Bioethik aktuell

Genetik: Medienrummel um Herstellung des ersten synthetischen Bakteriums

Technologie ohne Schöpfungsakt – auf Craig Venters geniale Selbstvermarktung folgt Nüchternheit

Lesezeit: 01:59 Minuten

Dem US-Genetiker und Biotechnologe Craig Venter und seinem Team gelang es, ein Bakterium mit einem künstlichen Genom auszustatten. „Die Möglichkeit, die Software des Lebens umzuschreiben, wird eine neue Ära der Wissenschaft einleiten - und mit ihr neue Produkte und Anwendungsmöglichkeiten ergeben“, erklärte Venters Unternehmen J. Craig Venter Institute. Das Team veröffentlichte seine Ergebnisse in Science (2010; doi:10.1126/science.1190719). Sind die neuen Zellen tatsächlich ein „Schöpfungsakt“? Venter selbst spricht von der „ersten, sich selbst reproduzierenden Spezies auf unserem Planeten, deren Eltern ein Computer sind“. Er sieht darin einen entscheidenden Schritt hin zu künstlichem Leben, zu einer Biologie der Ingenieure, die Lebewesen am Reißbrett entwerfen. Etwas bescheidender geben sich Kollegen und Kommentatoren: Venters pompös verkündete „synthetische Biologie“ ist eine Biologie aus dem Setzkasten - für Einzeller, Würmer und Mollusken, er sei ein genialer Selbstvermarkter und Wortschöpfer, kommentiert die Süddeutsche Zeitung (online, 21. 05. 2010).

Mit ihrer jetzt vorgestellten Forschungsarbeit haben Venter und seine Kollegen vor allem den Beweis erbracht, dass ein im Labor hergestelltes Genom überhaupt funktionstüchtig ist, wenn man es in eine Zelle ohne eigenes Erbgut verpflanzt. Allein dazu waren rund 40 Millionen Dollar - 32 Millionen Euro - nötig, sowie ein Team von 20 Forschern, das mehr als zehn Jahre lang mit dieser Aufgabe beschäftigt war. Die Wissenschaftler, so die Berliner Zeitung (online, 21. 05. 2010) hätten bisher aber weder ein völlig neues Genom konstruiert, noch ein vollständig künstliches Lebewesen geschaffen. Sie bauten das Erbgut eines Bakteriums nach und schleusten das künstlich geschaffene Genom in ein anderes Bakterium ein.

„Leben herstellen - ist nicht schon das Zusammenspiel dieser beiden Worte ein Widerspruch?“ Der Freiburger Ethiker Giovanni Maio hält in einem bemerkenswerten Aufsatz im Technology Review (online, 28. 05. 2010) der gängigen Reduktion des Begriffes Leben auf rein naturwissenschaftliche Kategorien den Spiegel vor: Die große Differenz zwischen Leben und Ding sei, dass der Gegenstand, das künstlich hergestellte Ding eine Maschine sei, präzisiert Maio. Er sieht im Denken der Synthetischen Biologie die „Gefahr einer mechanistischen Entwertung allen Lebens“, die es nur noch auf Machbares reduziert. Demgegenüber sollte eine Haltung gefördert werden, wonach Leben „einen inneren Wert besitzt, etwas Kostbares ist, das am Ende nur als Gabe betrachtet werden kann, auf die man nicht mit Stolz blicken, sondern die man nur in Dankbarkeit annehmen kann“.

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
Unterstützt von: