Leihzell-Mütter und Gebär-Mütter: Wo bleibt das Kindeswohl?

Imago Hominis (2010); 17(2): 99-100
Susanne Kummer

Eine Britische Kinderwunschklinik verlost Eizellen an Seminarteilnehmerinnen. Ein Anstrich von Ethik soll offenbar gewahrt bleiben: Gewerblich dürfen menschliche Eizellen in Großbritannien nämlich nicht verkauft werden, aber um das Geschäft anzukurbeln, „verlost“ die Klinik nun eine menschliche Eizelle nach Wunsch. Unter allen Teilnehmerinnen an einem Seminar über Eizell-Spenderinnen und künstliche Befruchtungen in den USA werde eine Gewinnerin ermittelt, heißt es auf der Website der Londoner Kinderwunsch-Klinik Bridge Centre. Die glückliche Gewinnerin bekomme kostenfrei in den USA eine Eizelle eingesetzt, wobei sie selbst über Hautfarbe, soziales Milieu und Intelligenz der Spenderin entscheiden könne. Die Partnerklinik GIVF in Fairfax im US-Bundessstaat Virginia verspricht unter anderem, dass unter ihren Spendern keine Raucherinnen und keine Dicken seien, berichtet das Deutsche Ärzteblatt.1 Der Gewinn sei umgerechnet gut € 14.000 wert, sagt ein Kliniksprecher. In den USA dürfen Frauen Eizellen verkaufen, was bei „guter Herkunft“ um die $ 10.000 (€ 7.300) einbringen kann.

Welche Fragen werden diese per Gewinnspiel verlosten oder teuer verkauften Eizell-Kinder wohl in 15 Jahren ihren Gebär-Müttern stellen? Und auch ihren Vätern, falls diese aus der Anonymität auftauchen? Bei aller Achtung vor dem Kinderwunsch eines Paares und dem Mitleid, wenn sich dieser nicht auf natürlichem Weg erfüllen lässt: Ein Kind um jeden Preis – ist das rechtens?

Bezeichnenderweise gibt es kaum Studien über die psychischen Folgen bei Kindern, die erfahren, dass sie ein genetisches Patchwork-Kind sind. Umso brisanter sind die Ergebnisse einer aktuellen Studie: 92 Prozent aller Kinder, die mit einem Samen eines Dritten gezeugt wurden, wollen wissen, wer ihre genetischen Verwandten sind und fahnden nach ihren genetischem Vater (77%) oder den potentiellen Halbgeschwistern (79%). Als Begründung gab ein Großteil der Kinder an, dass ihnen etwas von ihrer persönlichen und genetischen Identität fehle.2

Diese Fakten stimmen nachdenklich angesichts des jüngsten Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der Österreich zu einer Liberalisierung von Ei- und Samenzellspenden von Dritten für künstliche Befruchtungen zwingen will: Wer denkt eigentlich noch an das Wohl des Kindes?

Nach dem österreichischen Fortpflanzungsmedizingesetz darf ein Paar – ausgenommen ist die heterologen Insemination – keine fremden Ei- bzw. Samenzellen für eine künstliche Befruchtung verwenden. Genau diese Regelung will der EGMR nun kippen. Österreich steht unter Druck: Das Gesetz verstoße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention – konkret gegen das Diskriminierungsverbot (Artikel 14) und das Recht auf Achtung des Familienlebens (Artikel 8), so die Straßburger Richter. Anlass für das Anfang April 2010 gefällte Urteil waren zwei österreichische Paare, die bereits vor zwölf Jahren ihren Kinderwunsch mittels IVF erfüllen wollten. In beiden Fällen konnten die Frauen keine Eizellen produzieren, einer der Ehemänner war unfruchtbar. Die österreichischen Behörden lehnten es ab, die biologische Elternschaft im Zuge der IVF auf drei bzw. vier Personen zu splitten – mit guten Gründen: Zum einen sollten damit „ungewöhnliche Familienverhältnisse“ durch die Existenz zweier Mütter (einer genetischen und der austragenden) verhindert werden, argumentierten die Verfassungsschützer. Zum anderen verwiesen sie auf das Risiko, dass Frauen aus „sozial benachteiligten Schichten“ unter Druck gesetzt werden könnten, Eizellen zu spenden. Der Straßburger Gerichtshof ließ diese Argumente nicht gelten. Begründung: Schließlich würden auch Adoptionen zu „ungewöhnlichen Familienverhältnissen“ führen. Und das Problem von medizinischen Risiken bestünde auch schon jetzt für alle Frauen, die sich einer IVF unterziehen, ein Handel mit Eizellen sei ohnehin verboten.

