Bioethik aktuell

Klinische Tests: Abgebrochene Studien überschätzen Medikamentenwirkung

Kleine Zahl von Probanden und kurze Dauer verzerren das Ergebnis

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Viele Studien sind von vornherein so angelegt, dass sie beim Erreichen bestimmter Parameter automatisch als erfolgreich beendet werden können. Immer öfters werden dann die Testreihen verkürzt: einerseits aus ethischen Gründen, um der Placebo-Patientengruppe oder anderen schwerkranken Menschen das besser Medikament nicht unnötig länger vorzuenthalten, andererseits spielen auch Einsparungsgründe spielen eine Rolle, denn: Klinische Studien sind teuer und langwierig. Nun hat ein internationales Forscherteam die verkürzten klinischen Tests unter die Lupe genommen. Ihr Ergebnis: Der frühe Abbruch der Studie birgt das Risiko, dass die positiven Effekte der untersuchten Therapie deutlich überschätzt werden, berichtet Studienleiter Dirk Bassler von der McMaster University in Hamilton/Kanada im Journal of the American Medical Association (2010; 303: 1180-1187).

Die Wissenschaftler berufen sich auf einen Vergleich von insgesamt 91 wegen Erfolgs abgekürzter Studien mit äquivalenten Untersuchungen, die über den zu Beginn geplanten Zeitraum hinweg durchgeführt wurden. Die gleichen Therapien zeigten in abgebrochenen Studien deutlich stärkere positive Effekte als in solchen Studien, die über den gesamten vorgesehenen Zeitraum liefen. Damit wäre so mancher „Erfolg“ ein nur scheinbarer, der mitunter auf Verzerrungen zurückzuführen sei. Als mögliche Ursache vermuten die Forscher bei abgebrochenen Studien einen Selektionseffekt durch zufällige Häufungen von positiven Ergebnissen zu einem frühen Zeitpunkt in der Studie. Dafür spricht auch, dass ein positiver Effekt bei Studien mit kleinen Probandenzahlen bis etwa 500 Teilnehmern überproportional hoch ausfällt, während bei umfangreicheren Studien meist auch bei frühzeitigem Abbruch realistische Ergebnisse zu Stande kamen. Die Autoren fordern, dass frühzeitig abgebrochene Studien in der Medikamentenbewertung gesondert berücksichtigt werden sollten. Sonst bestünde die Gefahr, dass der Nutzen einer Behandlung insgesamt überschätzt wird. Sie empfehlen deshalb, klinische Tests nach Möglichkeit planmäßig zu beenden, und Studien, in denen das nicht geschehen ist, grundsätzlich mit Misstrauen zu betrachten.

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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