Umgang mit Demenzkranken: ethische Anforderungen an Ärzte

Imago Hominis (2016); 23(2/3): 083-091
Martina Schmidl

Zusammenfassung

Die Alltagsethik bestimmt maßgeblich, wie wir uns Kranken gegenüber verhalten. Sie ist Grundlage unserer unzähligen kleinen und kleinsten Entscheidungen, die wir tagtäglich treffen. Im Getriebe des medizinisch-pflegerischen Alltags gelingt es allerdings häufig nicht, einen fürsorglichen und vertrauensvollen Kontakt zu den dementen Menschen herzustellen. Die Gefahr ist groß, emotional stumpf zu werden, sich von den Nöten der Kranken nicht mehr „anrühren“ zu lassen. Gute Kenntnisse in der Kommunikationsmethode „Validation“ und die kontinuierliche Betreuung durch ein multiprofessionelles Team sind wichtige Voraussetzungen für die qualitativ hochwertige Bewältigung der komplexen und herausfordernden Aufgabe. Darüber hinaus bedarf es von Zeit zu Zeit der Ruhe, aber auch des Mutes und der Wahrhaftigkeit, um darüber nachzudenken, ob wir noch zum „Wohle der Patienten“ handeln und entscheiden.

Schlüsselwörter: Demenz, Haltung, Kommunikation, Ethische Entscheidungen, Palliative Care

Abstract

“Everyday ethics” have a crucial impact on our behavior towards patients. It is the basis for the innumerable small decisions we make every single day. In the stress and turmoil in doctors’ or nurses’ everyday work it has often proved impossible to establish a caring contact and a relationship of trust with demented persons. So there is a risk of becoming insensitive towards the needs of the sick and weak. Excellent communication skills such as “Validation” and the continuous care of the multidisciplinary team of professionals are important requirements to master the challenging and complex task. Once in a while we should set aside time for a period of peace and quiet to give some thought to whether we are still acting for the benefit of the patients.

Keywords: dementia, attitude, communication, ethical decisions, palliative care


Referenzen

  1. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in diesem Beitrag die männliche Form verwendet. Wie in den Ausführungen deutlich wird, sind jedoch gleichermaßen Frauen und Männer gemeint. Eine geschlechtliche Diskriminierung ist durch die Wortwahl nicht beabsichtigt.
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Anschrift der Autorin:

Dr. Martina Schmidl, MAS (Palliative Care)
Ehemals Oberärztin im „Pflegewohnhaus Liesing“
der Stadt Wien
Haeckelstr 1A, A-1230 Wien
martina.schmidl(at)gmx.at

Institut für Medizinische
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