Drogen

Imago Hominis (2000); 7(4): 259-265
Notburga Auner und Edel M. Cech

Zusammenfassung

Das Phänomen des illegalen Drogenkonsums ist in den westlichen Ländern seit Jahrzehnten ein gesellschaftspolitisches Problem. Eine anfängliche Toleranzphase, in der sich der Organismus stabil an eine bestimmte Quantität von Drogen anpasst und kompensiert, führt sehr häufig in die Phase der physischen und psychischen Abhängigkeit über. Die sittliche Beurteilung des Drogenkonsums greift auf das Integritätsprinzip zurück, demzufolge der Mensch sich nicht ohne ausreichendem Grund körperlich oder geistig Schäden zufügen darf. Der Genuss von Drogen führt fast unweigerlich zur schweren Schädigung der Gesundheit und manchmal sogar bis zum Tod.

Schlüsselwörter: Drogenabhängigkeit, Wirkweisen von Drogen, Therapiekonzepte, Selbstzerstörung

Abstract

The phenomenon of illegal drug use has been a socio-political problem in the western countries for decades. An initial tolerance phase in which the body adapts to a certain quantity of drugs frequently leads to a phase of physical and psychological dependence. The moral judgment of drug use leans on the principle of integration, according to which no human being may harm himself physically or mentally without a medical reason. In almost any case the use of drugs inevitably leads to severe health damage and even to death in some cases.

Keywords: drug addiction, drug effects, therapy concepts, self-destruction


Einleitung

Weltweit konsumieren geschätzte 200 Millionen Menschen – zumindest zeitweilig (mindestens einmal pro Jahr) – illegale Drogen. In den USA hat das Ausmaß des Drogenmissbrauchs – insbesondere des Kokainkonsums – in der Mitte der 80er Jahre seinen Höhepunkt erreicht und ist jetzt wieder rückläufig. Dieser Erfolg kam allerdings nicht von ungefähr.

In Österreich ist die Zahl der Drogentoten seit Beginn der 90er Jahre rasant gestiegen (1989 waren es 83, 1994 aber bereits 250 Drogentote; erst in den Folgejahren war wieder ein Rückgang zu bemerken, 172 im Jahre 1997).1 Die meisten Drogentoten in Österreich stehen mit dem Konsum von Heroin in Verbindung.

Die höchsten Zuwachsraten im letzten Jahrzehnt – sowohl in Österreich als auch in Europa – betrafen den Gebrauch von synthetischen Drogen, insbesondere Ecstasy (MDMA) und Amphetaminen.

Die sozialen Kosten des Drogenmissbrauchs sind erschreckend hoch. Ein Großteil der Todesfälle durch absichtliche Gewalttaten und ein hoher Prozentsatz an Todesfällen durch unabsichtliche Gewalttaten (Autounfälle, Brände, Ertrinken) stehen in Verbindung mit Rauschgift.

Auch AIDS und Hepatitis breiten sich schnell unter Drogensüchtigen aus.

Drogenmissbrauch am Arbeitsplatz bedeutet hohe Personalfluktuationsraten. Drogen zeichnen verantwortlich für Bandenkriege, korrupte Wirtschaftsunternehmen, Angst, Unsicherheit auf der Straße, von den vielen zerrütteten Familien ganz zu schweigen.

Der Begriff Droge ist ein Lehnwort des französischen „drogue“, was so viel bedeutet wie „trockener, tierischer oder pflanzlicher Rohstoff“. Das deutsche Wörterbuch weist für den Begriff Droge folgende Erklärung auf: „pflanzlicher, tierischer oder mineralischer Rohstoff für Heilmittel, Stimulanzien oder Gewürze“ sowie „Rauschgift: harte, weiche“.2

Man kann „legale“ und „illegale“ Drogen unterscheiden. Zu den „legalen“ Drogen zählen Alkohol, Nikotin und verschiedene Medikamente sowie Gase. Wegen ihrer stimulierenden Wirkung sollen hier auch Koffein und Thein genannt werden. Unter die „illegalen" Drogen fallen Opiate, Kokain, Halluzinogene, Cannabisprodukte (z.B. Marihuana, Haschisch), synthetische Drogen und nicht verordnete Medikamente.

