Editorial

Imago Hominis (2015); 22(1): 3-5
Susanne Kummer

Gemeinsam läuft es besser: Wo die Kommunikation zwischen den Gesundheitsprofessionen, insbesondere zwischen Ärzten und Pflegenden, gut funktioniert, steigt die Qualität in der Patientenversorgung. Unprofessionelle Kommunikation zwischen den Berufsgruppen verursacht hingegen kostenintensive Fehler und belastet das Arbeitsklima.

Ein internationales Forschungsteam lieferte 2012 die ersten Hauptresultate der weltweit größten Pflegepersonalstudie, publiziert im British Medical Journal (2012). Die Ergebnisse zeigen beim Pflegepersonal in 1.100 europäischen und US-amerikanischen Krankenhäusern ein hohes Maß an Unzufriedenheit mit der herrschenden Situation. Viele fühlen sich ausgebrannt. Die Frustration reichte zwischen 19 Prozent (in den Niederlanden) und 49 Prozent (in Griechenland) bis zur Absicht, sich im nächsten Jahr einen neuen Job suchen zu wollen (Deutschland 36 Prozent).

Umgekehrt zeigte sich, dass eine gute Arbeitsumgebung, ein adäquater Personalschlüssel und Teamarbeit zu einer höheren Arbeitszufriedenheit, geringeren Burnout-Rate bei Pflegenden und einer besseren Patientenversorgung beitragen.

Letzteres wies eine 2013 im Journal of the American Geriatrics Society publizierte Studie nach. Sie zeigte, dass geriatrische Patienten signifikant besser behandelt wurden, wenn nicht nur Ärzte allein, sondern Arzt/Pflegekräfte-Teams gemeinsam für die älteren Patienten mit chronischen Erkrankungen im Einsatz waren. Die multiprofessionelle Teamorientierung und das Co-Management führten zu eindeutigen Behandlungsvorteilen.

Doch wie kann der Schritt von der Theorie in die Praxis gelingen? Die Arbeit, Hand in Hand zum Wohle des Patienten, muss auch Angehörige mit ins Boot holen. Wie können Räume für interne Kommunikation, Wahrnehmung der Bedürfnisse des Patienten, aber auch ein Wandel der Unternehmenskultur als Voraussetzung für ein patientenorientiertes Team geschaffen werden?

Im multiprofessionellen Team sind alle Beteiligten am Gelingen oder Scheitern der Kommunikation beteiligt. Verschiedene Meinungen und Beurteilungen treffen im Konfliktfall aufeinander, die geklärt werden müssen. Anhand eines interdisziplinären intensivmedizinischen Falls stellt der ehemalige Chefarzt für Anästhesie am Klinikum Lippe, Fred Salomon (Ethikberater im Gesundheitswesen, Akademie für Ethik in der Medizin) Möglichkeiten für Strukturen vor, die ein multiprofessionelles und einvernehmliches Handeln ermöglichen. Dabei zeigt sich deutlich, wie institutionalisierte Gesprächsrunden, offener Informationsaustausch und ein wertschätzender Umgang im Team zwischen allen Hierarchieebenen das Team entlasten und die Patientenversorgung verbessern.

Würde und Selbstbestimmung gehören zu den Schlagworten des medizinethischen Diskurses. Doch was bedeutet dies im Fall von Menschen mit fortgeschrittener Demenz? Thomas Reuster, (Psychiatrie, Städtisches Klinikum Görlitz) zeigt auf, wie den Betroffenen sukzessiv die Fähigkeit, sich selbst vernünftig – gerade auch in Bezug auf medizinische Fragen aus dem psychiatrischen und dem somatischen Bereich – zu bestimmen und zu positionieren, verloren geht. Dass sich Ärzte und Pflegende darauf zurückziehen, leitlinien- und gesetzeskonform zu handeln, aber tendenziell an Demenz erkrankte Menschen dennoch nur wie „menschliche Objekte“ zu behandeln, kann nicht genügen. Die ethische Messlatte für einen guten Umgang mit und eine gute Behandlung von gerontopsychiatrischen Patienten liegt erheblich höher. In seinem Beitrag plädiert Reuster dafür, die Vier-Prinzipien-Lehre durch das Prinzip „universelle Würde“ als Schutz vor Entwürdigung durch willkürliche Fürsorge zu ergänzen.

Der professionelle Umgang mit Angehörigen gehört zum pflegerischen Aufgabengebiet. Dennoch wird selten eine bewusst gestaltete Kooperation und Einbindung angestrebt. Gerade gegenüber engagierten Angehörigen überwiegt manchmal sogar die Abwehr. Wie kann die Kooperation mit Angehörigen von chronisch kranken bzw. pflegebedürftigen Menschen gelingen? Irmgard Hofmann (Ethikerin, Gesundheits- und Krankenpflegerin, München) zeigt auf, warum auch Angehörige von akut erkrankten Menschen Unterstützung brauchen und wie die Zusammenarbeit mit Angehörigen neu überdacht werden muss.

Harald Tuckermann und Christian Erk (Universität St. Gallen) zeigen auf, warum es wichtig ist, Entscheidungen in Spitälern angesichts der Komplexität und Vernetzung stärker zu strukturieren. Die Strukturierung von Entscheidungen ermögliche es, dass das Entscheiden in zeitlicher, in thematischer Hinsicht und mit Blick auf die Beteiligten und Betroffenen stärker erwartbar werde. Das schafft Sicherheit und Flexibilität, ermöglicht Verlässlichkeit und Freiheitsgrade.

In der Rubrik Aus der Praxis geht es um die Kommunikation mit Patienten nach einer intensivmedizinischen Behandlung. Im Zuge der Analgosedierung leiden sie häufig unter Wahrnehmungsstörungen sowie Angst- und Stresszuständen. Sie sind desorientiert, haben eine eingeschränkte Körperwahrnehmung, reagieren mitunter aggressiv oder angstbesetzt auf alltägliche Licht- und Akustikreize. Die Diplomkrankenschwester und Ethikberaterin Jessica Knierim legt anhand eines Fallbeispiels dar, welche pflegerischen Maßnahmen dem Patienten in dieser angespannten Phase Sicherheit vermitteln, Vertrauen schaffen und Ängste nehmen können.

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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