Neue Umfrage zur Euthanasie

Imago Hominis (2001): 8(4): 259-261
Claudia Lapka

Die Österreichische Ärztekammer hat im Oktober d.J. die Ergebnisse einer durch das Linzer Meinungsforschungsinstitut Spectra durchgeführten Meinungsumfrage zum Thema Euthanasie veröffentlicht. Das Ergebnis: lediglich ein Viertel befürwortet die Möglichkeit der bewussten Tötung des Menschen auf eigenen Wunsch durch den Arzt, also die aktive Euthanasie (vgl. Tabelle 1).

Sterbehilfe erlaubt nicht erlaubt abhängig vom Fall weiß nicht
indirekt 55%   7% 30% 8%
passiv 46% 14% 30% 10%
aktiv 24% 33% 31% 12%
Tabelle 1

Insgesamt wurden 835 Personen ab 15 Jahren, die stichprobenartig ausgewählt worden waren, in persönlichen Interviews nach ihrer Einstellung zu den drei verschiedenen Arten der Vorgangsweise bei unheilbar Kranken befragt. Nachdem man davon ausging, dass über den Begriff der Euthanasie vage Vorstellungen herrschen, wurden in dieser Umfrage (anders als in den bisherigen Umfragen) drei verschiedene Arten – nämlich die indirekte, die passive und die sog. aktive Sterbehilfe, also die Tötung auf Verlangen – in ihren juristischen Definitionen thematisiert und erläutert. Beispielsweise hieß es:

„Indirekte Sterbehilfe heißt: Ein todkranker und dahinsiechender Patient erhält eine medikamentöse Therapie, die ihn schmerzfrei erhält (z.B. Morphium). Das kann einen möglichen frühen Tod zur Folge haben.

Passive Sterbehilfe heißt: Sterben lassen eines todkranken oder dahinsiechenden Patienten durch Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen (z.B. Abschalten von Maschinen). Der Patient wird außerdem schmerzfrei gehalten.

Aktive Sterbehilfe heißt: Ein todkranker oder dahinsiechender Patient wird vom Arzt getötet (auf Wunsch des Patienten).“1

Die Unterscheidung zwischen aktiver und passiver Euthanasie hat eine weite Verbreitung gefunden, führt aber dennoch zu Missverständnissen. So wird allgemein angenomment, aktiv wäre die Sterbehilfe, wenn der Tod durch ein Tun und passiv, wenn er durch eine Unterlassung herbeigeführt würde. „Aktiv" wäre die Spritze, „passiv“ ein Sterbenlassen durch Behandlungsabbruch oder durch Stoppen der Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr. Dabei kommt es aber in einer ethischen Bewertung entscheidend auf die Absicht des Handelnden an. Das vorsätzliche Unterlassen einer Handlung mit Tötungsabsicht kann unter Umständen ethisch gleich zu bewerten sein, wie eine vorsätzliche tödliche Handlung. Einem insulinpflichtigen Diabetiker die lebensnotwendige Insulinspritze nicht zu verabreichen, ist eine Unterlassung, die bei Vorsätzlichkeit ebenso verwerflich ist, wie die Verabreichung einer Überdosis Insulin (aktive Handlung), die den Tod herbeiführt. Aus ethischer Sicht besteht hier zwischen physischem Tun und Unterlassen kein Unterschied.2 Bei der sogenannten passiven Euthanasie muss also differenziert werden.

Ethisch relevant aber ist die Unterscheidung zwischen direkter und indirekter Tötung. In der ersten wird in primär tötender Absicht gehandelt, während in der zweiten eine Handlung gesetzt wird, die von Natur aus nicht auf eine Tötung ausgerichtet ist. Wesentlich ist, dass eine gute Absicht verfolgt und eine mögliche Tötung in Kauf genommen wird. So kann unter Umständen eine Handlung, die eine voraussehbare aber unbeabsichtigte tödliche Wirkung hat, ethisch erlaubt sein. Indirekte Sterbehilfe ist daher aus ethischer Sicht immer erlaubt.

Ein Behandlungsabbruch ist ethisch zulässig, wenn die Behandlung ihren Sinn verloren hat und nach fachkundigem Urteil weder eine Heilung noch eine Lebensverlängerung bringt oder wenn die Behandlung eine außerordentliche Belastung darstellt.3 In einem solchen Fall sind Behandlungsabbruch oder -verzicht keine Tötung, weil die Todesursache die nicht mehr heilbare Krankheit ist. Es ist daher ethisch vertretbar, die Behandlung auf wirksame palliative Maßnahmen zu reduzieren.

Unter diesem Aspekt sind die in der Meinungsumfrage der ÖÄK angegebenen Definitionen etwas simplifiziert und daher unklar. Lobenswert ist es jedoch, dass die Interviewten mit konkreten Definitionen konfrontiert wurden und auch die Definition der aktiven Euthanasie klar formuliert wurde. Vergangene Umfragen zeigen, dass, je nachdem, wie Sterbehilfe definiert wurde, die Ergebnisse unterschiedlich ausgefallen waren. So hat eine Befragung des Instituts für Pastoraltheologie im Mai 2001 ähnliche Ergebnisse erbracht (gegen aktive Sterbehilfe 27%, dafür 16%) wie die jetzige Meinungsumfrage. Auch hier wurde erklärt, was unter aktiver Sterbehilfe verstanden wird. Hingegen führte die im Jänner d.J. durchgeführte IMAS-Befragung4 zu gegenteiligen Ergebnissen: 49% sind dafür, dass leidenden Menschen der Sterbewunsch erfüllt wird, 26% dagegen. Sterbehilfe wurde dort als Erfüllung des Wunsches zum Sterben definiert, wobei keine Unterscheidung zwischen aktiver und indirekter Sterbehilfe gemacht wurde. Es ist logisch, dass die Ergebnisse daher anders ausgefallen sind, denn unter „Erfüllung des Wunsches zum Sterben“ kann jeder etwas anderes verstehen (z.B. auch Abschalten der nur lebensverlängernden Maschinen).

Die Umfrage der ÖÄK zeigt aber auch, dass ein Drittel der Befragten (31%) bezüglich der moralischen Bewertung von aktiver Sterbehilfe unentschlossen ist und diese vom Fall abhängig macht. Hier braucht es noch mehr Aufklärung der Bevölkerung über Euthanasie. Es geht darum, die Allgemeinheit klar und professionell aufzuklären, worin die Unterschiede liegen, welche Vorgangsweisen menschenwürdig sind und welche anderen zu einer Entsolidarisierung führen. In einer Gesellschaft, in der aktive Tötung toleriert wird, kann sich niemand mehr sicher sein, dass diejenigen, die ihm Hilfe und Beistand leisten sollten, sich nicht in Mörder verwandeln. Die relativ hohe Rate an Unentschlossenen mag vielleicht auch als typisch „österreichisch“ bewertet werden. „Im Notfall kann man sich ja noch ein Hintertürl offen lassen.“

Das Wissen um die psychische Belastung für den ausführenden Arzt wird in der Umfrage der Österreichischen Ärztekammer als ein Grund gegen die Tötung auf Verlangen erwähnt. Laut Umfrage geht über ein Drittel der Befragten (37%) von einer sehr großen und 27% von einer großen psychischen Belastung für den Arzt aus. Nur 4% sind der Meinung, dass die Tötung eines Patienten keine psychische Belastung für den Arzt darstellt. Fragte man die Interviewten nach der Zumutbarkeit, so waren über die Hälfte der Befragten (59%) der Meinung, dass es gar nicht bis nur schwer dem Arzt zumutbar ist, den Patienten zu töten.

Der Präsident der Österreichischen Ärztekammer Dr. Otto Pjeta interpretierte in ähnlicher Weise diese Umfrageergebnisse und warnte vor einer Begriffsvermischung. Er betont: „Wer nach dieser Umfrage nun immer noch alle Möglichkeiten der Euthanasie in eine Topf wirft, handelt fahrlässig, denn er leitstet gravierenden gesellschaftlichen Fehlentwicklungen Vorschub.“ Pjeta erklärte weiter im Pressegespräch: „Wir lehnen aber jede Form der Tötung auf Verlangen kategorisch ab, da dies nicht Sinn des Heilberufes sein kann. Was wir nun benötigen, ist eine Verbesserung der Versorgungsstrukturen für Schwerkranke und Sterbende. Dann wird auch die Tötung auf Verlangen bald kein Thema mehr sein.“ Vor allem geht es darum, Strukturen zu schaffen, in denen die bestehende Isolation schwerkranker Menschen gemildert werden kann und diese sich nicht auf Grund der Vereinsamung den Tod wünschen müssen. Eine verbesserte Anwendung der Palliativmedizin in Spitälern und im unmittelbaren Lebensumfeld der Betroffenen ist wünschenswert, um eine würdige Sterbebegleitung und -betreuung sicherzustellen. Wichtig wäre dabei, dass Angehörige schwerkranker und sterbender Patienten besser in ihrer Betreuungsaufgabe unterstützt würden.

Ein positiver Schritt in Richtung Sterbebegleitung ist ein Konzept, das von Wirtschafts- und Arbeitsminister Dr. Martin Bartenstein und Caritas-Direktor Dr. Michael Landau präsentiert worden ist: die „Sterbekarenz“. Angehörige von sterbenden Familienmitgliedern sollen einen Rechtsanspruch auf Herabsetzung oder Veränderung der Lage der Normalarbeitszeit bekommen, damit sie ihre Sterbenden im letzten Lebensabschnitt begleiten können. Vor allem wird dabei an eine Teilzeitbeschäftigung gedacht, es ist aber auch eine Vollkarenzierung möglich. Nach drei Monaten (die bei Bedarf um weitere drei Monate verlängert werden dürfen) ist ein Rückkehrrecht auf den Arbeitsplatz vorgesehen. Der Arbeitnehmer ist während der Karenz auch sozialrechtlich abgesichert. Minister Bartenstein erklärte, „die Sterbekarenz ist eine der Antworten, die Österreich auf das holländische Modell der aktiven Sterbehilfe geben wird, denn das was dort gang und gäbe wird, das wollen wir überhaupt nicht.“5

Referenzen

  1. Pressegespräch „Sterbehilfe aus Sicht der Bevölkerung – neue Daten und Fakten“, 10.10.2001, Österreichische Ärztekammer
  2. vgl. Imabe Info 2/98
  3. Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre zur Euthanasie, 20. Mai 1980, IV
  4. vgl. Prat, E.H., Meinungsmache für Euthanasie in Österreich. Meinungsforscher manipulieren Befragung, IH (2001); 8: 8-9
  5. OTS-Presseaussendung Oktober 2001, Rückfragehinweis: BM für Wirtschaft und Arbeit

Anschrift der Autorin:

Claudia Lapka
Landstraßer Hauptstraße 4/13
A-1030 Wien

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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