Haschisch und Marihuana, gefolgt von Amphetaminen und Amphetaminderivaten (z.B. Ecstasy) und Kokain sind die am weitesten verbreiteten illegalen Substanzen in Österreich und Europa. Die Anzahl der Heroinkonsumenten ist im Vergleich dazu relativ gering. Dennoch ist Heroin in Europa die Problemdroge Nummer 1. Heroin ist für die meisten Fälle in den Drogenambulanzen und Drogentherapien und für die meisten Drogentoten verantwortlich. Drei Viertel aller drogenbedingten Behandlungen in Therapieeinrichtungen in Europa sind auf Heroinkonsum zurückzuführen.

Die Wirkweise der Drogen und die Drogenabhängigkeit

Was die Wirkungsweise der einzelnen Drogenarten betrifft, haben LSD, und in einem geringeren Maße auch die Cannabisprodukte (Haschisch und Marihuana) halluzinogene Wirkungen. Heroin und Morphin wirken stark dämpfend bis euphorisierend; Kokain sowie Amphetamin wirken aufputschend, ebenso Ecstasy und diverse Designerdrugs; die letzteren Substanzen haben darüber hinaus auch noch halluzinogene und diverse andere Wirkungen.

Aufgrund der Vielschichtigkeit der Drogenwirkungen auf Körper und Psyche kommt es auch zu zahlreichen körperlichen und psychischen Reaktionen. Einige davon seien hier angeführt: Schädigung des Gehirns (und damit Einschränkung der Wahrnehmung, der Lernfähigkeit und Aufmerksamkeit), Schädigung der Atemwege, des Immunsystems, des Hormonsystems; im psychischen Bereich kommt es zu Depressionen, Gleichgültigkeit, Interesselosigkeit, Angstzuständen und Verfolgungswahn.

Drogen verändern Strukturen oder Funktionen im lebenden Organismus, wobei sich diese Veränderungen insbesondere in den Sinnesempfindungen, in der Stimmungslage, im Bewusstsein oder in anderen psychischen Bereichen bemerkbar machen.

Das im Zusammenhang mit dem übermäßigen Gebrauch der Drogen verwendete Wort „Sucht" ist mehrdeutig. Auf Vorschlag der WHO ist man auf den Begriff der „Abhängigkeit“ (drug dependence) übergegangen. Der Begriff kennzeichnet einen psychischen und gegebenenfalls auch physischen Zustand, der sich aus der Wechselwirkung zwischen Individuum und Droge ergeben kann. Damit sind in der Regel 3 Phänomene verknüpft: Toleranz, Entwicklung einer körperlichen Abhängigkeit, Entwicklung einer psychischen Abhängigkeit.3

a) Toleranz

Die wiederholte und dauernde Anwendung einer Droge führt zu einer stabilen Anpassung, die ihre Wirkungen ausgleicht und dem Organismus eine reguläre Funktion ermöglicht. Dadurch verliert die Droge allmählich ihre Wirksamkeit oder wirkt im Laufe der Zeit nur bei Dosierungen, die höher sind als die anfänglichen. Der Organismus reagiert auf die Wirkung einer Substanz kompensatorisch, er gleicht aus. Deshalb muss es zur Dosissteigerung kommen, um die gewünschte Wirkung zu erreichen. Wenn die Verabreichung ausbleibt, kommt es dann zu einer sog. Abstinenzkrise, da die physiologischen Anpassungen überschießen und nicht mehr durch die Droge ausgeglichen werden. Es kommt zur Abhängigkeit.

Drogenabhängigkeit wird definiert als „ein übermäßiges Verlangen nach dem suchtverursachenden Stoff mit einer Tendenz zur Erhöhung der Dosis, verbunden mit psychischer und körperlicher Abhängigkeit.“4

b) Psychische Abhängigkeit

Die psychische Abhängigkeit äußert sich in einem massiven Verlangen nach ständiger oder episodischer Zufuhr eines Suchtstoffes („Gier“). Sie kann sich langsam (z.B. Beruhigungsmittel, Alkohol) oder relativ schnell (z.B. Kokain, Opiate, morphinhaltige Schmerzmittel) entwickeln. Ein häufiges Phänomen der psychischen Abhängigkeit ist das Auftreten von mehr oder minder schweren Depressionen und Suizidgedanken beim Absetzen der Droge (insbesondere bei Kokain und bei den Amphetaminen, und z.T. auch bei Ecstasy).

Je schneller eine Substanz zum Gehirn gelangt, desto größer ist die Euphorie und umso wahrscheinlicher ist die Entstehung einer Abhängigkeit.

