Problematik des leichten Rauchens

Imago Hominis (2003); 10(4): 233-239
Christian Leithner und Isabella Exner

Zusammenfassung

Die schädigende Wirkung des Rauchens ist anerkannt, doch es besteht oft noch die Meinung, dass das Rauchen einer geringen Anzahl von Zigaretten oder von sogenannten „light“ Zigaretten weniger gesundheitsschädlich sei und daher medizinisch-ethisch akzeptiert werden könne. Das „leichte“ Rauchen wird in der Literatur unterschiedlich definiert. Hierbei wird neben der Anzahl der Zigaretten auch die Tabakmenge und der Kohlenmonoxidgehalt der Ausatmungsluft herangezogen. Rezente Studien zeigen bei leichtem Rauchen ein deutlich erhöhtes kardiovaskuläres Risiko. Besonders schädliche Einflüsse hat das „leichte“ Rauchen in der Schwangerschaft. Durch das hohe Suchtpotential von Nikotin kann schon ein geringer Zigarettenkonsum bei genetischer Disposition zu einer raschen physischen und psychischen Abhängigkeit führen. Besonders gefährdet sind Jugendliche, die den Hauptanteil an „leichten“ Rauchern stellen. Die Bezeichnung „light“ Zigaretten ist eine gefährliche Irreführung der Konsumenten.

Schlüsselwörter: Leichtes Rauchen, "Leicht"-Zigaretten, kardiovaskuläres Risiko, Rauchen in der Schwangerschaft, Nikotin-Sucht, genetische Disposition, Abhängigkeit

Abstract

The harmful effects of smoking are well known. Smoking a smaller amount of cigarettes or smoking so called „light“ cigarettes is often thought to be less detrimental for health. There is no exact definition of „light“ smoking. Besides the quantity of cigarettes in some studies the amount of tobacco or the values of expired CO are taken into account. Recent studies of light smoking have reported increasing cardiovascular risks. Also smoking only a few cigarettes in pregnancy shows effects on the growth of the child. Nicotine is a highly addictive drug. Smoking only few cigarettes can lead to physical and psychical dependence in persons with genetic disposition. Adolescents are at special risk, because most of them are light smokers. Light cigarettes are not healthier than regular cigarettes. The term „light“ only misleads the customers.

Keywords: light smoking, light cigarettes, cardiovascular risk, smoking in pregnancy, genetic disposition, dependency


Einleitung

Die schädigende Wirkung des regelmäßigen inhalativen Tabakkonsums in „höherer Dosierung“ wird generell anerkannt. Hingegen wird immer wieder die Frage aufgeworfen, ob man nicht ein zahlenmäßig geringgradiges Rauchen und/oder ein Rauchen von „light“-Zigaretten akzeptieren könne, weil das Gesundheitsrisiko in diesem Falle vernachlässigbar sei. Betrachtet man die statistischen Daten zum Weltnichtrauchertag 2000, so zeigt sich, dass 38% der Österreicher zumindest gelegentlich rauchen. 53% der Raucher geben an, bis zu 10 und 37% etwa 20 Zigaretten pro Tag zu rauchen.

Den höchsten Anteil der Raucher hat die Altersklasse der 16- bis 29-Jährigen. 73% dieser Jugendlichen und jungen Erwachsenen berichten, ein bis 10 Zigaretten pro Tag zu rauchen.1 Daraus folgt, dass die medizinische und ethische Frage, ob leichtes Rauchen akzeptiert werden kann, für die Mehrheit der Raucher von erheblicher Bedeutung ist.

Definition des leichten Rauchens

Leider sind die Definitionen des leichten Rauchens in der wissenschaftlichen Literatur uneinheitlich. Ein Ansatzpunkt ist die Anzahl der pro Tag gerauchten Zigaretten, wobei eine Obergrenze von 5, 10, 15 und 20 Zigaretten pro Tag gesetzt wird.2-6 In neueren Studien definiert man leichtes Rauchen auch über die Tabakmenge. Hier wird eine Obergrenze von 3 – 5 g Tabak pro Tag gezogen.7 Ein gänzlich anderer Zugang ist die Definition über den in der Endexspiration gemessenen Anteil an Kohlenmonoxid, der bei leichtem Rauchen 11 – 21 parts per million (ppm) beträgt.8 Hier zieht man einen Parameter heran, der mit den Folgekrankheiten des Rauchens gut korreliert.

