Biotechnische Herausforderung: Verführung durch Machbarkeit?

Imago Hominis (2005); 12(2): 133-134
Johannes Bonelli

Man kann annehmen, dass die Wissenschaftler ihre Experimente zum therapeutischen Klonen in guter Absicht durchführen. Sie wollen, wie sie sagen, hoffnungslos kranken Menschen helfen, Krankheiten ausrotten, Erbkrankheiten verhindern usw. Dies sind durchaus berechtigte Anliegen, wenn man bedenkt, welche Bürde eine lebenslange schwere Erkrankung für die Betroffenen sein kann. Man fragt sich allerdings, ob der Preis für die Erreichung dieser sicher legitimen Ziele gerechtfertigt werden kann.

Es wird immer wieder behauptet, dass die wissenschaftliche Entwicklung durch Einschränkungen nicht aufzuhalten sei. Dazu muss bemerkt werden, dass die wirklich großen Entdeckungen in der Medizin auch ohne Verletzung der Menschenwürde gemacht werden konnten, und wir haben in diesen zwei Tagen gesehen, dass dies auch in Bezug auf die Stammzellenforschung möglich ist.

Es ist wahr, dass primär an das gebildete Gewissen der Wissenschaftler im Sinne einer Selbstbeschränkung appelliert werden muss und weniger an Verbote und Gebote. Wenn damit allerdings implizit auch gemeint wäre, dass gegenüber der Wissenschaft überhaupt keine Rechte geltend gemacht werden dürfen, dann wäre der Begriff der Wissenschaftsfreiheit entschieden zu weit gefasst. Denn das Recht auf menschenwürdige Behandlung bzw. das Recht auf Leben überhaupt kann wohl nicht von der Selbstbeschränkung einzelner, nicht von Mehrheitsbeschlüssen und auch nicht von Ethikkommissionen gemacht werden.

Hier wird die Freiheit der Wissenschaft in einer Weise unstatthaft so weit gefasst, dass sie sich gegen den Träger dieser Freiheit, nämlich den Menschen selbst, richtet.

Die Menschenwürde besteht darin, dass der Mensch niemals als Mittel für einen anderen Zweck (und seien dies auch noch so „hohe“ sogenannte wissenschaftliche oder sonstige Ziele) missbraucht werden darf, sondern dass er immer das höchste Schutzobjekt jeglicher menschlichen Ordnung sein muss. Genau dieser Grundsatz aber wird bei den Klonungsexperimenten mit Embryonen gröblich missachtet. Denn dort findet eine so tiefgreifende Manipulation an der Identität und Einzigartigkeit des Menschen im Interesse Dritter statt, dass wohl kaum mehr von menschenwürdiger Behandlung gesprochen werden kann und auch nicht von der Respektierung des Lebensrechts eines Menschen.

Man sollte vielleicht nochmals erwähnen, dass das Klonen von Menschen nicht unbedingt als wissenschaftliche Sensation hingestellt werden sollte, denn das Klonen von Embryonen ist eine seit Jahren geübte Methode in der Biologie (Herzog, Bonn). Spektakulär ist viel eher die Unverfrorenheit, mit der heute die Techniken aus der Biologie und Viehzucht am Menschen ausprobiert werden, so als ob zwischen Mensch und Tier kein substanzieller ontologischer Unterschied bestehen würde.

Nicht nur die Philosophie, sondern auch die Naturwissenschaft (Herzog, Bonn) lehrt uns, dass der Mensch ab dem ersten Augenblick seiner Empfängnis existiert, d. h. der Mensch ist Person von Anfang an. Die unantastbare Würde des menschlichen Lebens kommt also nicht nur den Erwachsenen, sondern auch den Embryonen zu. Deshalb ist embryonenverbrauchende Forschung bzw. therapeutisches Klonen eigentlich nichts anderes als eine Herrschaft von Menschen über Menschen unter dem Deckmantel von Wissenschaftlichkeit und dem angeblichen Dienst am Kranken.

Der Umstand, dass beim Klonen planvoll Menschen multipliziert werden, zeigt im Übrigen neuerlich die Tatsache auf, dass dort, wo die Grenzen der natürlichen Zeugung missachtet werden, der Mensch zwangsläufig zum Versuchsobjekt wissenschaftlicher oder sonstiger Interessen missbraucht wird.

In diesem Zusammenhang sollte man gerechterweise die – man kann sagen – prophetische, aber sicher gewichtige Stimme der katholischen Kirche nicht verschweigen, die sich seit Jahrzehnten in unzähligen Deklarationen, Enzykliken und anderen Initiativen für die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens von der Befruchtung an und für eine menschenwürdige Zeugung eingesetzt hat. Wenn man diese Dokumente liest, findet man eine Fülle von stichhaltigen Argumenten – nicht nur
theologischer, sondern auch philosophischer und naturwissenschaftlicher Art, die nicht nur für Katholiken, sondern für alle Menschen guten Willens nachvollziehbar sind.

Insbesonders hat die katholische Kirche sehr wohl auf die radikale Instrumentalisierung und Ausbeutung der Frauen hingewiesen, die auf ihre rein biologischen Funktionen als Eizellenproduzentinnen und billige Brutkästen reduziert werden.

Die UNO-Deklaration vom 8. März 2005 ist ein erster Schritt (Abstimmungsergebnis: 84 für die Erklärung, 34 gegen und 37 Enthaltungen). Ebenso hat sich am 10. März 2005 das Europäische Parlament mit 300 zu 200 Stimmen gegen die Zulassung embryonaler Stammzellenforschung ausgesprochen. Ein solches Verbot wäre jedenfalls für den ethisch denkenden Wissenschaftler ein klarer Wegweiser für wahre Menschlichkeit.

Anschrift des Autors:

Prim. Univ.-Prof. Dr. Johannes Bonelli, Imabe-Institut
Landstraßer Hauptstraße 4/13, A-1030 Wien
bonelli(at)imabe.org

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
Unterstützt von: