Bioethik aktuell

Künstliche Befruchtung: Wunsch nach Baby ist ausschlaggebend für Kündigungsschutz

EuGH-Gutachten zu IVF-Mutterschaft wirft zahlreiche Fragen auf

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Der Kündigungsschutz für Frauen, die sich einer In-vitro-Fertilisierung unterziehen, soll greifen, sobald ein Termin für eine künstliche Befruchtung feststeht und der Chef davon Kenntnis hat. So lautet das Ergebnis eines aktuellen EuGH-Rechtsgutachtens (Az.C-506/06), dessen Anlassfall eine Salzburgerin war, die eine IVF-Behandlung vornehmen ließ und von ihrem Arbeitgeber drei Tage vor Einpflanzen der Embryonen gekündigt wurde, berichtet Focus (online 27. 11. 2007). Sie klagte ihren Arbeitgeber, er habe gegen den bestehenden Mutterschutz verstoßen. Es könne keine Schwangerschaft außerhalb des Körpers der Frau geben, entschied hingegen das OLG in zweiter Instanz, für „vielleicht künftig schwanger werdende“ Frauen gelte „kein Kündigungsschutz“ (vgl. IMABE-Newsletter Februar 2007). Der österreichische Oberste Gerichtshof legte den Fall dem EuGH vor. Nach Überzeugung des Rechtsgutachters Dámaso Ruiz-Jarabo Colomer gelten Frauen, deren befruchtete Eizellen tiefgefroren sind, nicht als schwanger, sie genießen also noch keinen besonderen Kündigungsschutz. Die Kündigung einer potenziellen IVF-Mutter sei aber dennoch rechtswidrig, weil diskriminierend, wenn der Arbeitgeber von dem geplanten Eingriff weiß und der Schwangerschaft noch zuvorkommen will, argumentierte der EuGH-Generalanwalt.

Wie ist dieser an sich erfreuliche Vorstoß zu einem Diskriminierungsschutz werdender Mütter zu bewerten? Auf jeden Fall kritisch. a) Sollte der EuGH dem Gutachten folgen, müsste hinterfragt werden, warum dieser Schutz nicht auch für Mütter gelten sollte, die dies auf natürlichem Wege geworden sind. Sie wären angesichts der rechtlichen Besserstellung von Frauen, die sich einer IVF unterziehen, ab nun diskriminiert. Denn während die einen unter besonderem Kündigungsschutz ab dem Feststehen eines Termins für das Einsetzen des Embryos in die Gebärmutter stehen (und bei der geringen Erfolgsrate der IVF nicht einmal dann klar ist, ob es tatsächlich zu einer Schwangerschaft kommt), erfahren Frauen nach einem natürlichem Zeugungsakt in der Regel erst einige Wochen später von einer bestehenden Schwangerschaft. b) Der Ansatz des EuGH-Gutachtens, mit dem möglichen Vorliegen von Diskriminierung zu argumentieren, führt sich angesichts einer normalen Zeugung ad absurdum. Denn dann müsste konsequenterweise jede fortpflanzungsfähige Frau dem Kündigungsschutz unterliegen, weil eine zukünftige Schwangerschaft möglich ist oder weil sie einmal einen Kinderwunsch geäußert hat. Einmal mehr wird deutlich, dass der Versuch, die der IVF-Technik inhärenten Widersprüchlichkeiten aufzulösen, offenbar nur zu neuen Widersprüchlichkeiten führt (vgl. Kommentar von Susanne Kummer zum Fall in Imago Hominis 1/2007, „Mutterschutz ohne Schwangerschaft?“). Das EuGH-Urteil wird für Anfang 2008 erwartet.

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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