Bioethik aktuell

Studie: Gesetze Erwartungen in Nutzen von Vorsorgeuntersuchungen häufig überzogen

Hohes Risiko für falsch-positive Befunde bei Mammographie, PSA-Test und Thorax-Röntgen

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Die Sinnhaftigkeit von Vorsorge- bzw. Screening-Untersuchungen wird den letzten Jahrzehnten immer wieder kontroversiell diskutiert, da die Kosten-Nutzen-Rechnung nicht eindeutig ist und häufig überzogene Erwartungen an die Effizienz von solchen Screening-Untersuchungen gesetzt werden. In Hinblick auf die Brustkrebsvorsorge wurden nun unter der Leitung von Karla Kaerliowkse von der Universitiy of California-San Francisco die Daten des US-Breast Cancer Surveillance Consortium ausgewertet, das seit 1994 fast 170.000 Mammographien durchgeführt hat. Die Untersuchung wurde damals in den USA bereits ab dem 40. Lebensjahr empfohlen. Das Ergebnis: Innerhalb eines Jahrzehnts mit jährlichem Screening bekam fast zwei Drittel aller Frauen mindestens einmal ein falsch-positives Resultat, sieben bis neun Prozent unterzogen sich deshalb einer (eigentlich unnötigen) Biopsie, so das Ergebnis der in den Annals of Internal Medicine (2011; 155: 481-492) veröffentlichten Studie.

Lag das Intervall der Untersuchungen zwei Jahre auseinander, sank die Rate für eine zweite grundlose Biopsie, ebenso verringerte sich die Rate der falschpositiven Befunde auf 41,6 Prozent. Die prospektive Kohortenstudie zeigte, dass auch bei Frauen, die das Screening erst mit dem 50. Lebensjahr begannen, wie dies auch in den Leitlinien der WHO und EU empfohlen wird, eine ähnlich hohe Rate von falschpositiven Befunden und Biopsien festzustellen war.

Über den Nutzen von Früherkennungsprogrammen wird auch in andere Gebieten kontrovers diskutiert: Eben erst zeigte eine randomisierte Studie im US-amerikanischen Ärzteblatt JAMA (2011; 306: 1865-1873), dass ein jährliches Thorax-Röntgen sich nicht zur Früherkennung von Lungenkrebs eignet.

Auch beim Prostata-Screening sind die Effekte spärlich: Eine über 20 Jahre geführte randomisierte im British Medical Journal (2011: 342:d1539 doi:10.1136/bmj.d1539) veröffentlicht Studie untersuchte die Effizienz des PSA-Tests bei über 9.000 Männern. Bei 1.410 drei Mal jährlich untersuchten Männern wurde innerhalb von 20 Jahren bei 5,7% ein Prostatakarzinom entdeckt, bei einer nicht-gescreenten Kontrollgruppe waren es 3,9% - ein Unterschied, der nicht signifiikant war. Dem Mangel an signifikantem Nutzen des Screenings für ein längeres Leben mit Prostatakrebs stünde dagegen ein beträchtliches Risiko zur Überentdeckung ("overdetection") von zum Teil (noch) harmlosem Prostata-Krebs und einer Überbehandlung ("overtreatment") mit Nebenwirkungen entgegen.

Die Fakten zeigen, dass ein gut gemeinter, aber undifferenzierter Ruf nach flächendeckenden Vorsorgeuntersuchungen nicht zielführend und noch dazu kostspielig ist. Dafür sollte mehr zur Definition des individuellen Risikos geschehen, und zwar im direkten, vertraulichen Kontakt mit dem behandelnden, entsprechend geschulten Arzt. Den Weg zu diesem findet der (Risiko-)Patient aber wieder durch die öffentliche Bewusstmachung.

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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