Bioethik aktuell

Patentstreit: Neue Ausrichtung der Stammzellforschung in Sicht

Auch Deutschland verbietet Patent auf ES-Zellen nach Embryonenvernichtung

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Zellen, für deren Gewinnung menschliche Embryonen zerstört werden, dürfen in Deutschland nicht patentiert werden. Mit diesem Urteil vom 27. 11. 2012 zog der Bundesgerichtshof in Karlsruhe (BGH) einen vorläufigen Schlussstrich unter den seit dem Jahr 1999 andauernden Streit zwischen dem Bonner Stammzellforscher Oliver Brüstle und der Umweltorganisation Greenpeace. Der Rechtsstreit ging bis zum Europäischen Gerichtshof (EuGH). Der EuGH hatte ein Patentierungsverbot von ES-Zellen damit (vgl. 18. 10. 2011, Rechtssache C-34/10) damit begründet, dass die Zerstörung von Embryonen zur Gewinnung von Stammzellen und deren Verwendung als Rohstoff für die Forschung gegen den Schutz der Menschenwürde verstoße (vgl. Bioethik aktuell, 15.11.2011).

Nun war Deutschland am Zug, das EuGH-Urteil in deutsche Rechtssprechung umzusetzen. Nur dann, so das Urteil der Karlsruher Richter, wenn Stammzellen ohne die Zerstörung von Embryonen gewonnen wurden, kann deren Nutzung Patentschutz erhalten.

Diese Entscheidung hat für die Wissenschaft wohl keine besonders große Bedeutung mehr, wie sich nun abzeichnet. Inzwischen kennen Wissenschaftler mehrere, unterschiedlich gut erprobte Methoden, mit denen sie an Stammzellen kommen können, ohne Embryonen zu „verbrauchen“.

Der gesundheitspolitische Sprecher der EVP-Christdemokraten im Europäischen Parlament, Peter Liese, begrüßte die Entscheidung der deutschen Richter. „Die Entscheidung des BGH ist konsequent. Sie ist ein Sieg menschlicher und ethischer Grundwerte gegenüber den kommerziellen Interessen Einzelner. Ein Patent auf menschliche embryonale Stammzellen darf es nicht geben“, erklärte Liese (Presseaussendung, online 27. 11. 2012). Der Mediziner Liese forderte die Wissenschaftler in Deutschland und Europa auf, den Fokus nun stärker auf die ethisch vertretbare Alternativen wie adulte Stammzellen, Stammzellen aus dem Nabelschnurblut und induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen) zu legen.

Die Verleihung des diesjährigen Nobelpreises für Medizin an den Japaner Shimana Yamanka, dem es als erstem gelang, iPS-Zellen herzustellen, zeigt, welche große Bedeutung die quasi-embryonalen Stammzellen inzwischen haben. Yamanaka verwandelte gewöhnliche Körperzellen in vielseitige Stammzellen. Dank seiner Methode lassen sich heute Hautzellen so umsteuern, dass sie quasi-embryonale Fähigkeiten besitzen, ohne dass dabei ein menschlicher Embryo gefährdet oder getötet werden muss. Die Yamanaka-Methode sei in die Forscherlabors längst eingezogen, ihr gehöre vermutlich die Zukunft - auch in der Medizin. Embryonale Stammzellen und mit ihnen Tausende Embryonen in den Gefriertanks der Fortpflanzungskliniken würden nicht mehr gebraucht, kommentierte der Deutschlandfunk (online 2. 12. 2012). Im kommenden Jahr entscheidet die EU, ob die umstrittene Forschung, die die Tötung von Embryonen einschließt, im Rahmen des 8. Forschungsprogramms Horizon 2020 noch weiter finanziell unterstützt werden soll.

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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