Krebstherapie heute: Grenzen und Möglichkeiten

Imago Hominis (2016); 23(1): 027-033
Josef Schwarzmeier

Zusammenfassung

Die Zahl der Krebsfälle hat in den letzten Jahrzehnten weltweit deutlich zugenommen. Dies ist nicht nur auf bessere diagnostische Möglichkeiten, sondern auch auf das zunehmende Alter der Bevölkerung zurückzuführen. Die 5-Jahres-Überlebensrate hat sich in Europa gemäß der EUROCARE-5-Studie deutlich gebessert und liegt derzeit bei 52,5 Prozent aller Krebspatienten. Der vorliegende Beitrag liefert eine Übersicht der Therapieansätze von der Geburtsstunde der moderneren Chemotherapie im Jahr 1944 über die Einführung sog. Biologicals, die hämatologische Grundlagenforschung sowie die Charakterisierung von krebsauslösender Translokation und der daraus entstehenden Proteine. Dies war Grundstein für die Entwicklung von einzelnen, selektiven Therapien. Für die Zukunft einer präzisen, individualisierten und gezielten Krebstherapie spielen hohe Kosten eine Rolle.

Schlüsselwörter: Onkologie, Chemotherapie, Biologicals, Personalisierte Medizin, Kosten

Abstract

The number of patients with cancer has increased worldwide in recent decades. This is not only a result of improvements in diagnostic measures but also of the growing age of the population. According to EUROCORD-5, the five-year-survival rate among all cancer patients in Europe has increased to 52.5%. The following contribution provides a survey of therapeutic modalities, beginning with the introduction of the first chemotherapy in 1944, followed by the so-called ‘biologicals’. These involve the results of basic haematological research and the identification of cancer triggers by molecular translocation. These have resulted in the generation of  proteins, the cornerstone of specific and selective therapies. Thus, in the near future, precise individualized and pinpointed modes of treatment can be expected, although the high costs of these must be taken in account.

Keywords: oncology, chemotherapy, biologicals, personalized medicine, costs


EU-weit gab es im Jahr 2012 rund 2,7 Millionen Neuerkrankungen an Krebs. Diese hohe Zahl ist verständlich, da immer mehr ältere Menschen ihre Krebserkrankung gewissermaßen „erleben“. Die Überlebensrate jedoch hat sich in Europa in den letzten Jahrzehnten erheblich verbessert. Fünf Jahre nach der Diagnose einer Krebserkrankung leben heute, gemäß der EUROCARE-5-Studie,1 52,5 Prozent der Patienten. Österreich liegt mit einer durchschnittlichen Fünf-Jahres-Überlebensrate von 56,7 Prozent im Spitzenfeld. Am höchsten war der Anteil in Island (57,6 Prozent), am niedrigsten in Bulgarien (39,2 Prozent). Worauf beruhen diese Fortschritte und gleichzeitig Unterschiede? Um das zu verstehen, sei ein kurzer geschichtlicher Überblick über die Entwicklung der Krebstherapie in den vergangenen Jahrzehnten vorangestellt.

