Bioethik aktuell

Sterbebeistand: „Das Leiden des Patienten lindern und sein Leben bejahen“

IMABE-Direktor Bonelli: „Ärztliche Handlung darf nie direkt auf Tötung abzielen“

Lesezeit: 02:27 Minuten

© Fotolia_25531300_contrastwerkstatt

Ärzte können Patienten in der Sterbephase zur Linderung extremer Schmerzen starke Schmerzmittel verabreichen, auch wenn diese als Nebenwirkung das Leben möglicherweise verkürzen. Dies sieht eine vom Gesundheitsministerium vorgelegte Änderung des Ärztegesetzes vor, mit dem für die ärztliche Begleitung von Patienten am Lebensende klarere rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden sollen.  Die Österreichische Palliativgesellschaft (ÖPG) begrüßt ausdrücklich die vom Gesundheitsministerium vorgelegte Änderung des Ärztegesetzes (Pressemitteilung, online, 13.10.2018). „Die Opiat-Therapie ist nicht für jeden Patienten, sondern für jene mit schweren Erkrankungen und Schmerzen. Sterben kann ein natürlicher Prozess sein, der keine Diagnose braucht“, stellt ÖPG-Präsident Rudolf Likar klar (vgl. Die Neue, online, 15.10.2018).

„Die Herausforderung der Medizin von heute besteht darin, eine sinnlos gewordene Therapie rechtzeitig zu beenden und sich der Palliativmedizin zuzuwenden“, betont der Direktor des Wiener Bioethik-Instituts IMABE, Johannes Bonelli. Gerade am Lebensende muss der Druck genommen werden zu übertherapieren. „Wenn der Tod nicht mehr aufzuhalten ist und eine Therapie sinnlos, weil medizinisch nicht mehr indiziert ist, bedeutet das keine aktive direkte Tötung, sondern dem Sterben seinen Lauf zu lassen.“

Zugleich sei es aber ethisch legitim, eine Lebensverkürzung als Nebenwirkung, z.B. von einer Schmerztherapie, in Kauf zu nehmen, wenn das Prinzip der Verhältnismäßigkeit eingehalten wird, betont der Wiener Internist. „Eine menschliche Medizin lindert das Leiden des Patienten und bejaht zugleich sein Leben. Keine ärztliche Handlung darf direkt auf Tötung abzielen.“ (vgl. dazu auch Bonelli J., Behandlungsabbruch und Therapiezieländerung: eine medizin-ethische Analyse, Imago Hominis (2018); 25(3): 163-171).

Noch bis 8. November ist der Gesetzesentwurf in Begutachtung, mit dem das aus dem Jahr 1998 stammende Ärztegesetz novelliert werden soll. Darin soll auch der ärztliche „Beistand für Sterbende“ neu präzisiert werden. Demnach haben Ärzte sterbenden Menschen, die sie behandeln, „unter Wahrung ihrer Würde“ beizustehen. Weiters wird präzisiert, dass es „bei Sterbenden“, d. h. bei Patienten, deren Tod unmittelbar und absehbar bevorsteht, zulässig ist, im Rahmen palliativmedizinischer Maßnahmen Handlungen zu setzen, „deren Nutzen zur Linderung schwerster Schmerzen und Qualen im Verhältnis zum Risiko einer indirekten Beschleunigung des Verlustes vitaler Lebensfunktionen überwiegt“. Keinesfalls soll das neue Ärztegesetz aber eine Rechtsgrundlage für Euthanasie schaffen, heißt es laut Erläuterungen im Ministerialentwurf.

Laut Bonelli sei es wichtig, dass eine Änderung des Ärztegesetzes zum Beistand des Sterbenden nicht als Aufweichung gegenüber aktiver Sterbehilfe missbraucht wird. „Niemals kann es Aufgabe des Arztes sein, den Tod als professionelle Dienstleistung anzubieten“, unterstreicht der Internist. Weder aus dem Begriff der Würde noch der Selbstbestimmung könne ein Recht auf Selbsttötung abgeleitet werden und schon gar nicht das Recht bzw. die Pflicht des Arztes zur Tötung seiner Patienten, betont Bonelli.

In Österreich ist es strafrechtlich untersagt, eine unmittelbar tödliche Dosis eines Medikaments zu verabreichen (vgl. § 77 StGB Tötung auf Verlangen) oder eine andere tödliche Handlung vorzunehmen mit dem Vorsatz, das Leben des Patienten zu beenden oder ihn in diesem Vorsatz zu unterstützen (vgl. § 78 StGB Mitwirkung am Selbstmord).

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
Unterstützt von: