d. h. mit Verdacht oder Sicherheit einer Behinderung) soll eine Entscheidung für das Leben des Kindes gefördert und ermutigt werden.“ (6.3, S. 65; vgl. Checkliste 22.4, S. 175) Und weiter heißt es: Eine „qualitativ hochwertige Beratung … sollte in diesem Zusammenhang die Verantwortung auch gegenüber dem ungeborenen Leben bewusst machen, ohne die im rechtlichen Rahmen vorgesehene eigenständige Entscheidung der Frau bzw. des Paares vorwegnehmen zu können.“ (6.5, S. 66) Ähnlich die „Charta der Hospitalität“: Im Sinne der Treue zum Charisma des hl. Johannes von Gott ist ein positiver „Einsatz für das Leben“ und den „Schutz der Schwächsten und Hilfsbedürftigen, zu denen ein missgebildetes Kind in besonderer Weise gehört“, nötig. – Barmherzige Brüder Österreich (Hrsg.), Charta der Hospitalität, unveränderter Nachdruck der Ausgabe von 2000, facultas.wuv, Wien (2010), S. 7
  54. Pöltner G., siehe Ref. 16, S. 102, meint, das sog. „therapeutische Privileg“, worunter er eine möglicherweise bestehende ethische Pflicht zur Unterlassung von Mitteilungen versteht, sofern sie im konkreten Fall zum Schaden des Patienten und nicht zu seinem Wohl sind, solle nur den Ausnahmefall bilden und „nicht zum Vorwand für unterlassene Aufklärung dienen.
  55. Baldus M., siehe Ref. 13, S. 31
  56. vgl. Pöltner G., siehe Ref. 16, S. 85-8
  57. Hunold G. W., sieheRef. 19, S. 57

Anschrift des Autors:

Prof. Dr. theol. habil. Josef Spindelböck
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