Die Geschichte der modernen Krebstherapie

Die Geburtsstunde der modernen Krebstherapie war das Jahr 1944, als im Hafen von Bari ein dort vor Anker liegendes Kriegsschiff der amerikanischen Marine von deutschen Flugzeugen bombardiert wurde. Bei diesem Angriff kamen nicht nur Soldaten der Schiffsbesatzung ums Leben, sondern es waren auch Opfer unter der Zivilbevölkerung zu beklagen, die gar nicht der unmittelbaren Explosion ausgesetzt waren und die auch nicht sofort starben. Es waren auch Kinder darunter. Bei der folgenden Untersuchung stellte sich heraus, dass infolge der Einwirkung des Kampfstoffes Senfgas bei den toten Kindern der Thymus eingeschmolzen war. Durch Senfgas gingen also Lymphozyten, aus denen der Thymus aufgebaut ist, zugrunde. In der Folge wurde in den USA getestet ob Stickstoff-Lost, ein anderer Name für Senfgas, auch bei Tieren Lymphosarkome zum Einschmelzen bringt. Nachdem dies der Fall war, wurde die Substanz auch bei lymphoproliferativen Erkrankungen des Menschen eingesetzt. Die Erfolge waren, besonders beim Hodgkin Lymphom, verblüffend. Als ich vor 50 Jahren meine Kliniklaufbahn begann, war das Mustargen als neues Medikament zur Behandlung des Morbus Hodgkin gerade eingeführt worden. Die Wirkung war phantastisch, doch mussten starke Nebenwirkungen in Kauf genommen werden. Neben lokaler Reizung waren dies vor allem Übelkeit und Knochenmarksdepression.

Alkylantien

Die Wirkung des Mustargens beruht auf einer Alkylierung der Nukleinsäuren, d.h. auf der Bildung kovalenter Brücken zwischen den DNS-Strängen und damit der Verhinderung der DNS-Replikation bzw. Störung der DNS-Synthese. In der Folge wurden Abkömmlinge des Mustargens synthetisiert, die einerseits weniger Nebenwirkungen hatten, andererseits gezielter auch bei anderen Krebserkrankungen eingesetzt wurden. Als Beispiele seien das von der Firma Bayer synthetisierte Endoxan erwähnt, das bei vielen Krebserkrankungen eingesetzt wird, das in der Behandlung des multiplen Myeloms erfolgreiche Melphalan oder das in der Therapie der chronisch lymphatischen Leukämie eingesetzte Busulfan.

Antimetaboliten

Die durch die biochemische Forschung vermittelten Einblicke in den Zellstoffwechsel im allgemeinen und in die Krebszellen im besonderen, ermöglichten die Entwicklung so genannter Antimetaboliten. Dazu gehören die Purinantagonisten, welche von den Zellen anstatt normaler Purine in Nukleinsäuren eingebaut werden und diese damit zum Untergang bringen. Hierher gehören das Purinethol, das Imurek oder das Thioguanin, Substanzen die in der Leukämiebehandlung oder als Immunsuppressiva verwendet werden. Eine weitere Gruppe von Antimetaboliten stellen die Pyrimidinantagonisten dar. Zu ihnen gehören u. a. das in der Behandlung von gastrointestinalen Tumoren eingesetzte 5-Fluorouracil, das für die Behandlung der akuten myeloischen Leukämie wichtige Cytosin-Arbinosid (Alexan) oder der Folsäureantagonist Methotrexat.

Pflanzenalkaloide

Als weitere Gruppe von Tumor hemmenden Substanzen sind die Pflanzenalkaloide zu nennen. Diese werden, wie das Colchicin, schon sehr lange in der Medizin verwendet, und ihre Wirkung beruht auf einer Hemmung der Mitose. Als neuer Mitoseblocker wurde im brasilianischen Urwald das Vincristin (Oncovin) entdeckt, das von einer neu entdeckten Immergrünpflanze, der Vinca rosacea, abstammt. Diese nunmehr synthetisch hergestellte Substanz hat sich vor allem in der Kombination mit anderen Krebsmedikamenten bewährt.

Antibiotika

Auf der Suche nach neuen Antibiotika wurde im Meeresschlamm der Adria eine neue Streptomyces-Art entdeckt, der Streptomyces peucetius. Es stellte sich heraus, dass das von ihm produzierte Adriamycin eine sehr starke Tumor hemmende Wirkung entfaltet, als Adriblastin oder Daunoblastin findet es vor allem in der Kombinationstherapie bei verschiedenen soliden Tumoren und bei akuter Leukämie Verwendung. Die Wirkung dieser Antibiotika, zu denen auch das Bleomycin gehört, beruht auf einer Interkalation der Substanzen in den DNS-Doppelstrang und damit Blockierung der DNS-Synthese.

