Bioethik aktuell

Studie: Akademisierung in der Pflege senkt Kosten und hebt Qualität

Hochqualifizierte Pflegefachkräfte im ambulanten Sektor sind das Zukunftsmodell

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Steigende Kosten und Personalmangel: Österreich liegt bei den Ausgaben im Gesundheitswesen mit 11,1 Prozent des BIP im Spitzenfeld der EU-Länder (Durchschnitt: 8,7 Prozent des BIP). Zugleich besteht ein eklatanter Mangel an Pflegepersonal. Mit einer Rate von 7,8 Pflegefachkräften pro 1.000 Einwohner liegt die Alpenrepublik unter dem EU-Durchschnitt von 8 und weiter hinter Ländern wie der Schweiz (16,6) Dänemark (15,4) oder Deutschland (11,3). Dies zeigen die Daten des aktuellen Report Health at a Glance 2014 (S. 50-51).

Die Schweiz könnte hier als Vorbild dienen, um dem Personalmangel und steigenden Pflegekosten entgegenzuwirken. „Länder, welche die Akademisierung vorangetrieben haben, haben weniger Personalmangel in der Pflege“, sagt Lorenz Imhof vom Institut für Pflege der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Mit einer Akademisierung des Berufs ließen sich nicht nur Versorgungslücken schließen, sondern auch Kosten sparen.

Indem man neue Perspektiven schaffe, steige auch die Attraktivität des Pflegeberufs, berichtet die Neue Zürcher Zeitung (online, 20. 12. 2014). Dass sich die zusätzliche Ausbildung der Pflegefachpersonen auch ökonomisch lohnt, konnte der Leiter von Forschung und Entwicklung in der Pflege anhandeiner Studie zeigen, die kürzlich mit dem Swiss Quality Award ausgezeichnet wurde (vgl. Schweizerische Ärztezeitung, 2014; 95: 41, 1521) So gab es in der Gruppe der über 80-Jährigen, die von sogenannten Advanced Practice Nurses (APN) betreut wurden, 30 Prozent weniger akute gesundheitliche Zwischenfälle als in der Kontrollgruppe. In einem ähnlichen Maß nahm auch die Zahl der Stürze ab.

APNs sind Pflegefachpersonen mit erweiterter Praxis, die über ein Pflegestudium auf Masterebene (MScN) und mehrjährige Berufserfahrung verfügen. Sie unterstützen Patienten und Angehörige bei der krankheitsbedingten Neugestaltung des Alltags, koordinieren Dienstleistungen und beraten bei Fragen zu Therapien und Krankheit. Die Aufgabe der Pflege besteht darin, sich um die Auswirkungen von Krankheit und Therapie auf den Alltag zu kümmern.

„Wenn eine APN zehn hochbetagte Personen innerhalb von neun Monaten vier Stunden berät, können wir damit einen Spitaleintritt verhindern“, so Imhof. Das zahle sich allemal aus. Wichtiger als der finanzielle Aspekt sei ihm aber, dass sich damit Defizite bei der Versorgung chronisch kranker Menschen beseitigen ließen. „Wir müssen schauen, dass wir das knappe Pflegepersonal optimal einsetzen.“ Die Pflegeexperten könnten mit ihrer klinischen Einschätzung der Situation einen wichtigen Dienst leisten. Andere Länder wie die USA, Kanada oder England hätten das längst erkannt. Auch in Deutschland und Österreich laufen entsprechende Bemühungen, so Imhof.

10 Prozent des Pflegepersonals sollten laut Imhof als Experten mit Mastertitel in der klinischen Praxis arbeiten. Dass der Bedarf an solchen Pflegeexperten gegeben sei, zeige die Praxis, sagt Imhof: „Wer bei uns ein entsprechendes Studium beginnt, hat im Prinzip eine Jobgarantie. Unsere Absolventen werden vom Arbeitsmarkt förmlich aufgesogen.“ Noch fehlten aber die richtigen Strukturen im Gesundheitswesen für ihren optimalen Einsatz. Für eine flächendeckende Einführung brauche es in der Schweiz etwa 2500 Advanced Practice Nurses (APN). Für die entsprechende Ausbildung muss man mittlerweile nicht mehr nach England gehen, sie wird in Basel, Lausanne, Winterthur, Bern und St. Gallen angeboten.

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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