Bioethik aktuell

Demenz: Spitäler sind überfordert bei Patienten mit kognitiven Störungen

IMABE-Symposium 18.11.2016: Demenzexperte Isfort referiert über das "Krankenhaus als ver-rückte Welt"

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Ältere Patienten, die mit der Nebendiagnose Demenz im Krankenhaus behandelt werden, benötigen eine besondere Fürsorge. Doch weder das pflegerische noch das medizinische Personal ist dafür ausreichend vorbereitet. Dies ist eines der Ergebnisse der von der Robert-Bosch-Stiftung geförderten Studie zu Demenz im Krankenhaus. Der Nachholbedarf für alters- und demenzfreundlichere Akutkrankenhäuser ist groß, resümiert Studienleiterin Martina Schäufele, Gerontologie an der Fakultät für Sozialwesen der Hochschule Mannheim.

Gemeinsam mit Kollegen von der Technischen Universität München untersuchte das Team in einer repräsentativen Studie die Häufigkeit und Versorgungssituation bei kognitiven Störungen und Demenz in mehr als 30 deutschen Allgemeinkrankenhäusern. Das Ergebnis: 40 Prozent aller über 65-jährigen Patienten wiesen leichte bis schwere kognitive Störungen auf, fast jeder fünfte ältere Spitalspatient litt an der Nebendiagnose Demenz. Für die Studie haben die Forscher über zwei Jahre rund 1.500 Patienten untersucht. Auffallend war, dass die Diagnose bei gut zwei Drittel der Demenzkranken zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme nicht bekannt war. Die Experten empfehlen deshalb bei der Spitalsaufnahme einen kognitiven Screeningtest, der auch leichte dementielle Störungen zuverlässig erkennt.

Demenzkranke entwickeln in der ungewohnten Umgebung oft Ängste. Sie versuchen, die Klinik zu verlassen, können bei Diagnose, Behandlung, Körperpflege nicht mitwirken. Neben kognitiven Beeinträchtigungen zeigten nahezu 80 Prozent zusätzliche Verhaltensauffälligkeiten wie nächtliche Unruhe, Umtriebigkeit und Aggressivität, die den Umgang mit ihnen erschwerten. Die Daten zeigen, dass Patienten mit Demenz von Seiten des pflegerischen und medizinischen Personals mehr Zeit, Zuwendung und Beaufsichtigung benötigen. Allerdings: Spezielle Betreuungsangebote für Demenzpatienten sind laut Studie selten. Auch Pflege- und Betreuungskräfte mit spezieller Ausbildung gebe es nur wenige. Schulung und Weiterbildung zum Thema Demenz seien die Ausnahme.

Bereits 2012 hatte eine Studie dringenden Nachholbedarf gezeigt: Bei 74 Prozent der Gesundheits- und Krankenpflegeauszubildenden treten Kompetenzunsicherheiten auf, wenn Demenzpatienten aggressiv sind. 64,9 Prozent haben Probleme, die Bedürfnisse der an Demenz erkrankten Menschen zu erkennen. Gut die Hälfte der Auszubildenden (56,3 Prozent) fühlt sich im Umgang mit den Angehörigen schlecht vorbereitet (vgl. Bioethik aktuell, 13.2.2012).

Dies führt zu gravierenden Mängeln in der Behandlung der Patienten, wie eine vom Kölner Pflegewissenschaftler Michael Isfort geleitete Studie des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung zeigte (vgl. Pressemitteilung, online, 2014). Hochgerechnet auf alle Krankenhäuser würden in Deutschland pro Jahr rund 2,6 Millionen sedierende Medikamentengaben verabreicht und rund 500.000 „meist unnötige Fixierungen“ vorgenommen, so Isfort.

Pflegeexperte Michael Isfort spricht am Symposium DER DEMENZKRANKE ALS MITMENSCH: HERAUSFORDERUNG AN PFLEGE UND MEDIZIN am 18. November 2016 in Wien über „Menschen mit Demenz im Krankenhaus: eine ver-rückte Welt“. Eine hochkarätige Expertenrunde wird aktuelle Herausforderungen und neue Perspektiven in der Betreuung von Demenzkranken diskutieren. Anmeldungen zum Symposium sind ab sofort möglich.

Institut für Medizinische
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