Die Kurzsichtigkeit des Gerichts ist erschreckend. Ausgangspunkt des Urteils ist ein fragwürdig postuliertes Recht auf ein Kind um jeden Preis. Die Rechte des Kindes werden dabei komplett außer Acht gelassen.

Der Vergleich mit der Adoption sitzt einem Trugschluss auf: Wenn Eltern fremde Kinder uneigennützig in einer Notsituation auffangen und sich großzügig bereit erklären, ihnen ein neues Zuhause zu schaffen, kann dies nicht verglichen werden mit der gezielten Absicht, ein Kind vom Beginn seiner Existenz an dazu zu verurteilen, ein „Adoptionsfall“ zu sein. Hat nicht jedes Kind prinzipiell ein Recht auf einen Vater und eine Mutter?

Geradezu naiv reagiert das Urteil auch auf die Tendenz des weltweit steigenden Eizellenhandels und der damit verbundenen Degradierung des Körpers der Frau zur Rohstofflieferantin. Nicht Unrecht hat der EGMR, wenn er meint, dass dies in gewisser Weise schon bei jedem IVF-Verfahren geschehe. Die Frage nach dem mit einer Eizellspende verbundenen Gesundheitsrisiko wird schon heute heruntergespielt. Fertilitätskliniken weigern sich vorsorglich, für eventuelle Kosten in Folge von gesundheitlichen Problemen aufzukommen und sichern lediglich Notfallhilfe zu, die von der Spenderin berappt werden muss.3

Angesichts der Macht des Machbaren (Rohstofflieferantin Frau für Embryonenforschung oder Fruchtbarkeit, Selektion von lebensunwertem Leben, Keimbahnmanipulation, Designer-Baby, international organisierter Eizellenhandel, Leihmutterschaft usw.) haben sich die ethischen Bedenken gegen künstliche Fortpflanzungsmethoden bewahrheitet. Ein Verzicht auf diese Techniken ist angesichts des Riesenmarktes, den die Produkte „Kind“ und „Gesundheit“ ankurbeln, vorerst kaum denkbar.

Die Erfüllung des verzweifelten Kinderwunsches eines unfruchtbaren Paares soll die Bereitschaft zur Eizellspende in potentiellen Spenderinnen erzeugen – vielleicht, weil sie die Betroffenen persönlich kennen, weil sie in hohem Grad altruistisch sind oder einfach ihr Studium finanzieren müssen.4 Es muss Aufgabe des Gesetzgebers sein, Betreffende in diesem Fall vor sich selbst zu schützen. Und das Kindeswohl mit allen Mitteln zu verteidigen.

Referenzen

  1. Britische Klinik verlost menschliche Eizelle, Dt. Ärzteblatt am 15. März 2010, http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=40434
  2. Jadva V. et al., Experiences of offspring searching for and contacting their donor siblings and donor, Reprod BioMed Online (2010); 20(4): 523-532
  3. vgl. Werner-Felmayer G., Menschliche Eizellen – Lebensspender, Hoffnungsträger und Handelsware, Imago Hominis (2005); 12: 207-215
  4. Werner-Felmayer G., siehe Ref. 3

Anschrift der Autorin:

Mag. Susanne Kummer, IMABE
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skummer(at)imabe.org

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