Andere Substanzen

Die Liste von Substanzen, die das Tumorwachstum hemmen, wäre nicht vollständig ohne Hydroxyharnstoff, Enzyme, Platinderivate, Hormone oder radioaktive Substanzen zu nennen.

Neuere zytostatisch wirksame Substanzen

Die Entwicklung der zytostatischen Substanzen blieb jedoch nicht stehen, und es kamen neue Medikamente auf den Markt, zu denen einerseits Antimetaboliten (Cladribin, Fludarabin, Capecitabin, Gemcitabin), Pflanzenabkömmlinge (Taxane), Mittel, die in den DNA-Stoffwechsel eingreifen (Topoisomerase-Hemmer) oder Mittel, welche den Hormonhaushalt beeinflussen (Aromatase-Hemmer, LHRH-Antagonisten), zählen.

Die dem Pharmakologie-Lehrbuch von Goodman und Gilman „The Pharmacological Basics of Therapeutics“2 entnommene Abbildung 1 gibt einen Überblick über die vor allem in die DNA-Synthese eingreifenden und sie störenden Substanzen.

MOPPMustargen, Oncovin, Procarbacin, Prednisolon
COPPCyclophosphamid, Oncovin, Procarbacin, Prednisolon
ABVDAdriblastin, Bleomycin, Vinblastin, Dacarbacin
FOLFOXFolinsäure, Fluorouracil, Oxaliplatin
R-CHOPRituximab, Cyclophosphamid, Hydroxydaunomycin, Oncovin, Prednisolon
Tab. 1: Polychemotherapie (Beispiele)


Der Siegeszug der Chemotherapie wurde durch diese Verbindungen weiter gefördert und führte bei bestimmten Krebserkrankungen zur Heilung.

Als Beispiel sei die akute lymphatische Leukämie bei Kindern genannt.4 Hier kommt eine Hochdosis Chemotherapie zum Einsatz. Das Therapieprotokoll ist hier sehr intensiv und ausgedehnt.

Als weitere Erfolge mit mehr als 90 Prozent Heilungschancen gelten der Morbus Hodgkin, bestimmte andere Lymphomerkrankungen wie das diffuse großzellige B-zell Lymphom, das follikuläre Lymphom, die seltene Haarzell-Leukämie oder Hodentumore.

Die Hoffnung, weitere Krebserkrankungen unter Kontrolle zu bringen, beruhen auf der personalisierten, auf den einzelnen Patienten zugeschnittenen Therapie.

Gezielte, maßgeschneiderte Krebstherapie (Personalized, Precision Medicine)

Darunter wird neben der bewährten Chemotherapie der zusätzliche Einsatz von biologischen Substanzen, so genannten Biologicals verstanden, die in spezifische Stoffwechselwege der Krebszellen eingreifen. 1957 wurde von Virusforschern eine biologische Substanz entdeckt, die von Virus infizierten Zellen produziert wird. Wenn sie in der Zellkultur anderen Zellen beigegeben wird, diese vor der Virusinfektion schützt, also mit der Infektion durch neue Viren interferiert. Dies war die Geburtsstunde des Interferons5 und der Krebstherapie durch biologische, vom Körper selbst erzeugten Substanzen. Bei der Austestung von Interferon-alpha stellte sich heraus, dass Patienten mit der seltenen Haarzell-Leukämie sehr gut auf diese Substanz ansprachen. Wir fanden heraus, dass durch das Interferon-alpha die Produktion eines Faktors durch die Haarzellen unterbunden wird, der eine hemmende Wirkung auf das Knochenmark hat und gleichzeitig eine Fibrosierung dieses Gewebes bewirkt. Es ist der Transforming Growth Factor ß. Dieser wird zu den Zytokinen gerechnet.

Zytokine

Zytokine sind hormonähnliche Substanzen, die von einzelnen Zellen produziert werden und von denen bisher über hundert verschiedene Arten entdeckt wurden.6 Durch Lipopoysaccharide aus Bakterien werden beispielsweise Makrophagen zur Produktion einer Reihe von Zytokinen angeregt, welche die Abwehr eines bakteriellen Infektes steuern. Unter anderem werden Tumornekrosefaktor alpha (TNF), Interleukine, TGF-ß und Granulozyten-Kolonie- Stimulierender Faktor (G-CSF) produziert. Der Einsatz der die Hämatopoese stimulierenden Faktoren wie G-CSF und Erythropoietin ist in der modernen Krebstherapie nicht mehr wegzudenken. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über verschiedene Zytokinfamilien.

InterleukineIL-1 bis IL-38
InterferoneIFN-α, IFN-β, IFN-γ
Kolonie stimulierende FaktorenG-CSF etc.
Tumor Nekrose FaktorenTNF
AndereTGF-β, EGF, FGF, PDGF, VEGF etc.
Tab. 2: Die Zytokinfamilien


Tyrosinkinase-Inhibitoren

Der hämatologischen Forschung ist ein weiterer Durchbruch in der Tumortherapie zu verdanken. Die Aufklärung des Pathomechanismus, der zur Entstehung der chronisch myeloischen Leukämie führt, ergab, dass das für die Leukämie typische Philadelphia Chromosom durch eine Translokation von genetischem Material vom Chromosom 9 auf 22 entsteht. Dadurch wird ein Fusionsgen, das bcr/abl Gen, gebildet, welches eine Tyrosinkinase kodiert. Diese Tyrosinkinase ist ein Wachstumsfaktor für die CML-Zellen und kann durch Blockierung des ATP mit Hilfe von Imatinib ausgeschaltet werden.

Durch diese Entdeckung wurde die Suche nach anderen Tyrosinkinasen, bzw. Verbindungen, welche die Transduktion von Wachstumssignalen in Tumorzellen steuern, beflügelt.7 So wurde ein Wachstumsfaktor für Epidermiszellen, der Epidermal Growth Faktor, gefunden, dessen Rezeptor (EGF-R) auch auf Mamma-Karzinomzellen exprimiert werden kann (Humaner Epidermal Growth Factor Receptor = HER2). Durch Antiköper gegen diesen Rezeptor, wie das Herceptin, werden Wachstumssignale für die Karzinomzellen unterbunden und diese eliminiert. Mittlerweile wurden ungezählte neue Antiköper gegen EGFR produziert, die das Wachstum von Krebszellen in unterschiedlichem Maße hemmen. Aber auch Antikörper gegen das Zytokin „Vascular endothelial Growth Factor“ (VEGF) kommen in der Krebstherapie zum Einsatz.

Monoklonale Antikörper

Die moderne Krebstherapie stützt sich nicht nur auf die Chemotherapie, sondern nimmt auch Antikörper oder kleine Moleküle, welche in die Wachtumssignal-Transduktion eingreifen, zuhilfe, um gezielt Strukturen an oder in den Krebszellen anzugreifen. Durch das Suffix „mab“ werden solche Antiköper gekennzeichnet (z. B. Rituximab), während „mib“ die kleinen Moleküle kennzeichnet (z. B. Imatinib).

Induktoren der Apoptos

Darunter wird der programmierte Zelltod verstanden. In Tumorzellen wird dieser Zelltod häufig verhindert. Es wurden Induktoren gefunden, die diesen dennoch auslösen. Einer dieser ist TRAIL (Tumor Necrosis Factor Related Apoptosis Inducing Ligand), der zur Zeit Gegenstand ausgedehnter Forschungen ist.

