Bioethik aktuell

Richtlinie gegen Menschenhandel: EU rückt Ausbeutung durch Leihmutterschaft ins Blickfeld

Nur ein weltweites Verbot kann das weltweite Geschäft des "Kindes auf Bestellung" eindämmen.

Lesezeit: 04:37 Minuten

Ein internationales Expertentreffen, an dem auch Vertreterinnen der Vereinten Nationen und des Vatikans teilnahmen und das von führenden Feministinnen unterstützt wurde, fordert ein Verbot dieser Praxis, die die Grundrechte von Frauen und Kindern verletzt.

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Leihmutterschaft ist international zu einem Big Business geworden. Der Wert des lukrativen Marktes wurde 2023 laut dem Skyquest Global Surrogacy Market Report (Februar 2024) auf 16 Millarden US-Dollar geschätzt. Bis 2031 soll der Markt auf 75 Milliarden US-Dollar anwachsen.Treibende Kraft dahinter sind Agenturen, die aggressiv neue Kunden anwerben, Medien, die von Promis berichten, die die Erfüllung ihres Kinderwunsches an Frauen ausgelagert haben sowie lasche nationale Gesetzgebungen. Dass es damit systematisch zur Ausbeutung von Frauen und Kinderhandel kommt, wird in der medialen Öffentlichkeit allerdings kaum thematisiert (Bioethik aktuell, 18.8.2023).

EU-Parlament stellt Ausbeutung durch Leihmutterschaft unter Strafe

Umso erfreulicher ist es, dass das EU-Parlament die Ausbeutung von Leihmutterschaft explizit in den Katalog der im Zusammenhang mit Menschenhandel stehenden Straftaten aufgenommen hat. Der Katalog ist Teil der EU-„Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung von Menschenhandel und zum Schutz seiner Opfer“ (2011/36/EU). Bei der Plenarsitzung am 22.04.2024 stimmten die EU-Parlamentsabgeordneten fast einstimmig für weitreichende Ergänzungen und Änderungen der Richtlinie, darunter auch die Erweiterung der Straftatbestände um illegale Adoption, Zwangsheirat und ausbeuterische Fälle von Leihmutterschaft. 

Ein Schritt in die richtige Richtung, wenn auch noch etwas verhalten 

Leihmutterschaft soll insbesondere dann strafbar sein, wenn Frauen durch Zwang, Täuschung oder Ausnutzung besonderer Schutzbedürftigkeit dazu bewegt werden, ein Kind für ein hetero- bzw. homosexuelles Paar oder alleinstehende Männer und Frauen zu übernehmen. Die Richtlinie erläutert weiter, dass besondere Schutzbedürftigkeit dann vorliegt, wenn „die betreffende Person keine wirkliche oder für sie annehmbare andere Möglichkeit hat, als sich dem Missbrauch zu beugen“. Hier hätte man sich von der EU etwas mehr Mut erwartet, um Leihmutterschaft, die per se ein entwürdigender Prozess für Frauen, die ihren Körper gegen Geld quasi als Brutkasten zur Verfügung stellen, zu verurteilen. 

In bestehende nationale Regelungen der Leihmutterschaft wird nicht eingegriffen

Die Richtlinie stellt klar, dass innerstaatlichen Regelungen der Leihmutterschaft im Familien- und Strafrecht unberührt bleiben sollen. Länder wie Griechenland, die Leihmutterschaft erlauben, müssen ihre Gesetze daher nicht anpassen. Die Richtlinie unterscheidet zudem nicht zwischen kommerzieller und altruistischer Leihmutterschaft, sondern verbietet lediglich besonders unmenschliche Praktiken beim Anwerben von Leihmüttern. Bedauerlicherweise schließt das Dokument auch die aus Leihmutterschaft geborenen Kinder explizit vom Schutz vor Menschenhandel aus und das, obwohl das gesamte Konzept der Existenzwerdung eines Kindes im Zuge eines Leihmutterschaftsvertrags von Anfang darauf beruht, dass man ein Kind gegen Geld handelt (Bioethik aktuell, 10.1.2024)

Positiv zu vermerken ist, dass eine EU-Richtlinie immerhin nicht nur deklaratorisch ist, sondern auch rechtliche Wirkung in allen Mitgliedstaaten entfaltet. Sie muss innerhalb von zwei Jahren in die jeweilige innerstaatliche Rechtsordnung der EU-Mitglieder umgesetzt werden.

Nur ein internationales Leihmutterschaftsverbot kann Kinder vor Menschenhandel bewahren

Um Kinder, die immer auch Opfer von Menschenhandel im Rahmen einer Leihmutterschaft sind, und Frauen unter allen Umständen vor der ausbeuterischen Praxis effektiv zu schützen, braucht es ein internationales Verbot. Die Casablanca Declaration, die aus einem Zusammenschluss von Juristen, Ärzten und Psychologen hervorging, hat dazu im März 2023 eine Resolution veröffentlicht. Diese wurde von mehr als 100 Experten aus 75 Ländern und mittlerweile auch von EU-Politikern und Feministinnen unterzeichnet und wurde vor der UNO und im Europaparlament präsentiert. Ziel der Deklaration ist es, die Staaten zu verpflichten, Maßnahmen gegen jegliche Form von Leihmutterschaft zu ergreifen.

Konferenz der Casablanca Declaration in Rom: Es gibt keine "saubere" Leihmutterschaft

Anfang April fand eine Konferenz der Casablanca Declaration in Rom statt, die mehr als 170 Persönlichkeiten vereinte - unter ihnen die schwedische Feministin und Marxistin Kajsa Ekis Ekman (Dala Demokraten, 11.4.2024), die österreischische Publizistin und Gründerin der Plattform www.stoppt-leihmutterschaft.at Eva Maria Bachinger, die deutsche Autorin Birgit Kelle, Ärrzte, Psychologen und Anwälten aus Europa, Afrika und Südamerika. Auch UN-Mandatare waren vertreten wie etwa UN-Sonderberichterstatter zur Gewalt gegen Frauen, Reem Alsalem sowie die Bulgarin Velina Todorova, Mitglied des UN- Ausschusses für die Rechte des Kindes. Außerdem nahmen zahlreiche italienische Politiker, darunter auch Familienministerin Eugenia Roccella sowie die Abgeordnete Luana Zanella aus der grünen Partei "Verdi Sinistra Italia" und die Senatorin Valeria Valente der linken "Partito democratico" an der Veranstaltung teil. Gemeinsamer Tenor: Es gibt keine ethisch saubere Leihmutterschaft, da die Praxis von Grund auf menschenunwürdig sei.

Betroffene Frau, die aus Leihmutterschaft geboren wurde, spricht sich gegen Kauf von Kindern aus

Eindrucksvoll schilderte dies eine Betroffene, die 32-jährige Olivia Maurel, Sprecherin der Casablanca-Declaration. Maurel lebt in Frankreich und stammt von einer US-Leihmutter ab. In einem bewegenden Zeugnis erzählte sie von ihren Depressionen, Alkoholismus und Selbstmordversuchen (Omnesmag, 8.4.2024). Eine Erklärung dafür fand sie erst, als sie vor wenigen Jahren entdeckte, dass sie von einer anderen Frau als ihrer Mutter abstammte und durch Leihmutterschaft geboren worden war. Heute tritt Maurel, inzwischen selbst Mutter, für ein komplettes Verbot von Leihmutterschaft ein. Es handle sich um eine "unethische und ungerechte Praxis", so  Maurel, die sich als Atheistin und Feministin bezeichnet. Daran würden auch die besten Regelungen nichts ändern – nicht solange Kinder dem Kinderwunsch von Erwachsenen geopfert werden (The Associated Press, 05.04.2024).

Im Gegensatz zu etablierten Kinderrechten, von denen viele durch Leihmutterschaft verletzt werden, gäbe es kein „Recht auf ein Kind“. Maurel unterstreicht den fundamentalen Unterschied zwischen Leihmutterschaft und Adoption. Während man bei einer Adoption in schlimmen Umständen nach der bestmöglichen Lösung für verlassene oder verwaiste Kinder sucht, steht bei Leihmutterschaft nicht das Kind, sondern der Wunsch der Erwachsenen im Mittelpunkt: Sie lassen Kinder mit dem Ziel erzeugen, sie nach der Geburt von der Mutter zu trennen und von anderen aufziehen zu lassen.

Institut für Medizinische
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