Es gibt Berichte, denen zufolge der Konsum von Kokain, intranasal eingenommen, in einigen Fällen bis zu 3 Jahren mehr oder minder kontrollierbar blieb, während Kokain, geraucht, im Regelfall schon nach wenigen Monaten abhängig macht. Intravenöser Drogenkonsum ist meistens die schnellste süchtigmachende Methode. Drogenkonsumenten steigen im Regelfall erst nach einiger Zeit auf intravenöse Administration um.

c) Physische Abhängigkeit

Die physische Abhängigkeit ist durch Entzugserscheinungen (Abstinenzsymptome) nach Absetzen oder auch nur Dosisreduktion charakterisiert. Diese Entzugssymptome sind Ausdruck des regulatorischen Anpassungsprozesses. Es handelt sich bei den Entzugserscheinungen hauptsächlich um Schmerzen an den Gliedmaßen, Krämpfe, Schüttelfrost, etc. Die Entzugserscheinungen verschwinden nach (ausreichender) erneuter Dosierung aus der gleichen (oder ähnlichen) Suchtstoffklasse. Die physische Abhängigkeit ist zu erwarten bei Opioiden (als Rauschdrogen oder Schmerzmittel), Barbituraten (früher häufig gebraucht als Schlafmittel), barbituratähnlichen Substanzen und Benzodiazepinen (z.B. Valium und andere Beruhigungsmittel, moderne Schlafmittel, die ein im Vergleich zu den Barbituraten geringeres Suchtpotential aufweisen). Das Ausmaß der Entzugserscheinungen hängt von der Droge, der Höhe der Dosis und der Dauer der Exposition ab. Selbst kleine Dosen, ausreichend lang eingenommen, können körperlich abhängig machen.

Einige Drogen und ihre Wirkungen

1. Cannabis

Der Konsum von Cannabis nimmt bei den Jugendlichen rasant zu. In Österreich hat sich die Zahl der Fälle an Cannabis-Missbrauch vervierfacht (von 3.901 bekannten Fällen im Jahr 1989 auf 16.376 im Jahr 1998).5

Aus der Cannabispflanze (Hanfpflanze) werden Marihuana (getrocknete Blätter) und Haschisch (gepresstes Harz der Blüten) gewonnen. Je nach Herkunft und Sorte gibt es große Unterschiede im Rauschgiftgehalt.

Durch gezielte Züchtung enthält Marihuana heute bis zu 10 mal mehr rauscherzeugendes Tetrahydrocannabinol (THC) als vor 20 Jahren.6 Desto größer ist dadurch auch das potentielle Ausmaß der Gesundheitsschädigung.

Cannabis besteht aus über 360 verschiedenen chemischen Substanzen, von denen THC die wichtigste Drogensubstanz ist. Es wird im Fettgewebe eingelagert und bleibt daher viel länger im menschlichen Körper als Alkohol. Nach einer einzigen Haschischzigarette dauert es bis zu einer Woche, üblicherweise 3 bis 4 Tage, bis die Hälfte des THC abgebaut ist. Der vollständige Abbau dieses Schadstoffes braucht etwa einen Monat. Das bedeutet, dass oft auch Wochenendkonsumenten nie wirklich drogenfrei sind.

THC bindet sich besonders an Rezeptoren im Gehirn, und zwar in jenen Bereichen, die für Wahrnehmungs- und Erkennungsprozesse, am Gedächtnis, an der Gemütsverfassung, an höheren intellektuellen und motorischen Funktionen beteiligt sind. Störungen im Denkvermögen, der Aufmerksamkeit und dem Kurzzeitgedächtnis beeinträchtigen die Schulausbildung oder das Berufsleben. Häufige Folgeerscheinungen sind auch Nachlässigkeit und Gleichgültigkeit beim Erledigen gestellter Aufgaben bzw. im sozialen Umfeld (Passivität und Gleichgültigkeit in Familien-, Freundschaftsbeziehungen, in der Freizeitgestaltung etc.). Insbesondere die Bewältigung komplexer Aufgabenstellungen kann durch den langfristigen Gebrauch von Cannabis beeinträchtigt werden.

Cannabiskonsum beeinflusst häufig auch noch das Immunsystem, die Lunge (das Bronchialsystem). Darüber hinaus können auch das Herz, sowie hormonproduzierende- und Fortpflanzungsorgane in Mitleidenschaft gezogen werden.

2. Heroin

Heroin wird aus Schlafmohn gewonnen und ist ein Rauschgift, das in kurzer Zeit zu schwerer Abhängigkeit führt. Der Süchtige benötigt immer häufiger, immer größere Mengen davon. Ansonsten treten unangenehme Entzugssymptome auf.

Heroin entfaltet seine Wirkung an den Opiatrezeptoren, den natürlichen Bindungsstellen für körpereigene Substanzen (Endorphinen). Da diese Rezeptoren im menschlichen Körper in großer Zahl und an vielen Organen vorhanden sind, kommt es zu zahlreichen verheerenden Folgeschäden. Dazu zählen Herabsetzung der Schmerzempfindung, Appetitmangel und Gewichtsabnahme, Lungenschäden, Nachtblindheit, chronische Verstopfung, Schwächung des Immunsystems, Frühgeburten, heroinsüchtige Neugeborene, Herabsetzung des Reaktionsvermögens (Gefahr für den Straßenverkehr!) und Lähmung des Atemzentrums, was zum Tod durch Ersticken führen kann.

Auf psychischer Ebene kommt es zu schweren Schädigungen der Persönlichkeit durch die alles dominierenden Suchtmechanismen („Persönlichkeitszerfall“). Heroinsüchtige verlieren das Verantwortungsgefühl für sich und andere. Sie kapseln sich ab und beschränken sich immer mehr auf oberflächliche Kontakte im Drogenmilieu. Folgen davon sind Schul- und Lehrabbruch, Stellenverlust, Verlust der Fähigkeit, den gelernten Beruf auszuüben und schließlich Arbeitsunfähigkeit. Natürliche Hemmschwellen bauen sich ab. Angehörige und Bekannte werden belogen und bestohlen. Aufgrund des Abbaus aller Hemmschwellen werden kriminelle Handlungen und Prostitution zur Geldbeschaffung möglich. Je länger der Drogenkonsum dauert, desto schwieriger wird der Ausstieg aus der Sucht. Tod im Jugendalter, sowie Selbstmord sind häufig Folgen der Heroinabhängigkeit.

3. „Freizeitdroge“ Kokain

Kokain ist nach wie vor eine Droge der oberen Mittelklasse, obgleich der Konsum zunehmend auch in untere Gesellschaftsschichten hineinreicht, und in Europa bereits mehr verbreitet ist als Heroin (allerdings immer noch deutlich weniger als in den USA). Es ist vielfach eine Freizeitdroge, die mit risikoreichem Verhalten einhergeht (gefährliche Sportarten, schnelle Autos, häufiger Wechsel von Partnern etc.), aber auch eine gängige Droge in der Medien- und Unterhaltungsbranche wie im Finanzsektor. Der Konsum ist in all diesen Bereichen relativ stabil. Daneben findet sich Kokain häufig bei Prostituierten. Im klassischen Drogenmilieu ist Kokain zumeist bloß eine Zweitdroge. Die Wachstumsraten liegen am ehesten bei jungen Erwachsenen der „Ecstasy"-Generation, die nun auch mit Kokain zu experimentieren beginnen.

Die durch Kokain ausgelösten psychischen Effekte gleichen einer Kombination der Wirkungen von Stimulantien und Halluzinogenen: Betäubung von Hunger und Müdigkeit, Glücksgefühl, Vorstellung übermenschlicher Stärke, optisch-, akustisch-taktile Halluzinationen sind die Folge. Die Wirkung ist meist kurz und mündet häufig in Angst und Neigung zu Aggressionen.7

4. Missbrauch von Schnüffelstoffen

Die Gefahr der Schnüffelstoffe ist in Europa noch wenig bekannt, in den USA sieht man darin ein wesentliches Problem der Jugendlichen (jährlich mehrere hundert Todesfälle): Schnüffelstoffe werden oft schon ab dem Alter von 6 Jahren ausprobiert, der chronische Gebrauch tritt dann meist erst im Jugendlichenalter auf. Fast alle Substanzen, welche zum Schnüffeln verwendet werden, wirken narkoseähnlich und bewirken eine Verlangsamung der Körper- und Gehirnfunktionen. Die Wirkung umfassen eine Palette von mäßiggradiger Stimulation, Hemmungsverlust, Betäubung bis zum Verlust des Bewusstseins. Das Inhalieren jeder Substanz kann aber auch zum plötzlichen Schnüffeltod führen. Die Folgen des Schnüffelns reichen von Reizung der Schleimhäute, Übelkeit, Appetitverlust, Reizbarkeit und Schwindelzuständen bis zum Verlust des Kurzzeitgedächtnisses, Denkschwäche, verwaschene Sprache, Nystagmus, Tremor, Seh- und Hörstörungen. Das große Problem besteht darin, dass Schnüffelstoffe überall vorhanden, legal und leicht erhältlich sind und darüber hinaus auch billig sind. Die Anzahl der Substanzen ist unermesslich groß, über 1000 Produkte können zum Schnüffeln missbraucht werden. Vornehmlich werden folgende Produkte verwendet: Klebstoffe, Spraydosen (Lacksprays, Haarsprays, Raumsprays, etc.), Lösungsmittel und Gas (Nagellackentferner, Lackverdünner, Benzin, Feuerzeuggas, Fleckenentferner), Anästhetika und medizinische Präparate (Lachgas, Chloroform, Wundbenzin, Desinfektionsmittel, etc.).

Therapieschwerpunkte in der Suchtbehandlung

Prävention, Therapie und Rehabilitation der verschiedenen Suchtformen haben je nach persönlichen und institutionellen Faktoren spezielle Schwerpunkte. Das gemeinsame Konzept schließt folgende Schritte ein:8

  1. Therapievorbereitung (meist ambulant) mit dem Ziel der Beratung, Motivation, Diagnose, Vorbereitung auf die Behandlung etc.
  2. Entgiftungsbehandlung (stationär) mit dem Ziel der körperlichen Entgiftung, Diagnose und Therapie somatischer Begleiterscheinungen, erste psychotherapeutische Maßnahmen.
  3. Entwöhnungsbehandlung (meist stationär) mit dem Ziel der Therapie psychischer Störungen, Rückfallvorsorge und dem Aufbau von Alternativen in wichtigen Lebensbereichen.
  4. Nachsorgebehandlung (ambulant, teilweise stationär) mit dem Ziel der Krisenbewältigung im Alltag, evtl. Weiterbehandlung.

Wirkliche und dauerhafte Hilfe erhalten Drogensüchtige in den auf Abstinenz basierenden therapeutischen Einrichtungen. Die Erfolgszahlen der verschiedenen Therapieinstitutionen unterscheiden sich nicht wesentlich. Mit einer abstinenten Therapie kann rund 50 bis 60% der Drogensüchtigen nachhaltig geholfen werden, obgleich vielfach mehrere Entzüge und Therapien erforderlich sind, bis ein fortwährender Erfolg eintritt. Im Durchschnitt bleibt ein Drittel der ehemaligen Süchtigen stabil und drogenfrei. Ein weiteres Drittel ist zwar stabil, hat aber gelegentlich einen Rückfall. Ein Drittel der Behandelten nimmt den Drogenkonsum wieder auf.9

Die Abbruch- und Rückfallrate ist hoch. Die Drogensucht ist jedoch kein unabänderliches Schicksal, dem der Betroffene hilflos ausgeliefert ist.10

Therapeutische Maßnahmen sollten nicht erst ergriffen werden, wenn jemand heroin- oder kokainsüchtig ist. Früherfassung von Jugendlichen, die beginnen, Drogen wie Cannabis zu konsumieren, und frühzeitige abstinenzorientierte Behandlung und Betreuung sollten in jedem Land zur Regel werden.

Methadon wird den Heroinsüchtigen als Ersatzstoff abgegeben. Es handelt sich um ein synthetisches Opiat, das fast 24 Stunden wirkt. Deshalb genügt die Einnahme einer einmaligen Tagesdosis. Das Medikament besetzt die Opiatrezeptoren im Gehirn und verhindert somit das Verlangen nach Opiaten. Einerseits fördert das Methadonprogramm die Stabilität des Drogenabhängigen, was die Loslösung von der „Drogenszene" begünstigt. Auch das Problem der Beschaffung der Droge und die damit verbundene Geldsorge wird beseitigt, da diese Droge in Drogenberatungsstellen zu deutlich niedrigeren Kosten als der Heroin-Schwarzmarktpreis erhältlich ist. Es gibt auch Gegner des Methadon-Programmes, die diesen Weg ablehnen, da Methadon ebenfalls Sucht hervorruft. Außerdem wird die Motivation der Süchtigen zum Ausstieg geschwächt. Methadon-Programme haben nur Sinn, wenn sie in gut kontrolliertem Rahmen erfolgen und Abstinenz zum Ziel haben.11