Immuntherapie

Durch die Entdeckung so genannter Immun-Checkpoint-Signalwege wurden neue Einblicke in die T-Zell-Aktivität während der Immunreaktion des Körpers gewonnen. Krebszellen können die Immunreaktion umgehen, in dem sie einen solchen Signalweg (z. B. PDL-1) nutzen. Durch Hemmung der PD-L1 Expression glaubt man, die Krebszelle wieder der Immunreaktion zugänglich zu machen.

Tabelle 3 fasst die einzelnen Substanzen, die für eine gezielte, personalisierte Krebstherapie, auch „precision medicine“ genannt,8 verwendet werden können, zusammen.

Zytokine
Monoklonale Antikörper
Tyrosinkinase-Inhibitoren
Hemmer der Gefäßneubildung
Proteasom-Inhibitoren
Induktion der Apoptose
Immun-Checkpoint Inhibitoren
Tab. 3: Gezielte Krebstherapie (Substanzen)9

Überlebensrate

Durch alle diese Therapieformen wurden große Fortschritte in der Krebsbehandlung erzielt. Trotzdem ist das Ziel der Beherrschung des Krebses noch in weiter Ferne. Als Beispiel einer Lebensverlängerung sei auf die Überlebenskurve von Patienten mit kolorektalem Carcinom hingewiesen. Durch zytogenetische Untersuchung lässt sich feststellen, ob das Onkogen KRAS in mutierter Form oder als Wild-Typ vorliegt. In letzterem Fall ist der Einsatz des EGFR-Inhibitors Cetuximab sinnvoll, während er bei Vorliegen der mutierten Form des KRAS Gens wirkungslos ist. Trotzdem wird die Lebenserwartung auch durch Cetuximab nicht großartig verlängert. Aber es sind diese Befunde, die Hoffnung geben.

Oftmals ist es allerdings so, dass der Einsatz einer dieser Substanzen zu einer Verlängerung der Überlebenszeit von nur wenigen Wochen führt. In dieser Zeit leben aber viele Patienten nur für die Statistik, denn es geht ihnen schlecht. Die American Society of Clinical Oncology (ASCO) beklagt den Einsatz einer Chemotherapie, deren Vorteile in der allerletzten Lebensphase klinisch nicht belegt sind. Vielen Krebspatienten im Endstadium wird trotz fehlender klinischer Evidenz noch eine Chemotherapie angeboten. Doch wenn die Prognose der Lebenserwartung bei sechs Monaten liegt, sollten Ärzte besondere Zurückhaltung hinsichtlich einer Chemotherapie üben.10

Kostenfrage

Die gezielte Krebstherapie hat erst begonnen, es steht durch die großen Fortschritte der Grundlagen- und der Klinischen Forschung ein immer größeres Armamentarium an Substanzen zur Verfügung. Ob aber ein Tumor mit einer zielgerichteten Therapie behandelt werden kann, muss individuell ausgetes-
tet werden, denn bei gleicher Diagnose kann jeder Tumor unterschiedliche molekulare Merkmale aufweisen. Es muss daher herausgefunden werden, ob die jeweiligen Zielstrukturen, gegen die sich die Wirkstoffe richten, auch tatsächlich im Tumor vorhanden sind. Diese Testung kann zeitaufwendig und mühsam sein und verteuert natürlich die Therapie. Damit sind wir bei einem großen Hindernis für die gezielte Krebstherapie, der Kostenfrage.

Der Großteil der Kostensteigerung in den letzten Jahren resultiert aus der Entwicklung und Verbreitung neuer medizinischer Technologien und Therapien. Durch die damit erzielten diagnostischen und therapeutischen Fortschritte sind zwar einige früher unbehandelbare Krankheiten beherrschbar geworden, gleichzeitig aber neue Dimensionen von Ausgaben entstanden. Erst kürzlich wurde in den USA eine Debatte über neue Krebsmedikamente – Nutzen versus hohe Kosten – geführt und eine transparente Beurteilung der Kosten von Krebsmedikamenten gefordert.11 Es stellt sich die Frage, ob der Benefit aus den medizinischen Fortschritten so starke Kostensteigerungen wirklich rechtfertigt, zumal mehrere Studien darauf hinweisen, dass viele Therapieergebnisse mit den bisherigen, weniger teuren Methoden ebenfalls erreicht werden können.

