Editorial

Imago Hominis (2000), 7(3): 173-174

In den beiden letzten Ausgaben von Imago Hominis wurde versucht den Blick auf die Thematik „Tugend“ und das Konzept der Tugendethik zu lenken. Die „Tugend“, von der Philosophie der Moderne verworfen, wird wiederentdeckt. Und zurecht, denn unseres Erachtens ist das Instrumentarium vieler Lösungsansätze für die zahlreichen Fragestellungen der Bioethik im Konzept der Tugendethik enthalten. In den vergangenen Ausführungen wurde vornehmlich allgemein und abstrakt über die Tugenden gesprochen. In dieser Nummer soll es konkreter werden. So wird aufgezeigt, dass die Tugenden im Alltag des Krankenhauses oder einer Ordination unbedingt notwendig sind.

Vor wenigen Wochen hat Johannes Paul II an die Ärzteschaft folgende Worte gerichtet: „Dem Kranken muss geholfen werden, nicht nur um das physische Wohlbefinden, sondern auch das psychische und moralische wiederzuerlangen. Das setzt beim Arzt neben der fachlichen Kompetenz eine Haltung der liebenden Sorge voraus, die sich am Bild des guten Samariters im Evangelium inspiriert.“1

Dies bedeutet, dass fachliche Kompetenz notwendigerweise an eine tugendhafte Haltung gekoppelt werden soll. Sonst verflacht die berufliche Berufung des Arztes und der Dienst am kranken Menschen ist unvollständig.

Die Arbeit im Krankenhaus stellt eine neue, man könnte sagen zusätzliche Herausforderung an den Arzt dar. Der Patient wird einer ganzen Institution anvertraut, und der Arzt ist eingebunden in diese. Er repräsentiert sie, ist aber letztlich wieder nicht der Hauptverantwortliche. Er ist erster Ansprechpartner, nach Dienstschluss aber völlig ersetzbar. Er organisiert Diagnosestellung und Therapie und ist auf die Zusammenarbeit mit einer ganzen Reihe von Personen angewiesen, um seine Aufgaben zu erfüllen. Die besonderen Gegebenheiten des Zusammenarbeitens erfordern beträchtliche Aufmerksamkeit und Sorgfalt. Die möglichen Fehlerquellen liegen auf der Hand. Schlechte Kommunikation, mangelnde Organisation, unzureichende Genauigkeit, ganz gleich auf welcher Ebene der Organisation, stellen für den Patienten eine (unnötige) Belastung und im schlechtesten Fall sogar einen Schaden dar. Hier treten wiederum die Tugenden auf den Plan.

In diesem Zusammenhang sprechen kompetente Krankenhausmanager über die Qualitätssicherung wie von einem Zauberwort. Die Vorstellungen, was darunter zu verstehen ist, weichen stark voneinander ab. Die Frage, die wir uns in diesem Heft gestellt haben ist, ob eine Qualitätssicherung, die unumstritten um die Wahrung der Standards bemüht ist, ohne Forderung nach Tugenden auskommen kann.

Die Autoren des Beitrags „Qualitätssicherung im Krankenhaus und Tugenden. Ein Fragenkatalog.“ haben sich die Mühe gemacht in Form von Fragen einige Bereiche der Tugend im Krankenhaus abzustecken. Die Anregungen haben keine Scheu davor, ins konkrete Detail zu gehen. Manches könnte als eine Selbstverständlichkeit erscheinen, und sie ist es auch. Dennoch zeigt die Erfahrung, dass gerade in Situationen der Arbeitsüberlastung diese Details zuallererst verloren gehen können. Die Themen sind aus dem Leben gegriffen, erheben aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Im Licht der begonnenen Überlegungen scheint es klar zu sein, dass die persönliche und individuelle Übung der Tugenden aller Mitarbeiter einer Institution des Gesundheitswesens einen ganz wesentlichen vor allem aber unverzichtbaren Beitrag zu Qualitätssicherung stellen. Wie der Zusammenhang begründet wird, ist im Artikel „Qualitätssicherung und Tugenden im Gesundheitswesen“ nachzulesen. Die erwähnte Rolle der Kommunikation soll im dritten Beitrag von P. Költringer zur Sprache kommen. Die gegenwärtige Situation stellt gerade im kommunikativen Sektor besondere Anforderungen an den Arzt dar.

In der Rubrik „Aus aktuellem Anlass“ werden drei vieldiskutierte Themen aufgegriffen. Die angekündigte Gesetzesänderung in Großbritannien, die demnächst das „therapeutische Klonen“ menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken freigeben soll, verdient einen ausführlicheren Kommentar. Es ist interessant, auch einiges über die Hintergründe zu wissen. Eine andere Nachricht hat in den letzten Wochen Schlagzeilen gemacht: die Entschlüsselung des menschlichen Genoms ist so gut wie abgeschlossen. Welche Auswirkungen wird dieses Wissen auf die Forschung haben? Welche Änderungen werden auf unsere Gesellschaft zukommen? Feststeht, dass diese wissenschaftlichen Erkenntnisse eine sozialpolitische Herausforderung darstellen. Das dritte Thema, das angeschnitten wird, ist seit Jahren ein „Dauerbrenner“. Die Verbreitung von AIDS und die großen gesellschaftlichen und wirtschaftspolitischen Folgen dieser Epidemie in Afrika sind Probleme, die mit höchster Dringlichkeit nach geeigneten Lösungen verlangen. Ein Konzept, das die Würde des Menschen missachtet, kann nur zwischenzeitlich erfolgreich sein. Eine kritische Auseinandersetzung mit den diversen Aktionsprogrammen ist nötig.

Die Herausgeber

Referenzen

  1. Johannes Paul II, Ansprache an die Ärzte am 7.Juli 2000
Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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