Bioethik aktuell

Studie: Auch Rauchstopp mit 60 senkt Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall

„Nicht wahrhaben wollen“ sowie fehlendes Wissen über Gesundheitsschäden durch Rauchen immer noch verbreitet

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Ein Rauch-Stopp lohnt sich auch noch im fortgeschrittenen Alter. Selbst wer seine letzte Zigarette erst als über 60-Jähriger raucht, senkt sein Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall innerhalb weniger Jahre erheblich. Das berichten Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) nun im British Medical Journal (10.1136/bmj.h1551).

In der bislang umfangreichsten Untersuchung zu den Auswirkungen des Rauchens auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei älteren Menschen analysierte die Epidemiologin Ute Mons 25 Einzelstudien. Insgesamt wertete sie damit die Daten aus Europa und den USA von über einer halben Million Menschen im Alter von 60 Jahren und darüber aus. „Raucher sterben doppelt so oft an einer Herz-Kreislauferkrankung wie lebenslange Nichtraucher. Das Risiko steigt abhängig von der Zahl der Zigaretten, die ein Mensch im Laufe seines Lebens geraucht hat“, so die Wissenschaftlerin.

Nach einem Rauchstopp geht dieses Risiko kontinuierlich zurück. Auch Menschen, die es erst nach ihrem 60. Geburtstag schaffen, das Rauchen aufzugeben, profitieren noch von verringerten Risiken für Herz-Kreislauferkrankungen. Die DKFZ-Wissenschaftler berichten, dass Raucher im Mittel fünfeinhalb Jahre früher an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung sterben als lebenslange Nichtraucher. Bei Ex-Rauchern beträgt die Differenz nur knapp über zwei Jahre. „Es ist also nie zu spät, mit dem Rauchen aufzuhören. Selbst Menschen in der höchsten Altersgruppe profitieren gesundheitlich noch sehr davon“, sagte der Studienleiter Hermann Brenner.

Doch offenbar sind sich viele Nikotinabhängige der Gefährlichkeit des Rauchens nach wie vor nicht bewusst. Sie unterschätzen die gesundheitlichen Risiken oder verdrängen sie. Das zeigt eine aktuelle Studie, die französische Mediziner auf der European Lung Cancer Conference in Genf präsentierten (vgl. Pressemitteilung, online, 17. 4. 2015). Ein Drittel aller Befragten sahen beim Rauchen von bis zu zehn Zigaretten täglich kein erhöhtes Lungenkrebsrisiko.

Die Forscher rund um Laurent Greillier, Onkologe am Hôpital Nord in Marseille, analysierten die Daten von rund 1.600 Franzosen im Alter zwischen 40 und 75 Jahren. Von den 1.463 Befragten, die gesund waren und nie Krebs gehabt hatten, waren 481 ehemalige Raucher, 330 rauchten aktuell im Schnitt etwa 14 Zigaretten am Tag.

34 Prozent der Befragten waren fälschlicherweise der Ansicht, dass bei einem Konsum von maximal zehn Zigaretten am Tag das Risiko für Lungenkrebs nicht steigt. Nichtraucher sahen 2, ehemalige Raucher 1,8 und Raucher 3,4 Zigaretten täglich als harmlos an. „Dieses Ergebnis ist sehr beunruhigend“, sagt Studienleiter Greillier: „Es zeigt, dass viele Menschen einen niedrigen Zigarettenkonsum als ,sicher’ betrachten. Viele sehen Gesundheitsgefahren durchs Rauchen bei anderen, aber nicht bei sich selbst.“ Nur jeder zweite Raucher war überdies der Ansicht, dass er ein höheres Lungenkrebsrisiko hatte als die Durchschnittsbevölkerung. Und weniger als 40 Prozent der Raucher waren sich bewusst, dass das erhöhte Lungenkrebsrisiko auch nach einem Rauchstopp nie wieder auf den Wert vor dem Rauchbeginn zurückgeht.

Jeder neigt dazu, gewisse Dinge zu verdrängen oder nicht wahrhaben zu wollen, meint die Pneumologin Carolyn Dresler von der International Association for the Study of Lung Cancer. „Wer raucht, tendiert sehr stark dazu, seine Risiken als geringer einzuschätzen“, kommentiert Dresler die Ergebnisse. „Wir alle haben ein starkes ‚Verdrängungs-Gen’ in uns.“ Deshalb müsse es eine eindeutige, klare und konstante Aufklärung über die Schäden und Risiken des Rauchens geben.

Institut für Medizinische
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