Bioethik aktuell

Sterbehilfe: Italienische Koma-Patientin stirbt nach Ernährungs-Abbruch

IMABE: „Ein Wachkomapatient ist per se kein Sterbender“

Lesezeit: 02:37 Minuten

Die italienische Wachkoma-Patientin Eluana Englaro ist tot. Die 38-jährige Frau, deren Schicksal Italien gespalten hat, sei plötzlich gestorben, teilte die Privatklinik „La Quiete“ in Udine, in der sich die Patientin seit einer Woche befand, mit, berichtet der Kurier, (online, 09. 02. 2009). Um den Fall der Patientin, die seit 17 Jahren im Wachkoma lag, war in Italien ein heftiger politischer Streit wegen Sterbehilfe entflammt. Das italienische Kabinett hatte einen Erlass verordnet, der den Abbruch künstlicher Ernährung bei nicht entscheidungsfähigen Personen verbietet, berichtet das Deutsche Ärzteblatt (online, 06. 02. 2009). Der Vater hatte seit 10 Jahren um ein Einstellen der künstlichen Ernährung gekämpft, nachdem seine Tochter 1992 nach einem Unfall ins Koma gefallen war. Die Entscheidung über einen Behandlungsabbruch wurde zum politischen Zankapfel. Die Regierung hatte ein Veto gegen den Stopp der künstlichen Ernährung eingelegt, wobei sie sich - massiv unterstützt von katholischen Bischöfen - darauf berief, dass der Patientenwille nicht eindeutig sei und deshalb die Ernährung nicht eingestellt werden dürfe. Erst Ende vergangener Woche hatte man die Frau in eine Privatklinik in Udine verlegt und die Nahrungszufuhr eingestellt. Laut Prognose der Ärzte wäre die Patientin erst im Laufe der nächsten zwei Wochen gestorben. Über den Tod Eluanas könnte die Staatsanwaltschaft Udine eine Untersuchung einleiten.

Ein klares Bild über die medizinischen Fakten des Falls anhand der Pressemeldungen zu bekommen, ist nicht einfach. Fest stand, dass die Frau im Alter von 21 Jahren im Zuge eines Autounfalls offenbar ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitten hat, seither lag sie im Wachkoma. Sie atmete selbstständig, wurde aber über eine Nasensonde ernährt.

Neurologisch unterscheidet man zwischen dem Wachkoma nach Unfällen (Gehirntrauma) und jenem im Rahmen einer schweren neurologischen Krankheit. Bei unfallbedingter Gehirnschädigung bestehen prinzipiell bessere Heilungschancen. Bei einer Gehirnerkrankung ist dagegen eine ungünstige Prognose relativ bald abzusehen und lässt sich mit objektiven Befunden belegen. Eine künstliche Ernährung käme in diesem Zustand einer ethisch zweifelhaften Verlängerung des Sterbeprozesses gleich.

Beim unfallbedingten Wachkoma-Zustand ist es allerdings kaum je möglich, das Ausmaß und die Nachhaltigkeit des Gehirnschadens mit ausreichender Sicherheit festzustellen. Der Grundsatz „in dubio pro vita“ bleibt also aufrecht. Daher rückt eine Erwägung des Therapieabbruchs sehr nahe an die Intention, einen Sterbevorgang einzuleiten (Sterbehilfe durch Unterlassung), welche in den Graubereich der Euthanasie fällt und ethisch abzulehnen ist.

„Festzuhalten ist, dass ein Wachkomapatient per se kein Sterbender ist und seine künstliche Ernährung zwar zum Teil im Dienste der Therapie steht, hauptsächlich aber eine pflegerische Maßnahme darstellt. Ihre Unterlassung wäre mit einer Euthanasie gleichzusetzen“, betont der Mediziner Jan Stejskal (IMABE). Davon zu unterscheiden ist, dass, sobald der Sterbeprozess beim Wachkomapatienten beginnt, eine Therapiereduktion bzw. ein Abbruch inklusive Nahrungszufuhr abgewogen werden kann, so wie dies bei den übrigen Patienten in der terminalen Phase einer Erkrankung der Fall ist. Dabei dürften aber nur ärztliche und keine utilitaristischen Bewertungen oder Fragen nach dem Nutzen so eines Lebens maßgeblich sein, so der Mediziner. Ein ausführlicher Kommentar zur Problematik findet sich unter: Wachkomapatient. Zur Problematik der künstlichen Ernährung, Imago Hominis (2007); 14: 293-295.

Institut für Medizinische
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