Ethische Überlegungen 

Zur sittlichen Beurteilung des Drogenkonsums muss das Integritätsprinzip herangezogen werden, demzufolge der Mensch sich nicht ohne ausreichenden Grund zeitweilig, nachhaltig oder endgültig eine körperliche oder geistige Funktion, die von seiner Natur her zur Erhaltung vorgesehen ist (z.B. Betäubung, Verstümmelung), beeinträchtigen darf. Das Totalitätsprinzip bietet aber einen Ausgleich dazu, d.h. es liefert einen Grund, um das Integritätsprinzip außer Kraft zu setzen: Der Mensch darf einen Teil schädigen, wenn er dadurch die Ganzheit (Totalität) rettet; so kann manchmal die Entfernung lebensbedrohend infizierter Organe zur Lebensrettung ethisch statthaft sein. Ebenso ist es natürlich erlaubt, Drogen als Schmerzmittel einzunehmen, wenn dies infolge einer schweren Erkrankung unerlässlich wird. Die Einnahme von Drogensubstanzen mit dem Zweck der Linderung von schweren Schmerzen führt in der Regel nicht zur Abhängigkeit und unterliegt naturgemäß anderen sittlichen Kriterien.

Schlussbemerkungen

1. Drogenkonsum ist immer eine Art der Selbstzerstörung und ein Aufgeben der menschlichen Würde.

2. Selbstzerstörung und Aufgeben seiner Würde beeinträchtigen nicht nur das körperliche und seelische Wohlergehen, sondern engen den Menschen in seiner Fähigkeit zu Gemeinschaft und Hingabe ein. Indem der Mensch beginnt, Drogen zu nehmen, beginnt ein Zerstörungsprozess des Familienlebens (Missbrauch des Vertrauens, Entfremdung, Diebstahl, Schande, psychische Belastung etc.), und die Zersetzung der Familie wirkt sich unweigerlich auf ihr gesellschaftliches Umfeld aus.

3. Die Drogenproblematik darf nicht auf eine individual-ethische Problematik reduziert bleiben. Manchmal werden Menschen durch die Brutalität der Gesellschaft an den Rand gedrängt und entdecken im Drogenkonsum eine Art Trost. Es ist nicht damit getan, Drogenkonsum zu verbieten und die Drogenproduktion einzudämmen. Vielmehr soll das Drogenphänomen auch dazu führen, dass die Gesellschaft über die sozialen Ursachen der Entstehung des Phänomens nachdenkt und Konsequenzen zieht.

Der Genuss von Drogen führt fast unweigerlich zu schweren Schädigungen der Gesundheit und des menschlichen Lebens. An sich ist es nicht zulässig, ohne ausreichenden Grund absichtlich sein Leben zeitweilig oder endgültig zu beeinträchtigen. Beispielsweise ist eine Betäubung oder Verstümmelung, ohne auf einen medizinischen Grund zurückgreifen zu können, vom ethischen Standpunkt aus nicht zu rechtfertigen. Drogensucht führt aber, wie bereits erläutert, in den allermeisten Fällen zu Persönlichkeitszerfall, Charakterlosigkeit und in der Folge zu ernsthaften Organschäden, sogar bis zum Tod.

Referenzen

  1. Österreichisches Innenministerium.
  2. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, Mannheim: Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG, 1989: 366.
  3. Forth, Heuschler, Runel, Starke, Pharmakologie und Toxikologie, 7. Auflage 1996.
  4. Grigolei H., Wenig M., Ziegler H., Handbuch Sucht, Asgard: Sankt Augustin, 1989: 5.
  5. UNDCP, Annual Reports Questionaire, Österr. Innenministerium.
  6. Aus dem Faltblatt „Cannabis“, hrsg. von den „Schweizer Ärtzen gegen Drogen“, Zürich 1999.
  7. Forth, Heuschler, Runel, Starke, Pharmakologie und Toxikologie, 7. Auflage 1996.
  8. Modifiziert nach Bühringer 1981, in: Eser A., von Luterotti M. et al. (Hrsg.), Lexikon Medizin - Ethik - Recht, Freiburg im Breisgau: Herder, 1989: 1124.
  9. ibidem.
  10. Vuilleumier, J.-P., Drogensucht ist kein Schicksal, Zeit-Fragen 1999,5: 11.
  11. Aus dem Faltblatt „Heroin“., s.o.

Anschrift der Autoren:

Dr. Notburga Auner, Landstraßer Hauptstraße 4/13, A-1030 Wien
Mag. Edel Cech, YOU!-Magazine, 29963 Mulholland Hwy., USA - Agoura Hills, 91301 CA

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
Unterstützt von: