Der moralische Status des menschlichen Embryos in vitro

Imago Hominis (2002); 9(4): 255-266
Notburga Auner

Zusammenfassung

Der Begriff „Status“ muss differenziert werden und bezeichnet je nachdem den „Status quo“, den „Rechtsstatus“ oder den „moralischen Status“. Der Status quo des Embryos in vitro unterscheidet sich im wesentlichen Punkten von jenem im Mutterleib. Der Rechtsstatus gewährt dem Embryo in vitro nur mehr einen abgestuften Lebensschutz, seine Verdinglichung ist die Folge. Der moralische Status des Embryos in vitro lässt keine Unterscheidung zum frühen Ungeborenen im Mutterleib zu. Daher muss die Erzeugung des Menschen im Reagenzglas prinzipiell in Frage gestellt werden. Weil er nicht geschützt werden kann und weil es seiner Würde immanent widerspricht, sollte der Mensch nicht künstlich befruchtet und außerhalb des Mutterleibes hergestellt werden.

Schlüsselwörter: Statusbegriff, Rechtsstatus, moralischer Status, abgestufter Würdeschutz, Person

Abstract

The definition of the word „status“ must be looked at very closely especially when it is used in expressions such as „status quo“, “legal status” or “moral status”. The status quo of the embryo in vitro is importantly different from such in the womb. The legal status given the embryo in vitro at present is only a right of life in degrees and it follows that is has now become a “thing”. The moral status of the embryo in vitro must be considered as being the same as in the womb. Therefore, producing a human being in a test tube is very questionable. The reasons being that in vitro it can no longer be protected and also because this condition is very much against human dignity, therefore, human beings should not be produced by artificial fertilization outside the womb.

Keywords: Definition of status, legal status, moral status, protection of human dignity by degrees, person


Die Errungenschaften der Reproduktionsmedizin haben den menschlichen Embryo verfügbar gemacht. Die Befruchtung im Reagenzglas, die einst zur Erfüllung des Kinderwunsches unfruchtbarer Ehepaare entwickelt wurde, fand bald weitere denkbare Anwendungsbereiche, die abseits von Fortpflanzungszwecken stehen. Die Verfügungsgewalt über menschliche Keimzellen und die direkte Beobachtung der frühesten Entwicklungsstadien des Menschen stellen für die Forschung ein attraktives Feld dar, das einen enormen Wissensfortschritt bewirkte. So fing man an, mit übrig gebliebenen Embryonen, die nicht mehr transferiert werden sollten, innerhalb einer bestimmten Zeitspanne zu experimentieren. England übernahm mit einer Gesetzgebung, die ausdrücklich die Möglichkeit für eine derartige Forschung schuf, eine Vorreiterrolle. Die In-vitro-Fertilisierungs-Technik (IVF) hat sich rasch als Standardmethode etabliert und allgemeine Akzeptanz gefunden.

Erst das Auftreten eines neuen Szenarios hat eine breitere Öffentlichkeit aufmerksam gemacht. Embryonale Stammzellen sollten die neuen Hoffnungsträger der Medizin sein und Probleme lösen können, die bisher unlösbar waren. Die Aussichten der Forschung auf Heilung bislang unbehandelbarer Krankheiten, die mittels embryonaler Stammzellen erfolgen soll, haben diesen Forschungsbereich in ein neues Licht gerückt. Man meinte offenbar zwei Fliegen auf einen Schlag getroffen zu haben: überzählige Embryonen können einem guten Zweck zugeführt werden und sind darüber hinaus auch noch Rohstoffe für wirksame Therapeutika. Man spielt mit der Vorstellung, in fernerer Zukunft individuellen Organersatz aus embryonalen Stammzellen für jeden Menschen bereitstellen zu können. Für den Krankheitsfall gerüstet, sollen Gewebsersatzzellen verfügbar sein, die den Organismus in seiner Regenerationspotenz unterstützen. Die ferne Wirklichkeit einer derartigen Therapieform ist heute noch Utopie. Großer wissenschaftlicher Einsatz wird erforderlich sein, um die Technik zu entwickeln. England hat frühzeitig die notwendigen legistischen Maßnahmen getroffen: Embryonen, die zur Entwicklung dieser Technik notwendig sind, dürfen ausdrücklich nur zu Forschungszwecken hergestellt werden, denn die vorhandenen, überzähligen Embryonen reichen nicht aus, oder besitzen nicht die gewünschten qualifizierbaren Merkmale, die die Forschung benötigt.

Embryonenverbrauchende Forschung wird aber höchst kontroversiell beurteilt. Die oben beschriebene Vorgangsweise Englands hat international eine heftige Diskussion ausgelöst, an der sich nicht nur Politiker, sondern auch Naturwissenschaftler und Bioethiker beteiligen. Einerseits wollen die Vertreter einer Interessensethik keine Forschungsbeschränkungen akzeptieren, solange das „gute Ziel“ – die legitimen Interessen –, nämlich die ferne Möglichkeit einer therapeutischen Anwendung und Heilung, gewahrt bleibt. Andererseits lehnt die gegensätzliche Position jeglichen Verbrauch menschlicher Embryonen ab. Diese müssen, weil sie früheste Formen des Menschseins sind, mit jener Achtung und Ehrfurcht behandelt werden, die eben Menschen gebührt. Ein Grossteil der westlichen Gesellschaft hat sich einer uneingeschränkten Fortschrittsgläubigkeit hingegeben. Das neue Credo von einer Ethik des Heilens wird auf den Plan gerufen, der die Gesellschaft von heute im Dienste der Gesellschaft von morgen verpflichtet, keine Einschränkung der Mittel vorzunehmen. Menschliches Leben im Embryonalstadium, das bedeutet vor jeder Entwicklung des Bewusstseins und Formulierung eigener Interessen, – zwar Menschen, aber keine Personen, so wird argumentiert – dürfte dann in bestimmten Fällen geopfert werden, wenn dies eindeutig dem Wohle der zukünftigen Generationen diene.

Die Gegenstimme sieht in dieser Vorgangsweise einen Verstoß gegen die Menschenwürde, die immer und überall gewahrt werden müsse. Selbst in der Unbewusstheit am Lebensbeginn dürften Menschen sich nicht anderer Menschen ohne deren Zustimmung bedienen und sie für ihre eigenen Zwecke gebrauchen. Im konkreten Fall führt das noch weiter bis zum Verbrauch von Embryonen. Im Spannungsfeld dieser Kontroverse soll sich nun die Gesellschaft positionieren und eine Weichenstellung für die Zukunft vornehmen, die zweifelsohne das Wohl oder die Probleme der Folgegenerationen mit entscheiden wird.

Zum Begriff des Status quo, des Rechtsstatus und  des moralischen Status des Embryos

Es geht in dieser Kontroverse, wie auch in diesem Aufsatz um den Status des Embryos, um die Frage also nach seiner Stellung innerhalb der menschlichen Gemeinschaft. Und hier scheint es angebracht und sogar notwendig genau zu differenzieren. Einerseits kann man die Stellung des Embryos innerhalb der Gesellschaft bezeichnen; das ist seine konkrete Lage, die er de facto einnimmt. Sie definiert sich anhand der Verhaltensmuster der Solidargemeinschaft einem ungeborenen Menschen gegenüber. Man könnte sie als Status quo bezeichnen. Der Status quo entwickelt und strukturiert sich und steht in Beziehung zur rechtliche Lage. Der Rechtsstatus des Embryos beschreibt die Rechte, die eine Gesellschaft bzw. der Gesetzgeber dem Embryo zuerkennt und die Pflichten ihm gegenüber, die den anderen Mitgliedern der menschlichen Gemeinschaft auferlegt werden. Diese Rechte und Pflichten bedürfen einer Begründung. Hier kommt die Frage nach der ontologischen Verfasstheit und der Identität des Embryos auf. Von ihrer Antwort leitet sich ab, welche Rechte dem Embryo per se zukommen und durch die anderen anerkannt und geschützt werden sollen. Das ist der moralische Status. Über ihn sollte sich die Solidargemeinschaft nicht hinwegsetzen. Das bedeutet, dass sie gebunden ist, jene Rechte, die mit der ontologischen Verfasstheit unzertrennlich verbunden sind, auch anzuerkennen und darüber hinaus auch zu garantieren. Das ist mehr als bloße Zuschreibung von bestimmten Rechten. Mit einem Wort, der moralische Status des Embryos ist der Maßstab, an dem sich der Handlungsspielraum und der gesetzliche Rahmen orientieren müssen. In der Folge sollen diese drei Aspekte des Status des Embryos untersucht werden. Es wird vor allem der Frage nachgegangen, ob eine Differenzierung des Status quo oder des Rechtsstatus zwischen Embryonen in utero und Embryonen in vitro auch mit einem unterschiedlichen moralischen Status des Embryos begründet werden kann.

Der Embryo in utero1

Ob und in wieweit Embryonen zu Versuchszwecken verbraucht werden dürfen, stand bislang (bis zum Ende des 20. Jahrhunderts) nicht zur Debatte. Der Anfang des Menschseins verlief naturgemäß und ausnahmslos im Verborgenen. Die Kombination des Erbgutes ist dabei dem „Zufallsprinzip“ unterworfen. Männliche und weibliche Erbsubstanz verschmelzen und bilden eine absolut einzigartige neue Kombination, eine Basis auf genetischer Ebene für ein Individuum der menschlichen Natur, das sich in einem bestimmten historischen, soziokulturellen Kontext entwickelt und sein Dasein entfaltet. Die ersten Wochen und Monate seiner Entwicklung verbringt der Mensch in der dunklen Geschütztheit des Mutterschosses. Seine Existenz spielte sich am Beginn „unter Ausschluss der Öffentlichkeit“ ab. Erst später kündigen die Zeichen fortgeschrittener Schwangerschaft der Umwelt an, dass es Zuwachs geben wird. Die Frau ist die erste, die die Gegenwart ihres Kindes erahnt. Mit der Gewissheit ihrer Mutterschaft beginnt normalerweise auch die erste Bejahung eines Menschen durch andere. Der Embryo, und später der Fötus ist von der Mutter abhängig und kann sich nur innerhalb dieser intimen physisch-psychischen Beziehung entwickeln.

Vorerst sind es die Eltern, streng physisch betrachtet nur die Mutter, die durch ihre Zustimmung das beginnende Leben schützt. Sie garantiert das Lebensrecht des Embryos. In seltenen Fällen, wenn die Mutter das Kind nicht will und nicht in der Lage ist, das notwendige Wohlwollen aufzubringen, kann sie die Tötung des Embryos veranlassen. In den meisten Staaten ist dieser Tatbestand gesetzlich verboten. Zahlreiche Länder haben den Lebensschutz des ungeborenen Kindes gelockert und unter Beibehaltung des Verbotes die Strafen für eine Abtreibung ausgesetzt. Es wird argumentiert, dass der gesetzliche Schutz des Embryos im Ernstfall gegen den Willen der Mutter, selbst unter Strafandrohung nicht wirksam ist. Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass der Embryo prinzipiell keinen Schutz genieße. Ganz im Gegenteil: von dieser Ausnahmesituation abgesehen, ist für die Umwelt der Zugriff auf den Embryo in utero verwehrt. Einzige „Schwachstelle“ bleibt der Wille der Mutter: diese muss das Kind bejahen. Will die Frau das Kind nicht haben, kann sich der Vater im Alleingang nicht behaupten.

Erst durch die Geburt erfährt die Umwelt des Kindes eine entscheidende Erweiterung. Der Lebensschutz, der während der Schwangerschaft der Mutter alleine anheim gestellt war, wird fortan von der Gemeinschaft getragen. Auch die Umwelt erwartet das Kind mit Interesse, um es als neues Mitglied in die Solidargemeinschaft aufzunehmen. Noch viele Jahre lang bedarf der heranwachsende Mensch des Schutzes durch andere.

Das Entwicklungsstadium des Menschen bei seiner Geburt ermöglicht, physiologisch gesehen das Überleben außerhalb des Mutterleibes. Psychologisch betrachtet fördert die bereits weit fortgeschrittene Ausbildung der menschlichen Formen den Instinkt, das Kind zu schützen und vor ungebührlichen Zugriffen zu bewahren. Dem geborenen Kind begegnet die Gesellschaft gewöhnlich mit Wohlwollen und Zuneigung. Dem Ungeborenen gegenüber, dessen Gestalt noch unförmig und im Mutterschoß verborgen ist, gibt es keinen ausgeprägten Instinkt: ihm kann leichter die notwenige Distanzierung entgegengebracht  werden, die in der Folge zum Abbruch der Schwangerschaft und Vernichtung des ungeborenen Lebens führt.

Der Embryo in vitro

Ganz anders stellt sich die Situation des Embryos in vitro dar. Er wird im Labor unter Aufbietung technischer Unterstützung „hergestellt“. Seine ersten Momente verlaufen bei Tageslicht. Das bedeutet mehr als die Entmythologisierung eines Vorgangs, der normalerweise der Betrachtung nicht zugänglich ist. Man kann auf ihn schauen, seine Entwicklung beobachten, kontrollieren und  ihn auch manipulieren.

Das Reagenzglas bedeutet Ungeschütztheit. Von allem Anfang an bietet die Existenz des Embryos in vitro eine breite Angriffsfläche für andere Personen, die mit ihm in Berührung kommen: für den Arzt, die medizinisch technische Assistentin, für den Laboranten, bis hin zum Reinigungspersonal in den respektiven medizinischen Einrichtungen. Sie alle haben de facto Zugriff auf den Embryo in vitro. Weiters können auch die Eltern entscheiden, ob sie ihn wollen oder nicht. Ist letzteres der Fall, sinken seine Überlebenschancen auf null.

Es kommt zur Verdinglichung des menschlichen Embryos, der im Labor hergestellt wurde: Er wird zum Objekt und über ihn haben alle Verfügungsgewalt, die mit ihm in Berührung kommen. Dem Embryo im Reagenzglas wird vorerst kein Lebensschutz garantiert. Seine Individualität als Mensch wird in der allerersten Entwicklungsphase nicht anerkannt. Die Vorgangsweisen, mit der Embryonen im Labor behandelt werden, machen das mehr als deutlich.

1. Üblicherweise werden mehrere Embryonen erzeugt, und mindestens drei werden in die Gebärmutter transferiert, um die Chancen einer Lebendgeburt zu verbessern. Man kann es auch so ausdrücken: es wird nicht „das“ Kind in vitro erzeugt, sondern mehrere Embryonen, damit wenigstens ein Kind geboren wird. Die Erfolgschancen durch das Verfahren der IVF ein Kind zu bekommen, liegen selbst in den spezialisierten Zentren nur bei 20-25%. Wissenschaftler beklagen, dass es da keinen echten Fortschritt gibt. Nur jeder 15. Embryo, der transferiert wird, überlebt und kommt als Kind auf die Welt. Entsteht aber, entgegen den ursprünglichen Absichten (erwünscht ist ja immer nur 1 Kind) eine Mehrlingsschwangerschaft, wird in einigen Zentren die Möglichkeit angeboten, die Zahl der Feten zu reduzieren. Weil das Risiko einer Geburtskomplikation bei Zwillingsgeburten stark ansteigt, wird der selektive Fötozid in Erwägung gezogen. Nicht alle Eltern entscheiden sich dafür, und akzeptieren das Risiko, statt einem gesunden Kind zwei oder drei Kinder zu bekommen, die möglicherweise krank sind. Jüngst veröffentlichte retrospektive Daten über das Outcome der IVF und die Gesundheit der Kinder zeigen, dass die erhöhten perinatalen Komplikationsraten auf die häufigen Mehrlinsschwangerschaften durch IVF zurückzuführen sind.2

2. Die Vorgangsweise in manchen Ländern besteht darin, zusätzlich zu den 3 Embryonen noch andere „herzustellen“, die aber vorerst nicht transferiert werden sollen. Sie sind die Reserve für weitere Versuche. Diese Embryonen haben von Anfang an ein ungewisses Schicksal: sie werden tiefgefroren, um auf der Ersatzbank zu warten, bis sie gebraucht werden. Sollen sie später nicht mehr für Transferzwecke bereit gehalten bleiben, dann werden sie nach einer bestimmten Frist (1 Jahr, 5 Jahre, 10 Jahre) verworfen. Anderenfalls gibt es auch die Möglichkeit, nicht gebrauchte Embryonen für Versuchszwecke freizugegeben. So, argumentiert man, bekommen jene Embryonen wenigstens im Nachhinein noch einen guten Zweck, indem sie der medizinischen Forschung zu Diensten stehen.

3. Embryonen in vitro werden grob morphologisch auf ihre Qualität hin geprüft, bevor sie für die Implantation freigegeben werden. In bestimmten Ländern kommt zunehmend die Präimplantationsdiagnostik (PID) zur Anwendung. Nach Ablauf der ersten Teilungen wird eine Zelle aus dem Verband gelöst und auf genetische Merkmale hin untersucht. Diese Qualitätsprüfungen verfolgen eine positive, wie eine negative Selektion. Einerseits wollten Wissenschaftler und Eltern durch diese Überprüfungen Kinder mit ganz bestimmten Merkmalen zur Geburt bringen: die Designerbabys. Mehrfach wurde berichtet, dass durch diese Kinder eine geeignete Therapie für bereits lebende, kranke Geschwisterkinder bereitgestellt werden konnte. Es geht dabei um die „(Er-)Zeugung“ geeigneter Knochenmarkspender.3 Trotz international zugängiger Knochenmarksbanken, und zuletzt auch Nabelschnur-Stammzellbanken, vereiteln Unverträglichkeitsreaktionen die Wirksamkeit der therapeutischen Bemühungen. Die nahen Verwandtschaftsverhältnisse und die ganz gezielt ausgewählten genetischen Merkmale des erzeugten Babys geben Aussicht auf Therapieerfolg des kranken Geschwisterkindes.