Alle diese Forschungen und Entwicklungen sind natürlich mit hohen Investitionskosten verbunden. Wenn ein Präparat bis zur klinischen Phase 1 Studie kommt, ist dies bereits ein großer Erfolg. Häufig kommt es jedoch nicht so weit, oder die Ergebnisse von Phase 2 Studien weisen auf unerwartete Toxizität hin, sodass die Substanzen wieder zurückgezogen werden müssen. Schafft ein Präparat endlich den echten klinischen Einsatz, so haben sich hohe Kosten akkumuliert. Verständlich, dass sich dies auch im Preis niederschlägt.

Der Ersatz der „Bezahlung per Medikamenten-Einheit“ durch eine „Bezahlung nach Erfolg“, verschiebt das finanzielle Risiko vom Zahler, d. h. vom Patienten bzw. seiner Versicherung zum Hersteller. Dies erscheint vom Standpunkt der Industrie aus zunächst paradox. Es ist aber zu bedenken, dass dem Hersteller daran gelegen sein muss, die Zahl der Patienten, die auf das Präparat ansprechen, zu maximieren. Statt vielen Patienten, von denen ein großer Teil möglicherweise nicht anspricht, das Medikament zu einem deutlich billigeren Preis anzubieten, werden es durch „Payment by Result“ weniger. Diese Gruppe von Patienten, bei denen es sicher wirkt, muss aber einen höheren Preis zahlen. Die Einnahmen werden für den Hersteller dadurch sicherer und berechenbarer. Die Bezahlung nach Resultat stellt sicher einen innovativen Weg dar, welcher von pharmazeutischen Firmen, welche sich auf die Erzeugung von Biologicals konzentriert haben, überlegt werden sollte.

Referenzen

  1. EUROCARE-5-Studie, European Cancer Journal (2015); 51: 2099-2268
  2. Goodman and Gilman’s: The Pharmacological Basis of Therapeutics, Chapter 55: Antiproliferative Agents and Drugs used for Immunosuppression, Sixth Edition, MacMillan Publishing Co (1980)
  3. ebd.
  4. Hunger S. P., Mullighan C. G., Acute Lymphoblastic Leukemia in Children, N Engl J Med (2015); 373: 1541-1552
  5. Virus Interference. I. The Interferon, Alick Isaacs, Jean Lindenmann, in: Proceedings of the Royal Society of London. Series B – Biological Sciences (1957); 147: 258-267
  6. Oppenheim J. J., Rosario J. L., Gearing A. J. H. (Hrsg.), Clincal Applications of Cytokines, Role in Pathogenesis, Diagnosis and Therapy, Oxford University Press (1993)
  7. Fabbro D., McCormick F., Protein Tyrosine Kinases: From Inhibitors to Useful Drugs, in: Cancer Drug Discovery and Development, Springer Science & Business Media (2007)
  8. Jameson J. L., Longo D. L., Precision Medicine – Personalized, Problematic, and Promising, N Engl J Med (2015); 372: 2229-2234
  9. ebd.
  10. Prigerson H. G. et al., Chemotherapy Use, Performance Status, and Quality of Life at the End of Life, JAMA Oncology (2015); 1: 778-784
  11. Garber A. M., McClellan M. B., Satisfaction garantueed – „Payment by results“ for Biological Agents, N Engl J Med (2007); 357: 1575-1577

Anschrift des Autors:

Univ.-Prof. Dr. Josef Schwarzmeier
Institut für Bioanalytische Onkologie der Karl Landsteiner Gesellschaft
Rudolfinerhaus Privatklinik
Billrothstraße 78, A-1190 Wien
josef.schwarzmeier(at)meduniwien.ac.at

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