Bioethik aktuell

Ethik: Künstlicher Wachstums-Stopp bei behindertem Mädchen bedenklich

Neunjährige wird von US-Ärzten auf Elternwunsch „klein und pflegeleicht“ gehalten

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Der Fall der schwerstbehinderten neunjährigen Ashley aus Seattle, deren körperliche Entwicklung durch Operationen und Hormontherapien auf Wunsch der Eltern gestoppt wurde, löste eine heftige ethische Debatte aus. Argumente, die gegen den Eingriff sprechen, knüpfen an die Tatsache, dass hier weniger das Kindeswohl als die Interessen der Eltern - die geringe Körpergröße erleichtere die Pflege des Kindes - im Vordergrund stehen. In unserer Gesellschaft steigt die Tendenz, die Integrität des Körpers zu „opfern“, um ihn anderen Zwecken dienstbar zu machen - sei es nun zu Schönheitszwecken oder um ihn durch Verstümmelung „pflegeleichter“ zu machen, kritisiert der amerikanische Bioethiker Michael Cook in der australischen Tageszeitung The Sidney Morning Herold (15. 01. 2007). Dass die Behandlung das eigentliche Problem löst, wie nämlich Eltern von schwer behinderten Kindern unterstützt werden, verneint auch Arthur Caplan, Direktor des Center for Bioethics at the University of Pennsylvania. Für ihn stellt Ashleys Behandlung die „pharmakologische Lösung für ein soziales Problem“ dar. Er fordert mehr Unterstützung für Eltern behinderter Kinder. Die neunjährige Ashley leidet an statischer Enzephalopathie, einem irreparablen Gehirnschaden. Das Mädchen kann nicht gehen, sprechen oder ihren Kopf selbstständig halten und befindet sich geistig im Zustand eines Babys. Als Ashley sechs Jahre alt war, begannen die Ärzte mit der Behandlung: Hohe Dosen des Hormons Östrogen sollten ihre Größe und Gewicht „einfrieren“. Die Mediziner sterilisierten das Kind. Ashleys Ärzte, Daniel Gunther und Douglas Diekema, schrieben in ihrem Artikel in der Fachzeitschrift Archives of Pediatrics and Adolescent Medicine (2006; 160: 1013-1017), dass die Behandlung die größten Bürden von der Familie genommen habe und der Nutzen die Risiken überwiege. So könnten die Eltern ihr Kind nun besser und länger zu Hause versorgen. Eine Argumentation, die Jeffrey P. Brosco von der University Miami im Vorwort der selben Ausgabe als fragwürdig bezeichnet. Medizinisch sei völlig unklar, ob die starke Östrogen-Behandlung den gewünschten „Erfolg“ bringen werde, kritisiert Brosco. Ashley bleibt zwar klein, aber sie kann durchaus schwerer werden. Auch andere mögliche Nebenwirkungen der hohen Hormondosis habe man ausgeblendet.

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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