Leichtes Rauchen wird aber oft auch als das Rauchen von „light“-Zigaretten aufgefasst. Diese Zigaretten haben einen verminderten Gehalt an Teerstoffen und Nikotin. Außerdem versucht man durch moderne Filtersysteme, die Schadstoffbelastung des Rauchers zu verringern.

In den Werbestrategien der Tabakindustrie wird das Rauchen von sogenannten „light“-Zigaretten als weniger gesundheitsschädlich propagiert. In der Folge argumentiert man, die Tabakwerbung sei eine sinnvolle Information für Raucher, um möglichst viele zu weniger schädlichen Zigarettenmarken hinzuführen. Wir wollen in diesem Artikel zeigen, dass diese Annahme, „light“-Zigaretten wären harmloser, keineswegs stimmt.

Nikotin und Suchtwirkung

Nikotin erfüllt die Kriterien einer psychoaktiven Substanz mit hohem Suchtpotential, das vergleichbar ist mit dem von Kokain, Heroin oder Alkohol. Es hat euphorisierende und anregende Wirkung.9 Im Unterschied zum Alkohol, der von eigentlichen Problemen ablenkt und die Wahrnehmung bis zur Bewusstlosigkeit verändert, geben Raucher an, dass Zigaretten eine ins Gleichgewicht bringende Wirkung haben und die Leistungsfähigkeit und Zielorientiertheit steigern.

Nikotin bindet an nikotinergen Rezeptoren des Gehirnes und setzt eine Vielzahl von Neurohormonen frei. Dies führt zu Akutwirkungen im Sinne von Stimmungsaufhellung und Beruhigung. Bei häufigem Konsum erfolgen jedoch auch strukturelle und funktionelle Änderungen des Gehirnes. Nikotinerge Rezeptoren werden vermehrt exprimiert, wodurch es zu einer Verstärkung des Suchtpotentials kommt. Ein Hauptangriffspunkt des Nikotins ist das mesolimbisch dopaminerge Belohnungszentrum. Durch Nikotin wird vor allem Dopamin freigesetzt, das die Stimmung erhellt.9 Durch diese „positive“ Belohnung kommt es zu einer Konditionierung,10 d. h. der Raucher realisiert die stimmungsaufhellende Wirkung und neigt dazu, in ähnlichen Situationen erneut die psychoaktive Wirkung des Nikotins der Zigaretten einzusetzen. Letztlich verstärkt dies die Abhängigkeit.10

Eine rezente kanadische Studie untersuchte die hohe Komorbidität von Nikotinabusus und Depression. Es zeigte sich, dass durch eine Steigerung der dopaminergen Aktivität depressive Symptome gemindert werden können.11

Somit erfüllt Nikotin Funktionen, die von der Kontrolle von Stimmung, Appetit und Körpergewicht bis zu kognitiven Fähigkeiten reichen. Schon geringe Nikotindosen, regelmäßig konsumiert, können zu Toleranz, Abhängigkeit und Entzugserscheinungen bei Absetzen führen.9

Shiffman et al. zeigten, dass Personen, die weniger als 6 Zigaretten pro Tag rauchen, eine geringe körperliche Abhängigkeit und deshalb auch geringere Entzugserscheinungen aufwiesen. Sie hatten aber durch die Ritualisierung des Rauchens eine hohe Rückfallsgefahr auf Grund der konditionierenden Wirkungen des Zigarettenrauchens.12 Ganz wesentlich erscheint uns der Gesichtspunkt, dass auch starke Raucher nicht mit 40 Zigaretten oder mehr täglich begonnen haben, sondern mit einer geringeren Zigarettenzahl einstiegen. Auch sie wollten ursprünglich leichte Raucher bleiben. Etwa ein Drittel dieser meist jugendlichen Einsteiger wird körperlich abhängig und steigert die täglich konsumierte Dosis.9

Der Frage, warum nur ein Teil der Personen, die Zigaretten im Jugendalter ausprobieren, süchtig wird, ist in mehreren Studien nachgegangen worden.13-16 Genetische Variationen im dopaminergen Transmittersystem scheinen einen großen Einfluss auf die Entstehung einer Abhängigkeit zu haben, aber auch Faktoren des Nikotinmetabolismus.14-16 Eine starke genetische Prädisposition für die Entstehung einer Abhängigkeit von psychoaktiven Substanzen wurde mehrmals nachgewiesen.13

Man kann daraus folgern, dass es äußerst gefährlich ist, einen geringen Zigarettenkonsum, also das leichte Rauchen, zu verharmlosen, weil ein Teil der Neueinsteiger aufgrund der genetischen Disposition abhängig und zum starken Raucher wird.

In diesem Zusammenhang ist auch die Studie von Lai et al. bezüglich Rauchen und Drogenkonsum von hohem Interesse. Die Ergebnisse zeigten, dass Raucher signifikant häufiger Kontakt mit illegalen Drogen hatten als Nichtraucher.17 In einer Studie des Max-Planck-Institutes für Psychiatrie in München wurde die Einnahme illegaler Drogen bei Jugendlichen erhoben. Hierbei zeigten sich alarmierende Ergebnisse. Fast jeder zweite junge Erwachsene hatte schon Kontakt mit illegalen Drogen. Der Einstieg erfolgt zumeist über Zigarettenrauchen, dann erst folgt Alkohol. An diesen legalen Drogen „lernen“ die Jugendlichen, Drogen zu verwenden.18

Daher kann man schlussfolgern, dass Zigarettenrauchen, auch das leichte Rauchen, als Einstiegsdroge für späteren Konsum harter Drogen fungieren kann, wenn eine genetische Disposition und ein gefährdendes soziales Umfeld bestehen.

„light“-Zigaretten

Durch hoch professionelle Werbestrategien wird das Rauchen von sogenannten „light“-Zigaretten als weniger gesundheitsschädlich propagiert.19,20 Diese Zigaretten haben einen geringeren Gehalt an Teerstoffen und Nikotin. Eine Hoffnung war, durch Reduktion des Teergehaltes und damit der Kanzerogene eine Reduktion der Krebserkrankungen, vor allem des Lungenkrebses bei Rauchern von „light“-Zigaretten zu erzielen.21 Ein Umsteigen auf „light“-Zigaretten bringt aber keine Risikoreduktion. Vielmehr wird durch eine Steigerung des Konsums eine Modifikation der Rauchergewohnheit (z. B. durch Kompression des Filters) oder vermehrtes Abrauchen (bis zum Filter) der Nikotinkonsum konstant gehalten; die Konzentration der Rauchinhaltsstoffe kann dabei sogar steigen.21,22

Ein wesentlicher Faktor dürfte hierbei die Partikelgröße der Schadstoffe sein, die bei den älteren filterlosen Marken größer ist und die Entstehung eines Plattenepithelkarzinoms der Lunge begünstigt. Wie beim Passivrauchen führen die Filtersysteme der neueren Zigarettenmarken zu kleineren Partikeln, die aber dann die Lungenperipherie eher erreichen. Der Anstieg des Adenokarzinoms der Lunge bei gleichzeitigem Abfall des Plattenepithelkarzinoms könnte auf diese geänderten Rauchergewohnheiten zurückzuführen sein.23-26

Besonders Frauen erkranken in den letzten Jahren immer häufiger an Bronchialkarzinomen, im speziellen am Adenokarzinom der Lunge.

Die Gründe dafür liegen im Anstieg der Raucherinnen und im vermehrten Anteil der
„light“-Zigaretten. Außerdem scheinen genetische Faktoren eine entscheidende Rolle in der Entstehung des Lungenkarzinoms zu spielen.27

Dass Raucher von „light“-Zigaretten den gleichen Anteil an Kohlenmonoxid in der Ausatmungsluft haben wie Raucher von Zigaretten mit nicht reduziertem Anteil an Nikotin und Teerstoffen konnte sehr eindrucksvoll von Groman et al. gezeigt werden. Dass „light“-Zigaretten „gesünder“ als „normale“ Zigaretten sind, wird hier widerlegt.8

Leichtes Rauchen und kardiovaskuläres Risiko

In vielen Studien hat sich gezeigt, dass die seit einigen Jahren mögliche Bestimmung der Funktion des Endothels, also der innersten Arterienschicht, ein sensitiver Parameter für frühe Schädigungen des arteriellen Systems darstellt und mit späteren atherosklerotischen Komplikationen, wie Herzinfarkt und Schlaganfall, gut korreliert.28-30 Zigarettenrauchen führt zu einer Reduktion der Endothel-abhängigen Vasodilatation durch eine Beeinflussung der NO- und Endothelin 1-Synthese.30

In einer rezenten Studie wurde untersucht, ob es einen dosisabhängigen Effekt des Rauchens auf das Endothel gibt und verglich Nichtraucher mit leichten Rauchern (< 20 Zigaretten pro Tag) und starken Rauchern (> 20 Zigaretten pro Tag). Es zeigte sich, dass das Serum-Kotinin bei leichten Rauchern signifikant niedriger war als bei starken Rauchern. Es gab aber keine Unterschiede zwischen diesen zwei Gruppen in der Endothel-abhängigen Vasodilatation, gemessen an der Arteria brachialis, auch nicht bei der gemessenen basalen und stimulierten NO-Produktion. Leichtes Rauchen zeigte in dieser Versuchsanordnung die gleichen schädlichen Wirkungen auf das Endothel wie starkes Rauchen.31

Dass schon durch leichtes Rauchen und nicht-inhalatives Rauchen das Myokardinfarktrisiko und die Gesamtmortalität erhöht wird, konnte in der Copenhagen City Heart Studie an einer Kohorte von 12149 Männern und Frauen über 22 Jahre beobachtet werden. 57,5% der Frauen und 70,4% der Männer waren Raucher. 25,1% der Frauen und 13,2% der Männer rauchten unter 9 g Tabak pro Tag, davon gaben 13,8% der Frauen und 5,7% der Männer an, nicht zu inhalieren.

Die Ergebnisse zeigten eine eindeutige Dosis-Wirkungsbeziehung für Myokardinfarkt und Gesamtmortalität bezogen auf den Tabakkonsum. Bei Frauen fand sich schon bei 3 – 5 Gramm Tabak pro Tag und bei Männern bei 6 – 9 Gramm pro Tag ein signifikant erhöhtes Risiko hinsichtlich Myokardinfarkt und Tod.

Interessant ist, dass ein geschlechtsspezifischer Risikounterschied erhoben werden konnte. Sowohl für Myokardinfarkt als auch für Gefäßerkrankungen war das Risiko für Frauen signifikant höher.7 Dies wird auf die zweifache Wirkung des Rauchens bei Frauen zurückgeführt. Durch den Effekt von Kohlenmonoxid auf die Endothel-vermittelte Vasodilatation und die Modulation der Gerinnungfaktoren steigt das Risiko der Atherosklerose.30,32 Rauchen zeigt aber auch einen antiöstrogenen Effekt, sodass die östrogene Schutzwirkung aufgehoben ist und es zu einer Steigerung des kardiovaskulären Risikos kommt.33

Inhalierende Raucher haben ein höheres relatives Risiko als nicht-inhalierende. Doch zeigt Rauchen ohne Inhalieren ein doppeltes Myokardinfarktrisiko und eine signifikant erhöhte Gesamtmortalität bei Frauen.

Man kann zusammenfassen, dass es hinsichtlich der Herz-Kreislauf-Erkrankungen keine harmlose Untergrenze für Zigarettenrauchen gibt. Auch leichtes Rauchen stellt einen bedeutenden Risikofaktor für Atherosklerose-Manifestationen dar.

Leichtes Rauchen und Schwangerschaft

Die Auswirkungen des Rauchens, besonders auch des leichten Rauchens, konnten in einer Perinatalerhebung von 1995 – 1997 aufgezeigt werden. Die Erhebungen wurden bundesweit in Deutschland durchgeführt. Voigt et al. zeigten eindrucksvoll das Ausmaß der Wachstumsretardierung bezogen auf den täglichen Zigarettenkonsum.

20,3% der Schwangeren gaben einen täglichen Zigarettenkonsum an, wobei auch von einer Dunkelziffer von nicht angegebenem Rauchverhalten ausgegangen werden muss. Von diesen 180437 Raucherinnen rauchten 68,5% in der Schwangerschaft unter 10 Zigaretten und 28% unter 20 Zigaretten pro Tag. Die Rate der starken Raucherinnen mit über 20 Zigaretten pro Tag lag bei 3,5%. Im Vergleich zu Neugeborenen von Nichtraucherinnen gaben sich Unterschiede im Geburtsgewicht um 119 g beim Rauchen von ein bis fünf Zigaretten pro Tag, mit einem steigenden Gewichtsunterschied bei steigendem Zigarettenkonsum. Je älter die Schwangeren waren, desto stärker wirkte sich das Rauchen auf das Geburtsgewicht aus.

Außerdem kam es zu einer Erhöhung der Frühgeburtenrate mit steigendem Zigarettenkonsum auf 7,3% bei ein bis fünf Zigaretten. Die Frühgeburtenrate bei Nichtraucherinnen betrug 6,7%. Im Vergleich lag die Rate bei starken Raucherinnen im höheren Gebäralter sogar über 20%.

Rauchen steht bereits an dritter Stelle der wichtigsten Einflussfaktoren auf das Geburtsgewicht. Die Aufklärung der Schwangeren sollte deshalb vermehrt auch auf die Risiken des leichten Rauchens aufmerksam machen.34,35

Leichtes Rauchen und karzinogenes Risiko

Das Bronchialkarzinom ist der weltweit häufigste bösartige Tumor des Mannes.37 In Österreich steht es bei Männern an zweiter, bei Frauen an vierter Stelle mit steigender Tendenz.36 Hier spielen die bereits erwähnten verhängnisvollen Faktoren, wie steigender Zigarettenkonsum, „light“-Zigaretten und erhöhte Prädisposition des weiblichen Geschlechts eine wichtige Rolle.

Die 5- Jahres- Überlebensrate liegt derzeit um 13%, trotz weitreichender Bemühungen in der Weiterentwicklung von Diagnose und Therapie. Die Hauptursache des Bronchialkarzinoms ist das Zigarettenrauchen. Die kanzerogenen Eigenschaften der Rauchinhaltsstoffe, besonders der Teerstoffe, sind lange bekannt. Es konnte in Studien eine Dosis-Wirkungsbeziehung nachgewiesen werden. Das Karzinomrisiko korreliert mit der Zahl der gerauchten Zigaretten, bezogen auf die Raucherjahre. Eine Verdoppelung dieser sogenannten „Pack years" bedingt einen 2- bis 4-fachen Anstieg der Bronchialkarzinomsterblichkeit. In diesem Zusammenhang bedeutend ist auch der Beginn des Rauchens. Denn je früher mit dem Rauchen begonnen wurde, desto höher liegt das Bronchialkarzinomrisiko.37

Leichtes Rauchen und Vorbildwirkung

Die Faktoren, die zum Beginn des Zigarettenkonsums bei Jugendlichen führen, liegen besonders im verführerischen Stil der Werbung. Rauchen suggeriert in hohem Maße Freiheit, Abenteuer und Überlegenheit. Außerdem gibt es oft soziale Gründe für Jugendliche, mit dem Rauchen zu beginnen. Darunter fallen die Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder das Imitieren von Vorbildern. Bekannt ist die höhere Gefährdung Jugendlicher, wenn im Elternhaus geraucht wird.9

„light“-Zigaretten und Gesundheitspolitik

Der wissenschaftliche Nachweis, dass die Angabe „light“ auf Zigarettenschachteln irreführend ist, findet nun rechtliche Unterstützung. Der Europäische Gerichtshof bestätigte das Verbot der Bezeichnung „light“. Ab 30. September 2003 soll die Bezeichnung auf Tabakwaren verboten sein. Die Richter begründen das Urteil damit, dass die Bezeichnung für die Verbraucher irreführend sei und zum Tabakkonsum anrege. Ebenfalls bestätigt wird eine EU-weite Höchstgrenze für Teer, Nikotin und Kohlenmonoxid. Ab August 2005 soll in der EU auch ein Werbeverbot für Tabakwaren in Kraft treten.38

Schlussfolgerung

Leichtes Rauchen wird in der wissenschaftlichen Literatur unterschiedlich definiert. Kriterien sind die Anzahl der pro Tag gerauchten Zigaretten, die Menge des gerauchten Tabaks in Gramm, der Anteil an Kohlenmonoxid in der Ausatmungsluft oder das Rauchen von „light“-Zigaretten. Die Datenlage zeigt, dass leichtes Rauchen zu einem sehr deutlichen, d. h. überproportionalen Anstieg des Risikos für Herz-Kreislauf-Erkrankungen führt. Besonders eindrucksvoll ist der verhängnisvolle Effekt des leichten Rauchens in der Schwangerschaft.

Nikotin ist als eine psychoaktive Substanz mit hohem Suchtpotential, ähnlich wie Heroin und Kokain, aufzufassen. Aufgrund der häufigen genetischen Disposition zu Suchterkrankungen bleibt ein Teil der zumeist jugendlichen Einsteiger nicht beim leichten Rauchen, sondern wird körperlich und psychisch abhängig, also zum starken Raucher. Die wissenschaftlichen Studien zeigen ganz eindeutig, dass eine harmlose Untergrenze des inhalativen Tabakkonsums nicht existiert.

Nicht zu vernachlässigen ist die Vorbildwirkung auch des leichten Rauchens in Elternhaus, Werbung und Jugendgruppen.

Aus diesen Gründen muss das leichte Rauchen ohne Zweifel als ethisch nicht vertretbar gewertet werden.

Referenzen

  1. Quelle: Der Standard, 30. 5. 2000
  2. Tverdal A., Thelle D., Stensvold I., Leren P., Bjartveit K., Mortality in relation to smoking history: 13 years‘ follow-up of 68.000 Norwegian men and women 35 – 49 years, J Clin Epidemiol (1993); 46: 475-487
  3. Njolstad I., Arnesen E., Lund-Larson P. G., Smoking, serum lipids, blood pressure, and sex differences in myocardial infarction. A 12-year follow-up of the Finnmark Study, Circulation (1996); 93: 450-456
  4. Doll R., Peto R., Wheatley K., Gray R., Sutherland I., Mortality in relation to smoking: 40 years‘ observations on male British doctors, Br Med J (1994), 309: 901-911
  5. Willett W. C., Green A., Stampfer M. J., Speizer F. E., Colditz G. A., Rosner B., Monson R. R., Stason W., Hennekens C. H., Relative and absolute excess risks of coronary heart disease among women who smoke cigarettes, N Engl J Med (1987); 317: 1303-1309
  6. Rosengren A., Wilhelmsen L., Wedel H., Coronary heart disease, cancer and mortality in male middle-aged light smokers, J Intern Med (1992); 231: 357-362
  7. Prescott E., Scharling H., Osler M., Schnohr P., Importance of light smoking and inhalation habits on risk of myocardial infarction and all cause mortality. A 22 year follow up of 12149 men and women in The Copenhagen City Heart Study, J Epidemiol Community Health (2002); 56: 702-706
  8. Groman E., Blauensteiner D., Kunze U., Schoberberger R., Carbon monoxide in the expired air of smokers who smoke so-called „light“ brands of cigarettes, Tob Control (2000); 9: 352
  9. Henningfield J., Benowitz N. L., Slade J., Houston T., Davis R., Deitchman S., Reducing the addictiveness of cigarettes. Council on Scientific Affairs, American Medical Association, Tob Control (1998); 7: 281-293
  10. Balfour D. J., Wright A. E., Benwell M. E., Birrell C. E., The putative role of extra-synaptic mesolimbic dopamine in the neurobiology of nicotine dependence, Behav Brain Res (2000); 113: 73-83
  11. Cardenas L., Tremblay L. K., Naranjo C. A., Herrmann N., Zack M., Busto U. E., Brain reward system activity in major depression and comorbid nicotine dependence, J Pharmacol Exp Ther (2002); 302: 1265-1271
  12. Shiffman S., Paty J. A., Gnys M., Kassel J. D., Elash C., Nicotine withdrawal in chippers and regular smokers: subjective and cognitive effects, Health Psychol (1995); 14: 301-309
  13. Uhl G. R., Liu Q.R., Naiman D., Substance abuse vulnerability loci: converging genome scanning data, Trends Genet (2002); 18: 420-425
  14. Ahijevych K., Nicotine metabolism variability and nicotine addiction, Nicotine Tob Res (1999); 1 Suppl 2: S59-S62
  15. Munafo M., Johnstone E., Murphy M., Walton R., New directions in the genetic mechanisms underlying nicotine addiction, Addict Biol (2001); 6: 109-117
  16. McKinney E. F., Walton R. T., Yudkin P., Fuller A., Haldar N. A., Mant D., Murphy M., Welsh K. I., Marshall S. E., Association between polymorphisms in dopamine metabolic enzymes and tobacco consumption in smokers, Pharmacogenetics (2000); 10: 483-491
  17. Lai S., Lai H., Page J. B., McCoy C.B., The association between cigarette smoking and drug abuse in the United States, J Addict Dis (2000); 19: 11-24
  18. Perkonigg A., Lieb R., Wittchen H. U., Prevalence of use, abuse and dependence of illicit drugs among adolescents and young adults in a community sample, Eur Addict Res (1998); 4: 58-66
  19. Etter J. F., Kozlowski L. T., Perneger T. V., What smokers believe about light and ultralight cigarettes, Prev Med (2003); 36: 92-98
  20. Pollay R. W., Dewhirst T., The dark side of marketing seemingly „Light“ cigarettes: successful images and failed fact, Tob Control (2002); 11 Suppl 1: 18-31
  21. Djordjevic M. V., Hoffmann D., Hoffmann I., Nicotine regulates smoking patterns, Prev Med (1997); 26: 435-440
  22. Kozlowski L. T., O’Connor R. J., Cigarette filter ventilation is a defective design because of misleading taste, bigger puffs, and blocked vents, Tob Control (2002); 11 Suppl 1: 40-50
  23. Shields P. G., Molecular epidemiology of smoking and lung cancer, Oncogene (2002); 21: 6870-6876
  24. Yang P., Cerhan J. R., Vierkant R. A., Olson J. E., Vachon C. M., Limburg P. J., Parker A. S., Anderson K. E., Sellers T. A., Adenocarcinoma of the lung is strongly associated with cigarette smoking: further evidence from a prospective study of women, Am J Epidemiol (2002); 156: 1114-1122
  25. Harkness E. F., Brewster D. H., Kerr K. M., Fergusson R. J., MacFarlane G., Changing trends in incidence of lung cancer by histologic typ in Scotland, Int J Cancer (2002); 102: 179-183
  26. Franceschi S., Bidoli E., The epidemiology of lung cancer, Ann Oncol (1999); 10 Suppl 5: S3-S6
  27. Pope M., Ashley M. J., Ferrence R., The carcinogenic and toxic effects of tobacco smoke: are women particularly susceptible?, J Gend Specif Med (1999); 2: 45-51
  28. Neunteufl T., Katzenschlager R., Hassan A., Klaar U., Schwarzacher S., Glogar D., Bauer P., Weidinger F., Systemic endothelial dysfunction is related to the extent and severity of coronary artery disease, Atherosclerosis (1997); 129: 111-118
  29. Behrendt D., Ganz P., Endothelial function. From vascular biology to clinical applications, Am J Cardiol (2002); 90: 40L-48L
  30. Haustein K., Rauchen oder Nicotin als Ursache von Herzkreislauferkrankungen und Möglichkeiten der Behandlung der Nicotinabhängigkeit, Dtsch Med Wschr (1999); 124: 363-369
  31. Barua R. S., Ambrose J. A., Eales-Reynolds L. J., DeVoe M. C., Zervas J. G., Saha D. C., Heavy and light cigarette smokers have similar dysfunction of endothelial vasoregulatory activity: an in vivo and in vitro correlation, J Am Coll Cardiol (2002); 39: 1758-1763
  32. Eliasson M., Asplund K., Evrin P. E., Lundblad D., Relationship of cigarette smoking and snuff dipping to plasma fibrinogen, fibrinolytic variables and serum insulin. The Northern Sweden MONICA Study, Atherosclerosis (1995); 113: 41-53
  33. Baron J. A., La Vecchia C., Levi F., The antiestrogenic effect of cigarette smoke in women, Am J Obstet Gynecol (1990); 162: 502-514
  34. Voigt M., Hesse V., Wermke K., Friese K., Rauchen in der Schwangerschaft, Kinderärztliche Praxis (2001); 72: S26-S29
  35. Voigt M., Friese K., Hesse V., In welchem Umfang erhöht sich bei gleicher Schwangerschaftsdauer der Anteil Neugeborener mit einem Geburtsgewicht <= 2499g bzw. der Anteil hypotropher Neugeborener in Abhängigkeit vom täglichen Zigarettenkonsum gegenüber Neugeborenen von Nichtraucherinnen?, Posterpräsentation bei der 118. Tagung der Norddeutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, Hamburg (2002)
  36. Quelle: Statistik Austria Jahrbuch 2000
  37. Häußinger K. E., Kohlhäufl M., Ätiologie und Epidemiologie des Bronchialkarzinoms. Manual Tumoren der Lunge und des Mediastinums, Tumorzentrum München (2000)
  38. Quelle: Der Standard, 11. 12. 2002

Anschrift der Autoren:

Univ.-Prof. Dr. Christian Leithner, Dr. Isabella Exner
Kaiser Franz Joseph-Spital, 1. Medizinische Abteilung
Kundratstraße 3, A-1100 Wien

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
Unterstützt von: