Auf Forschung über menschliches Klonen verzichten!

Imago Hominis (2004); 11(1): 12-13
Lukas Kenner und Caroline Hutter

Woo Sook Wang, Forscher an der veterinärmedizinischen Hochschule von Seoul ließ Anfang Februar die Welt der Wissenschaft aufhorchen. Ihm und seinem Team ist es erstmals gelungen, Menschen zu klonen. Die Darstellung ihrer Versuche haben sie detailliert in der hoch angesehenen Zeitschrift „Science“ am 13. Februar 2004 veröffentlicht. Von 16 Frauen wurden nach intensiver Hormonbehandlung 242 Eizellen gewonnen und von den selben Frauen Erbgut aus somatischen Zellen entnommen. Daraus sind 30 geklonte menschliche Embryonen entstanden, aus denen sich eine stabile Kultur embryonaler Stammzellen gewinnen ließ. Als Schönheitsfehler wird vorerst die Tatsache bewertet, dass die Zellkerne auch von den Eispenderinnen entnommen wurden; deshalb kann nicht hundertprozentig ausgeschlossen werden, dass es sich dabei um eine parthenogenetische Zellwucherung handelt. Wäre dies der Fall, dann wäre das Experiment kaum von Bedeutung.

Manche Wissenschafter, wie z. B. der amerikanische Klonexperte R. Lanza und der Wiener Genetiker M. Hengstschläger, haben in den Medien den Erfolg in Seoul als „medizinischen Meilenstein“ bezeichnet, vergleichbar mit der Entwicklung der Antibiotika und Impfstoffe. Ist diese Bewertung nicht überzogen?

Nüchterner beurteilen andere, wie etwa der Biochemiker und Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft E. L. Winnacker, der in MIT forschende deutsche Mikrobiologe R. Jaenisch und der „Dolly-Vater“ A. Colman, dass in Seoul zwar ein weiterer Schritt – weder der erste noch der zweite – im Forschungsklonen getan wurde, der Weg bis zum therapeutischen Klonen aber noch ziemlich lang sein werde. Nüchternheit ist hier allemal angebracht, denn

a) die Effizienz der Methode ist vorerst noch so gering, dass die therapeutische Anwendung noch weit in der Ferne liegt.

b) über die Rückprogrammierung der Erbinformation weiß man eigentlich noch sehr wenig. Bei „Dolly“ bedurfte es 277 Embryonen, um ein einziges Tier entstehen zu lassen. Fehlbildungen in den geklonten Tieren sind zum jetzigen Zeitpunkt noch die Regel.

c) ob die gewonnenen Stammzellen auch wirklich nutzbar sind, wissen wir nicht und wir werden es auch nicht bald wissen, denn wir können sie derzeit nicht therapeutisch einsetzen. Ein entsprechender Versuch, sie zu nutzen, würde gegen alle Regeln der Ethik verstoßen.

In nahezu allen Beurteilungen klang aber auch mit, dass mit dem Vorstoß in Seoul ein Faktum noch deutlicher geworden ist. Zwischen therapeutischem und reproduktivem Klonen liegt der Unterschied in der Zielsetzung, denn das Produkt ist dasselbe, nämlich ein Embryo. Die verwendete Technik ist daher dieselbe. Außerdem wird man durch die detaillierte Publikation der angewandten Methoden nicht verhindern können, dass diese missbräuchlich verwendet und ausprobiert werden. Vorerst funktionieren die Methoden Gott sei Dank höchstens per Zufall und auch in diesen Fällen äußerst mangelhaft.

Nach Seoul dürfte also das allgemeine Bewusstsein, dass die Lage sehr gefährlich geworden ist, gestärkt worden sein, und es herrscht unter den Wissenschaftlern ein nahezu einhelliger Konsens darüber, dass das Klonen dringend international geregelt und das reproduktive Klonen auf jeden Fall verboten werden muss.

Es wäre aber sehr naiv zu glauben, dass so etwas wie das Klonen sich weltweit per Gesetz allein verhindern ließe. Sobald die Methoden verfeinert sind und ihre Effektivität verbessert ist, werden sie garantiert irgendwann und irgendwo angewandt und es werden immer mehr Argumente – auch ethische – auftauchen, die alles Machbare als gerechtfertigt anerkennen wollen. Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte in der Biotechnologie zeigen ja, dass alles, was machbar geworden ist, sich kaum mehr aufhalten lässt.

Die einzig wirksame Maßnahme wäre daher ein gemeinsam von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft getragener Verzicht auf Forschungsklonen. Das würde bedeuten:

a) internationale und nationale politische Ächtung jeglicher Art Menschenklonens inkl. des Forschungsklonens,

b) keine öffentliche Finanzierung für Projekte von Institutionen, die sich direkt oder indirekt mit dem menschlichen Klonen befassen oder befasst haben, und

c) eine klare Stellungnahme der akademischen Gemeinschaft, Projekte in Zusammenhang mit menschlichem Klonen nicht mehr in wissenschaftlichen Medien zu veröffentlichen.

Mag sein, dass unsere Verzichtsforderung utopisch klingt. Aber nur dieser radikale Verzicht kann den allgemeinen Willen, das reproduktive Klonen zu verhindern, wirksam umsetzen. Man darf nicht vergessen, dass bereits jedes Forschungsklonen eine Verletzung der Menschenwürde ist, weil dabei Menschenleben völlig instrumentalisiert werden und damit das jedem Menschen von Anfang an zukommende Recht auf Lebensschutz verletzt wird.

Anschrift der Autoren:

Univ.-Prof. Dr. Lukas Kenner
Institut für molekulare Pathologie
Dr. Bohrgasse 7, A-1030 Wien

DDr. Caroline Hutter
St. Anna Kinderspital
Kinderspitalgasse 6, A-1090 Wien

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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