Andererseits hat der forensische Druck vergangener Richtersprüche nach der Geburt missgebildeter Kinder dem Sicherheitsdenken enormen Vorschub geleistet. Die PID wird in diesen Fällen zur Absicherungsstrategie für Embryonenerzeuger und Eltern: das Ergebnis der „Produktion“ eines in vitro erzeugten Embryos soll sein, dass dieser auch wirklich „einwandfrei“ ist. Er wird kontrolliert und nach bestimmten Kriterien beurteilt. Genetische Menschen-Qualitätskriterien kommen dabei zur Anwendung.

Nicht in allen Staaten kommt diese Vorgangsweise zur Anwendung. In Deutschland wird vorerst nur diskutiert, wobei man sich wiederholt gegen eine PID-Zulassung ausgesprochen hat. Die Bundesärztekammer hätte für den möglichen Fall der Zulassung eine sehr strenge Vorgangsweise geplant, die nur in ganz seltenen ausgewählten Fällen zur Anwendung kommen dürfe. Die Liste der Krankheiten für die Rasterfahndung der Embryonalzellen ist aber nicht unproblematisch, denkt man beispielsweise daran, welchen Affront die Auflistung der Störungen für jene Menschen darstellen muss, die gerade an diesen Krankheiten leiden. In Zukunft werden Personen ihrer Art (mit dieser Krankheit) zum Leben nicht mehr „zugelassen“.

In anderen Ländern geht das „Angebot“ an IVF gegenüber Eltern bereits weiter. Spezielle fortpflanzungsmedizinische Zentren bieten die Geschlechtsauswahl an: entweder werden nur männliche, oder nur weibliche Embryonen transferiert. Neuerdings wurde auch ein Verfahren entwickelt, das vor der Befruchtung selektiert: x-tragende Spermien werden von y-tragenden getrennt. Die Befruchtung wird dann durch den vorher „gereinigten“ Samen durchgeführt.

4. IvFertilisierungen werden mancherorts (England, Schweden, Niederlande, siehe Anhang) auch rein zu Forschungszwecken durchgeführt. Dem Konzept nach werden diese Embryonen bloß zu wissenschaftlichen Zwecken produziert und genießen keinen Lebensschutz. Ihre Aufgabe besteht rein in ihrer Zweckdienlichkeit, gezielte Forschung zu ermöglichen und den Wissensstand zu erweitern.

Der Rechtsstatus

Der Status quo ist zwangsläufig ein Spiegel des Rechtsstatus, weil nur gemacht werden kann, was erlaubt, bzw. nicht verboten ist, und der Status quo wiederum dient auch als Bezugspunkt für die gesetzlichen Regelungen. Aus den Erläuterungen geht deutlich hervor, dass sich der Status quo des Embryos in vitro in wesentlichen Punkten von jenem innerhalb des Mutterleibes unterscheidet. Die ersten Entwicklungen und Erfolge der Fruchtbarkeitsmedizin vor etwa 20 Jahren und die vordem nicht gekannte Verfügbarkeit über menschliche Embryonen und Geschlechtszellen haben die Festmachung durch gesetzliche Regelungen notwendig gemacht. Die erste Welle der Gesetzeserlässe fand vor 10-15 Jahren statt. Zum ersten Mal wird deutlich, dass zwischen Embryonen „normaler“ Konzeption und künstlich befruchteten Embryonen im Reagenzglas unterschieden wird. Bestimmte Rechte des Nasciturus werden im Fall der ivEmbryonen nur unter definierten Bedingungen anerkannt. Der wichtigste empirische Unterschied zwischen den beiden ist die Ungeschütztheit des Embryos in vitro. Er wird bewusst dem Zugriff anderer Menschen und der Forschung ausgesetzt, und innerhalb eines abgesteckten Rahmens gesetzlich sanktioniert.

Obwohl sich der Großteil der Gesetzesregelungen für den Schutz des Embryos in vitro verbürgt und für seine Würde garantieren will, gibt es „Schlupflöcher“, die auf gesetzlichem Boden eine Abstufung des Würdeschutzes vornehmen und eine Ungleichstellung bewirken. Der deutsche Gesetzgeber sieht in seinen strengen Bestimmungen vor, dass nur so viele Embryonen in vitro erzeugt werden dürfen, wie danach implantiert werden. Trotzdem gibt es einen offiziellen Bestand von mehreren dutzenden Embryonen, die nicht zur Implantation gekommen sind, weil die Mutter plötzlich krank wurde oder verstarb oder ein anderer gewichtiger Grund gegen die Implantation sprach. Selbst bei den strengsten Regelungen, kommen überzählige Embryonen vor, deren Schicksal ungewiss ist. In vielen anderen Ländern ist der Gesetzgeber aber viel weitergegangen.

1. Mehrere gesetzliche Regelungen gewähren dem Embryo in vitro keinen unbedingten, sondern nur einen abgestuften Schutz.4 Überzählige Embryonen können bis zum 14. Lebenstag an die Forschung weitergegeben werden, wie es mindestens 7 nationale Gesetzgeber vorsehen. Die Schutzwürdigkeit hängt vom Lebensalter (bis zum 14.Tag ungeschützt), vom Wohlwollen der Entscheidungsträger, von den konkreten Umständen und der technischen Machbarkeit ab. Beispielsweise schreibt der österreichische Gesetzgeber ein (einzigartiges) „Tötungsgebot“ für tiefgefrorene Embryonen nach Ablauf eines Jahres vor. Die Solidargemeinschaft lässt also für die Bewertung des Lebensschutzes von Embryonen in vitro eine Güterabwägung zu. Die Interessen der Umgebung werden gegen die Überlebensinteressen des unbewussten Nicht-Geborenen abgewogen. Die Verdinglichung des Embryos in vitro ist im Rechtsstatus quasi festgeschrieben.

2. Über den Embryo in vitro erlangen legitimiert zahlreiche Menschen Verfügungsmacht, obwohl sie in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis zu ihm stehen. Nicht alle Verfügungsmöglichkeiten garantieren die Überlebensinteressen des Embryos: Kryokonservierung, Verwerfung nach einer bestimmten Frist, in einigen Fällen Verbrauch aus Wissenschaftszwecken etc. Wenigstens hohe Risken für Gesundheit (Kryokonservierung), oder sogar die Vernichtung des beginnenden Lebens sind die Folge. Darf paternalistisches Verhalten die Auslöschung menschlichen Lebens anstreben und, wenn ja, kann es verantwortet werden?

3. Der Gesetzgeber schreibt vor, dass der Embryo in vitro kontrolliert und überprüft erden muss bevor er ausgewählt und implantiert oder kryokonserviert werden kann. Im Falle der PID werden zusätzlich bestimmte Qualitätsmaßstäbe angewandt, was Selektion bedeutet. Der Lebensschutz für Embryonen im Reagenzglas wird an willkürliche, fremdbestimmte Qualitätskriterien gebunden.

Bei der Einführung der IVF wurde eine derartige Entwicklung sicher nicht beabsichtigt, breit gesteckte Paragraphen und ungezügelter Forscherdrang haben in nur wenigen Jahren aber weiter geführt, als anfangs erahnt werden konnte. Dazu kommt, dass strenge Gesetzgebungen, wie etwa die deutsche Regelung, bereits nach 10 Jahren durch den massiven Druck einiger Wissenschaftler und der gezielt manipulierten öffentlichen Meinung neuerdings Diskussionsgegenstand geworden sind. Die Entscheidung des dt. Bundestages vom 30. Jänner 2002 hat die Möglichkeit der embryonenverbrauchenden Forschung ausgeschlossen, obwohl diese zur Wahl gestellt wurde. Embryonale Stammzellen, die im eigenen Land nicht hergestellt werden dürfen importiert werden. Auch die österreichische Gesellschaft für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie hat in einer Deklaration verlangt, viele strenge Bestimmungen zu lockern (Verlängerung der Aufbewahrungsfrist für kryokonservierte Embryonen auf 10 Jahre, Zulassung von PID, Forschung an Embryonen).5 Neidvoll wird auf liberalere Länder geblickt, die größere Freiheiten für die Forschung bieten. Die öffentliche Debatte hat verdeutlicht, dass in unserer pluralistischen Gesellschaft die Forschungsfreiheit über Werten gehandelt wird, die das Lebensrecht des unentwickelten Ungeborenen im Reagenzglas prinzipiell schützen. Die künstliche Befruchtung wird bereits seit Jahren von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen. Die Skepsis der anfänglichen Gegner ist zum Teil geschwunden und vornehmlich aus der öffentlichen Meinung ausgeblendet. Im Rückblick auf etwa 20 Jahre, die seit ihrer Einführung verstrichen sind, sprechen die Erfahrungen nicht nur von Triumphen (zum Teil gekonnt medial inszeniert und gefeiert), wie etwa die Erfüllung des Kindeswunsches (durch entzückende Babyfotos belegt), die weltweit bereits 1 Millionen-mal gelungen ist.6 Im Gegenteil, die Verfügbarmachung des Embryos wird teuer bezahlt und kommt einer berühmt gewordenen Analogie des Deutschen Bundeskanzlers Rau dem Überschreiten des „Rubikons“ gleich.7 Ein breites unüberschaubares und zum Teil unlösbares Geflecht bioethischer und biopolitischer Probleme ist die Folge. Immer häufiger sieht sich die Gesellschaft vor Situationen gestellt, die Aporien, echten Ausweglosigkeiten gleichkommen, weil ganz gleich, wie man es dreht und wendet, keine ethisch saubere Lösung mehr gefunden werden kann. Man erinnere sich beispielsweise an den Bericht von den vertauschten Embryonen, die irrtümlich der „falschen“ Mutter eingesetzt wurden;8 an den heißen Sommer des Jahres 1996, in dem England an die 3.000 elternlose Embryonen aus der Kryokonservierung in die Verwerfung überführte,9 an den verzweifelten Fallbericht aus den USA, wo eine Leihmutter ein Kind ausgetragen hatte, dessen biologische Eltern sich mittlerweile scheiden haben lassen, wonach keiner mehr Interesse an dem Neugeborenen hatte, an das Zwillings-Baby nach IVF, das wegen einer Geburtsschädigung von den Eltern abgelehnt und nicht mit nach Hause genommen wurde, an die „Aufopferung“ zahlreicher gesunder Embryonen, bis das Designerbaby erzeugt wird10 etc.

Der moralische Status des Embryos in vitro

Aus dieser Analyse geht also hervor, dass das unterschiedliche Verhalten der Gesellschaft Embryonen in utero und in vitro gegenüber nicht Folge einer Missachtung der Gesetze ist, sondern wesentlich auf den unterschiedlichen Rechtstatus zurückzuführen ist, den ihnen die Gesellschaft zugewiesen hat. Die Frage ist nun, ob auch im moralischen Status eine Unterscheidung gemacht werden kann, die die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnte.

In dieser Frage sind zwei ethische Traditionen vorherrschend: zunächst die in Plato und Aristoteles beginnende Ethikströmung, die im Laufe der Geschichte ganz besonders von Augustinus und Thomas von Aquin ausgearbeitet und vertieft wurde und heute noch dank namhafter zeitgenössischer Vertreter wie McIntyre, Grisez, Rhonheimer, Schockenhoff, Finis, Pöltner, Spaemann u.a. unser Denken mitprägt. Für die Ethiker dieser Tradition ist der moralische Status des Menschen an den Personenbegriff gebunden: Person ist jede individuelle, vernunftbegabte Natur. Wesentlich an ihr ist die Unabwägbarkeit ihrer Würde. Im Würdebegriff trifft sich diese ethische Lehre mit Kant. Seiner Auffassung gemäß widerspricht es der Würde des Menschen, verdinglicht zu werden. Es steht ihm zu, um seiner selbst willen geachtet, respektiert und geliebt zu werden. Er schreibt: „Im Reich der Zwecke hat alles entweder einen Preis, oder eine Würde. Was einen Preis hat, an dessen Stelle kann auch etwas anderes, als Äquivalent gesetzt werden. Was über allen Preis erhaben ist, mithin kein Äquivalent verstattet, das hat eine Würde.“11 Der Mensch kann also nicht aufgewogen werden. Kein Preis kann jemals hoch genug sein. Sein Wert ist unermesslich, weil er Würde hat. Daraus, so schließt wiederum Kant, leitet sich der praktische Imperativ ab: „Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest.“12 Für diese zwei großen ethischen Traditionen unseres Kulturkreises besteht der moralische Status des Menschen darin, Träger einer unermesslichen und daher unabwägbaren Würde zu sein. Dies bedeutet, dass der Mensch Adressat unbedingter Verpflichtungen von Seiten der Mitmenschen und Träger unbedingter Rechte, wie etwa des Rechtes auf Leben und des Selbstbestimmungsrechtes ist.13

Die Kernfrage ist nun, ob für den menschlichen Embryo der gleiche moralische Status gelten soll, obwohl er ganz offensichtlich nicht die gleiche moralische Fähigkeit besitzt wie ein Erwachsener. Der Embryo ist ja zur Selbstbestimmung nicht fähig. Die Argumentationen oben zitierter Traditionen behaupten, dass auch der Embryo Träger der unabwägbaren Würde und daher Adressat von unbedingten Pflichten und entsprechenden unbedingten Rechten ist. Der moralische Status ist empirisch nicht feststellbar, weil er keine empirische Größe ist. Das heißt hier ganz konkret, dass die Menschenwürde nicht an das Vorhandensein von irgendwelchen Eigenschaften, wie etwa das Bewusstsein, gebunden ist.14 Enskat hat endeutig aufgezeigt, dass eine Reduktion des moralischen Status auf die moralische Fähigkeit ein unbegründeter naturalistischer Fehlschluss ist.15 Dieser wird meist in der Argumentation begangen, die sich auf Kant berufen und dem Embryo keine unbedingten Rechte anerkennen wollen.16 „Die Identität, die ein Mensch in seiner embryonalen Gestalt mit einem Adressaten einer unbedingten Verpflichtung und Träger des korrespondierenden unbedingten Rechtes innehat, ist daher unabhängig davon, ob dieser Mensch in seiner erwachsenen Gestalt diese Identität wahrnimmt oder nicht, und ebenso unabhängig davon, ob er durch seine Entwicklung überhaupt die Chance erhält oder nicht, ein Reifeniveau seiner Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kräfte zu erlangen, das ihm erlaubt, diese Identität wahrzunehmen(...). Die Unabhängigkeit dieses moralischen Status von allen entwicklungsabhängigen Faktoren führt daher zur Einsicht, dass ein Mensch diesen Status schon seit dem frühesten Zeitpunkt seiner embryonalen Existenz innehat.“17 Pöltner drückt es so aus: „Es hat nicht etwas zu sein angefangen, was dann zu Jemand geworden ist. Jemand, der sich selbst und anderen verborgen ist, hat angefangen und kommt zu sich. Sonst hätten unsere Eltern nicht und selbst gezeugt, sondern Etwas, was sich zu uns selbst entwickelt hat.“18

Mit einem Wort: Person und daher Träger unabwägbarer Menschenwürde ist jedes Individuum der Spezies Mensch, unabhängig davon, ob er seine prinzipiell zukommende moralische Fähigkeit noch entwickeln muss (Embryo), zwischenzeitlich nicht aktualisiert (Mensch in Schlaf oder Koma) oder nicht mehr aktualisieren kann (Demenz). Eine Einschränkung der Menschenwürde in den Perioden der nicht aktualisierten moralischen Fähigkeit entbehrt jeder konsistenten Grundlage und widerspricht den wohlbegründeten Argumenten der Potentialität19, Identität20 und Kontinuität.21

Diese Überlegungen klären auch die Frage, ob der Embryo in vitro einen anderen moralischen Status besitzt, als der in utero, was eindeutig mit nein zu beantworten ist. Die äußeren Umstände seiner Entstehung –Erzeugung im Labor (vgl. Aufzählung beim Abschnitt Rechtsstatuts des Embryo in Vitro) – widersprechen und verletzen seine Würde und verändern sein Status ( statt Träger von Rechten und Pflichten zu sein, Verdinglichung des Embryos). Stichhältige Hinweise für einen nicht-personalen Status bleiben sie schuldig.

Der unterschiedliche Rechtsstatus der Embryonen bewirkt eine Aufteilung der erwachsenen Menschen in zwei Klassen. Die einen, die ihr Leben einzig der mehr oder weniger vollkommenen Liebe der Eltern verdanken und jene anderen, deren Entstehung nur durch Samen- und Eispende und eventuell dank einer Leihmutter geschehen konnte. Sie überlebten ihren Erzeugungsprozess nur, weil andere Beteiligte eine explizite Entscheidung getroffen haben, sie nicht zu töten, obwohl sie das Recht dazu gehabt hätten. Diese Zweiteilung der Menschheit, die bis in die tiefsten Wurzeln des Seins reicht, widerspricht unserem moralischen Empfinden und verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz. Analog dazu spricht sich auch Habermas gegen die asymmetrische Beziehungsstruktur aus, die notwendigerweise zu menschlichen Individuen entstehen, die gentechnisch manipuliert wurden.22

Schlussbemerkung

Der moralischen Status des Embryos in vitro und in utero lässt eine Unterscheidung nicht zu. Innerhalb und außerhalb des Mutterleibes ist er der gleiche. Selbst wenn die schützende Hülle des Uterus fehlt und die ersten Entwicklungsschritte der Betrachtung zugänglich sind, handelt es sich, gleich wie beim Embryo im Mutterschoß, um einen Menschen in seinen allerersten Daseinsmomenten. Der empirische Unterschied ist groß und besteht nicht nur in der Unschützbarkeit und konsekutiven Verdinglichung des einen im Vergleich mit dem anderen, sondern in der Verletzung der Menschenwürde, die bereits mit der Anwendung der Technik beginnt. Die Erzeugung von Menschen im Reagenzglas wird somit prinzipiell in Frage gestellt. Weil er nicht geschützt werden kann und weil die Erzeugung seiner Würde immanent widerspricht, sollte der Mensch in vitro nicht hergestellt werden.

Anhang:
Embryonengesetze im Vergleich

Die Embryonenforschung wird in Europa sehr uneinheitlich gehandhabt. Einige Staaten haben noch keine rechtlichen Regelungen. Besipielsweise in Deutschland und Irland gelten strikte Verbote, in Großbritannien und Schweden hingegen liberale Bestimmungen.

Belgien: Zwei Gesetzesentwürfe liegen vor, zur Forschung an und zum Schutz von Embryonen. Geplant sind Verbote des therapeutischen Klonens und der Erzeugung von Embryonen für die Forschung. Dagegen soll Forschung an überzähligen Embryonen unter bestimmten Bedingungen erlaubt werden: Sie dürfen nicht älter als 14 Tage sein.

Dänemark: Reproduktives und therapeutisches Klonen sind untersagt. Forschung an Embryonen ist unter zwei Bedingungen erlaubt: zur Verbesserung von Techniken der IVF und der Präimplantationsdiagnostik (PID). Überzählige Embryonen dürfen nicht benutzt werden. Geforscht werden darf nur an In-vitro-Embryonen vor der Einpflanzung, sie dürfen aber nicht älter als 14 Tage sein.

Deutschland: Die Forschung an Embryonen und die Herstellung von embryonalen Stammzellen (ES) sind durch das 1992 erlassene Embryonenschutzgesetz verboten. Ebenso sind reproduktives und therapeutisches Klonen untersagt. Am 30. Januar 2001 wurde der Import von ES erlaubt.

Finnland: Reproduktives und therapeutisches Klonen sind verboten. Seit 1999 ist die Forschung an Embryonen bis zum 14. Tag gesetzlich erlaubt, Embryonen können bis zu 15 Jahre lang eingefroren werden. Ihre Herstellung zu reinen Forschungszwecken ist verboten. Für die Herstellung von ES gibt es keine Bestimmungen.

Frankreich: Reproduktives Klonen ist verboten. Seit 1994 ist die Forschung an Embryonen nur unter Auflagen erlaubt: Sie muss fortpflanzungsmedizinischen Zwecken dienen. Auch die Herstellung von Embryonen darf nur zu Fortpflanzungszwecken erfolgen. An ES darf grundsätzlich geforscht werden. Debattiert wird, ob aus überzähligen Embryonen Stammzellen gewonnen und therapeutisches Klonen erlaubt werden sollen.

Griechenland: Es gibt keine gesetzlichen Regelungen. Reproduktives und therapeutisches Klonen sind gemäß einer Erklärung der allgemeinen Gesundheitsbehörde untersagt. Embryonenforschung ist bis zum 14. Tag nach der Befruchtung zulässig. Empfohlen wird, überzählige Embryonen zu lagern. Sie können zu Forschungszwecken gespendet werden.

Großbritannien: Seit 1990 ist Forschung an Embryonen bis zum 14. Tag aus fünf Gründen erlaubt, etwa zur Verbesserung von IVF und PID. Im Januar 2001 kam die Erlaubnis zum therapeutischen Klonen mit bestimmten Zielsetzungen hinzu: um mehr Wissen über die Entwicklung von Embryos zu erlangen und zur Entwicklung von Therapien für schwerwiegende Erkrankungen. Die Lizenzierung von Forschungsprojekten obliegt der 1990 eingerichteten Behörde Human Fertilization and Embryology Authority. Reproduktives Klonen wurde verboten.

Irland: Die Forschung an Embryonen ist implizit verboten und somit auch das therapeutische und reproduktive Klonen.

Italien: In der neuen gesetzlichen Regelung (Juni 2002) wird jede Art des Klonens und das Experimentieren an Embryonen in vitro ausdrücklich verboten.

Luxemburg: Ein Gesetzesentwurf verbietet therapeutisches Klonen und die Zeugung zu anderen Zwecken als der Fortpflanzung. Er erlaubt die Verwendung überzähliger Embryonen zu Forschungszwecken nur, wenn sie den Embryo nicht schädigen. Die Kommission für Medizin und Reproduktionsbiologie muss der Forschung zustimmen.

Niederlande: Ein Gesetzesentwurf genehmigt die Forschung an Embryonen, die jünger als 15 Tage sind, und auch die Gewinnung von ES daraus. Zudem ist die Erzeugung von Embryonen zu Forschungszwecken unter bestimmten Auflagen genehmigt. Forschung an überzähligen Embryonen wird jedoch vorgezogen. Reproduktives Klonen ist verboten.

Österreich: Das österreichische Gesetz zur reproduktiven Medizin besagt, dass Zellen mit Entwicklungspotenzial und Embryonen ausschließlich zu Fortpflanzungszwecken verwendet werden dürfen. Experimentieren an menschlichen Embryonen ist untersagt.

Portugal: Derzeit bestehen keine gesetzlichen Regelungen. Ein Gesetz zur Reproduktionsmedizin scheiterte 1998 am Veto des Staatspräsidenten. Bestimmungen zur Embryonenforschung und ein Verbot des reproduktiven Klonens sind geplant.

Schweden: Reproduktives Klonen ist untersagt. Seit 1991 ist Forschung an Embryonen bis zum 14. Tag erlaubt, ebenso ihre Herstellung zu Forschungszwecken. Nach 14 Tagen müssen sie zerstört werden, die Implantation beforschter Embryonen ist ausdrücklich verboten. Der nationale schwedische Wissenschaftsrat befürwortet therapeutisches Klonen sowie die Forschung an ES.

Schweiz: Der Schweizer Nationalfonds hat am 28. September 2001 die Förderung eines Forschungsprojektes mit importierten embryonalen Stammzellen bewilligt. Vorausgegangen war die Empfehlung eines Expertengremiums. Der Schweizer Nationalfonds hat nun den Gesetzgeber aufgefordert, die Herstellung menschlicher Stammzellen aus überzähligen Embryonen zu regeln. Klonen ist bislang verboten.

Spanien: Die Regelungen sind sehr kompliziert. Reproduktives und therapeutisches Klonen sind untersagt. Forschung an lebensfähigen Embryonen ist bis zum 14. Tag erlaubt, sofern sie therapeutischen, diagnostischen oder präventiven Zwecken dient. Forschung an nicht lebensfähigen oder toten Embryonen aus der Reproduktionsmedizin ist unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, ebenso wie die Forschung an abgetriebenen Embryonen, die älter als 14 Tage sind. Forschung an embryonalen Stammzellen (ES) ist nicht ausdrücklich verboten.

Quelle: Die Zeit, Wissen 05/2002, durch die Autorin aktualisiert.

Referenzen

  1. In diesem Beitrag wird von der wohlbegründeten Annahme ausgegangen, dass der Embryo ab seiner Entstehung – Verschmelzen von Ei- und Samenzelle – als Individuum seinen Anfang genommen hat.
  2. Vgl. Hansen, M. et al., The risk of major birth defects after intracytoplasmatic sperm injection and in vitro fertilization,  NEJM (2002) 10; Winston, R.M.L., Hardy, K., Are we ignoring potential dangers of in vitro fertilzation and related treatments?  Nature Cell Biology & Nature Medicine Fertility Supplement (2002), 14- 18
  3. Vgl. Britisches Designer-Baby in den USA gezeugt, Pressetext 16.10.2001
  4. Siehe Anhang: Internationaler  Vergleich der rechtlichen Regelungen
  5. Vgl. Enquete „Fortpflanzungsmedizin-Ethik und Rechtspolitik“ im Österr. Justizinisterium, 22.11.2000
  6. Vgl. Drillinge-die Schattenseite der Fortpflanzungsmedizin, Babys auf Rezept, Spiegel 4/2002
  7. Vgl. Berliner Rede des Bundespräsidenten Rau. Imago Hominis (2001) 2: S.155
  8. Vgl. Auner, N., Wenn Menschen Menschen machen, Imago Hominis (1997) 1: S.7-8
  9. Vgl. Nachrichten. In: Imago Hominis (1996) 1
  10. Vgl. Fußnote 3
  11. Kant, I., Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Philip Reclam (1984), S.87
  12. Kant, I., Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Philip Reclam (1984), S.79
  13. Enskat, R., Pro Identitätsargument. In: Damschen, G., Schönecker, D., Der moralische Status menschlicher Embryonen, Walter de Gruyter, Berlin (2002), S.107
  14. Spaemann, R., Personen. Versuche über den Unterschied zwischen „etwas“ und „jemand“, Klett-Cotta (1998); Spaemann, R., Wer jemand ist, ist es immer. In: Geyer, Ch., Biopolitik. Die Positionen, Suhrkamp, Frankfurt am Main (2001), S.73-81; Pöltner, G., Die konsequentialistische Begründung des Lebensschutzes. In: Zeitschrift für philosophische Forschung, Band 47, Heft 2 (1993): S.184-203 nd
  15. Enskat, R., Pro Identitätsargument. In: Damschen, G., Schönecker, D., Der moralische Status menschlicher Embryonen, Walter de Gruyter, Berlin (2002), S.123
  16. Vgl. z.B.: Stoecker, R., Contra Identitätsargument: Mein Embryo und ich. In: Damschen, G., Schönecker, D., Der moralische Status menschlicher Embryonen, Walter de Gruyter, Berlin (2002), S.129-145; Birnbacher, D., Ethische Probleme der Embryonenforschung. In: Beckmann, J.P. (Hrsg.), Fragen und Probleme einer medizinischen Ethik, De Gruyter, Berlin (1966), S.228; Merkel, R., Rechte für Embryonen?, Die Zeit, Hamburg, 2001/05; Hoerster, N., Ethik des Embryonenschutzes. Ein rechtsphilosphischer Essay, Reclam, Stuttgart (2002); Schöne-Seifert, B., Von Anfang an?, Die Zeit, Hamburg, 2001/09; Harris, J., Clones, Genes, and Immortality, Oxford University Press (1998)
  17. Enskat, R., Pro Identitätsargument. In: Damschen, G., Schönecker, D., Der moralische Status menschlicher Embryonen, Walter de Gruyter, Berlin (2002), S.124
  18. Vgl. Pöltner, G., Vortrag bei den Mariazeller Gesprächen, Oktober 2002
  19. Wieland, W., Pro Potentialitätsargument: Moralfähigkeit als Grundlage von Würde und Lebensschutz. In: Damschen, G., Schönecker, D., Der moralische Status menschlicher Embryonen, Walter de Gruyter, Berlin (2002), S.149-168; Pöltner, G., Die konsequentialistische Begründung des Lebensschutzes. In: Zeitschrift für philosophische Forschung, Band 47, Heft 2 (1993): 184-203; Rhonheimer, M., Die absolute Herrschaft der Geborenen?, Imabe-Studie, Wien (1995)
  20. Enskat, R., Pro Identitätsargument. In: Damschen, G., Schönecker, D., Der moralische Status menschlicher Embryonen, Walter de Gruyter, Berlin (2002), S. 101-127
  21. Honnefelder, L., Pro Kontinuumsargument. In: Damschen, G., Schönecker, D., Der moralische Status menschlicher Embryonen, Walter de Gruyter, Berlin (2002), S.61-81
  22. Habermas, J., Die Zukunft der menschlichen Natur.  Auf dem Weg zu einer liberalen Eugenik?, Suhrkamp Verlag (2001)

Anschrift der Autorin:

Dr. Notburga AUNER
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Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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