Bioethik aktuell

Komaforschung: Neue Terminologie soll Patienten schützen

"Wachkoma" suggeriert fälschlicherweise Gehirntod und wird Patienten nicht gerecht

Lesezeit: 01:32 Minuten

Patienten mit schwer geschädigtem Gehirn, die zwar ihre Augen öffnen und schließen, scheinbar aber auf keinen Impuls aus der Außenwelt reagieren, wurden in der bisher herrschenden englischen Terminologie als in einem "anhaltenden vegetativen Zustand" befindlich bezeichnet (persistent vegetative state, PVS; im deutschen Sprachraum meist "Wachkoma" genannt): Ein Ausdruck, der Unabänderlichkeit und Gehirntod suggeriert. Das führe zum Abbruch der Rehabilitation, Vernachlässigung und manchmal zu ethisch noch bedenklicheren Entscheidungen, wie die Einstellung von Ernährung oder anderer lebenserhaltender Maßnahmen, erklärte der belgische Neurologe Gustave Moonen anlässlich der 21. Jahrestagung der Europäischen Neurologen-Gesellschaft (ENS) in Lissabon (vgl. Presseaussendung, online 30.5.2011).

Moonen schlägt nun gemeinsam mit der Europäischen Taskforce für Bewusstseinsstörungen eine neu entwickelte Terminologie vor. Moonen: "Statt eines monolithischen Terminus, der Hoffnungslosigkeit impliziert, schlagen wir eine sorgfältige Unterscheidung der subtilen Schattierungen der Zustände verminderten Bewusstseins vor, soweit wir heute imstande sind, sie zu diagnostizieren." Patienten mit einem funktionierenden Schlaf-Wach-Rhythmus, die jedoch keine Reaktion auf Anweisungen und ausschließlich reflektorische Bewegungen zeigen, komme die Bezeichnung "Wachheit ohne Kontaktaufnahme" zu; was bisher als "minimal conscious state" ("Zustand minimalen Bewusstseins") bezeichnet wurde, soll durch "minimal responsive state" ("Zustand mit minimaler Kontaktaufnahme") ersetzt werden. In Zukunft sollte "funktionales Locked-in-Syndrom" als Terminus für jene Patienten verwendet werden, die zwar keine Verhaltensreaktionen zeigen, bei denen sich aber eine annähernd normale Gehirnaktivität feststellen lässt. Sie scheinen klar bei Bewusstsein zu sein, aber nicht fähig, ihren Körper zur Kommunikation zu benützen. "Insgesamt hoffen wir, dass diese neuen Bezeichnungen einen Wandel in der ethischen Einstellung gegenüber Patienten, die seitens ihrer Umwelt mehr und nicht weniger Zuwendung brauchen, einläuten werden - denn diese Menschen haben keine Möglichkeit, ihr Recht auf menschlichen Kontakt selbst einzufordern", betonte Co-Autor Steven Laureys von der Coma Science Group in Lüttich/Belgien.

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
Unterstützt von: