Bioethik aktuell

Public Health: Sollen kranke Menschen künstliche Ernährung selbst bezahlen?

Deutschland streitet, ob Sondernahrung weiterhin Krankenkassenleistung bleiben soll

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Nach dem Willen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) in Deutschland sollen kranke oder ältere Menschen, die keine Möglichkeit haben, sich auf normalem Wege ausreichend zu ernähren, künstliche (enterale) Ernährung, das heißt Sonden- und Trinknahrungen, zukünftig nicht mehr als Krankenkassenleistung erhalten. Sie sollen diese enterale Ernährung selbst bezahlen. Nach Auffassung des G-BA handelt es sich hierbei um „Aufwendungen für den normalen Lebensunterhalt“. Es sei nicht Aufgabe der Krankenkassen Diäten zu bezahlen, die geplante Neuregelung zur künstlichen Ernährung ermögliche „Lebensmittelkauf auf Krankenschein“ (Pressemitteilung 24. 09. 2008). Der G-BA ist das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland. Er bestimmt in Form von Richtlinien den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für mehr als 70 Millionen Versicherte.

Der Vorstoß der G-BA hat bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin Empörung ausgelöst. Betroffen seien auch ältere Menschen und Krebskranke, die sich nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten nicht mehr auf normalem Wege ernähren könnten und bei denen eine Mangelernährung drohe, heißt es in einer Presseaussendung (01. 10. 2008). „Das bedeutet, mangelernährte kranke Menschen bekommen die dringend gebrauchte, medizinisch indizierte Ernährungstherapie nicht mehr erstattet. Dies ist nicht akzeptabel“, sagt Arved Weimann, Präsident der Fachgesellschaft. Die enterale Ernährung müsse weiterhin erstattungsfähig bleiben. Den Vorwurf des G-BA, die Erstattung würde zu einer ethisch und medizinisch unvertretbaren Ernährungspraxis in Pflegeeinrichtungen führen, hält die Fachgesellschaft für nicht gerechtfertigt.

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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