Bioethik aktuell

Stammzellen: Alleskönner-Zellen entstehen auch ganz von selbst

Erneute Erfolgsmeldung bei ethisch sauberer Gewinnung von begehrten Stammzellen

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Auf dem Weg zur ethisch einwandfreien embryonalen Stammzelle lagen große Stolpersteine. Anfangs mussten Forscher noch mit Viren Gene in eine Zelle einschleusen, um diese in ein quasi-embryonales Stadium zurückzuprogrammieren. Dies war riskant, weil die genetische Manipulation das Krebsrisiko erhöht. Das Rezept wurde rasant weiter entwickelt, zur Verjüngung von Zellen folgten Methoden ganz ohne das Vehikel Virus, und schließlich war nur noch ein Eiweißgemisch nötig, um die Alleskönner zu generieren (vgl. IMABE-Newletter Mai 2009). Nun scheint auch diese Methode ersetzbar: Hans Schöler und sein Kollege Kinarm Ko vom Max-Planck-Institut (MPI) für molekulare Biomedizin in Münster stellten fest, dass sich bestimmte Hodenzellen von Mäusen von selbst in einen embryonalen Zustand zurückversetzen. Wie sie in Cell Stem Cell (2009; 5: 87-96) berichten, konnten sie aus dem Hodengewebe sogenannte Keimbahn-Stammzellen isolieren. Diese sind extrem rar, nur zwei bis drei Stück finden sich unter 10.000 Hodenzellen. Unter üblichen Bedingungen behalten diese über Jahre die Eigenschaft, stets neue Spermien zu bilden. Doch sobald etwa 8.000 Zellen in einer Kulturschale zusammengebracht wurden, fingen sie nach nur zwei Wochen an, sich von allein in ein embryonales Stadium zurückzuverwandeln - ohne Zusatz von Proteinen oder fremden Genen. Es brauche dazu nur gute Wachstumsbedingungen: „Viel Platz und genügend Zeit“, mehr nicht, sagt Schöler. Dass der mehr oder weniger zufällig entdeckte „Neustart“ der Zellen tatsächlich geklappt hatte, belegten die Forscher anhand zahlreicher Tests. Mit den reprogrammierten Keimbahn-Stammzellen, so genannten „Germline derived pluripotent stem cells“ (gPS), ließen sich ebenso gut Herz, Nerven- oder Endothelzellen züchten wie aus embryonalen Stammzellen. Noch ist jedoch offen, ob sich das Verfahren auf den Menschen übertragen lässt und für klinischen Anwendungen brauchbar ist. Vieles spreche dafür, dass gPS-Zellen hinsichtlich der Einfachheit ihrer Herstellung und ihrer Sicherheit alle bisher künstlich reprogrammierten Zellen übertreffen.

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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