Bioethik aktuell

Studie: Multivitaminpillen schützen nicht vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Verbraucherschutz-Experten warnen vor hoch dosierten Nahrungsergänzungsmitteln für Kinder

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Etwa jeder vierte Österreicher und Deutsche greift zu Nahrungsergänzungsmitteln, allein in Deutschland wurden damit im Jahr 2015 1,1 Milliarden Euro umgesetzt. Beworben werden die Produkte vor allem in Apotheken, Drogerie- und Supermärkten oder über Internet-Portale. Doch was nützen sie wirklich? Eine aktuelle Studie zeigt, dass Vitamin- und Mineralientabletten weder vor Herzinfarkt noch vor Schlaganfall schützen können.

Die US-Forschergruppe um den Kardiologen Joonseok Kim von der University of Alabama in Birmingham bezogen in ihre Analyse 3.249 Studien aus den Jahren 1970 bis 2016 ein. Sie konzentrierten sich auf 18 methodisch hochwertige Studien, an denen insgesamt mehr als zwei Millionen Menschen teilgenommen hatten, um die Effekte der Nahrungsergänzungsmittel auf das Risiko für Schlaganfälle und Herzerkrankungen zu erfassen.

Das Ergebnis der in Circulation: Cardiovascular Quality and Outcomes erschienenen Studie (2018; doi: 10.1161/CIRCOUTCOMES.117.004224): Für das relative Mortalitätsrisiko für alle Herz-Kreislauf-Erkrankungen zeigte sich, dass es keinen Unterschied machte, ob die Teilnehmer eine Extradosis Vitamine, Mineralstoffe oder Spurenelemente einnahmen oder nicht. Auch das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, blieb durch die Einnahme der Nahrungsergänzungsmittel unbeeinflusst. Auch die Suche nach Untergruppen, die möglicherweise doch von Nahrungszusätzen profitieren könnten, blieb erfolglos. Egal wie lange die Präparate eingenommen wurden, wie alt die Studienteilnehmer waren, ob Mann oder Frau, Raucher oder Nichtraucher, sportlich oder nicht - Nahrungsergänzungsmittel zeigten keinen positiven Effekt.

Um tatsächlich vorhandene Nährstoffdefizite auszugleichen, sei die „one-size-fits-all“-Lösung in Form eines Multivitaminpräparates selten geeignet, kommentiert die Deutsche Apothekerzeitung (online, 4.9.2018) das Studienergebnis. Fehlende Mikronährstoffe seien zu gering dosiert, nicht benötigte Einzelstoffe werden hingegen möglicherweise überdosiert.

Vor einer Hochdosierung von Nahrungsergänzungsmitteln für Kinder warnen auch Verbraucherschutz-Experten. Jedes zehnte Kind bekomme täglich Nahrungsergänzungsmittel oder mit Vitaminen und Mineralstoffen angereicherte Lebensmittel. Die Produkte würden den Eindruck vermitteln, dass sie die Abwehrkräfte stärken oder die Konzentrationsfähigkeit erhöhen. Eine übermäßige Zufuhr von Nährstoffen führe jedoch nicht zu einer Steigerung der Leistungsfähigkeit oder einer Verbesserung der Gehirnfunktion, sondern sei schädlich. Eine im Mai 2018 veröffentlichte Erhebung der Verbraucherzentrale zeigte, dass die Produkte oftmals zu hoch dosiert sind (vgl. Deutsches Ärzteblatt, online, 15.5.2018). So lag bei dem Produkt sanostol Lutschtabletten die Vitamin A-Zufuhr bei Einhaltung der Verzehrangaben fast um das 2,5-fache höher als die offiziell für Nahrungsergänzungsmittel maximal empfohlene Tagesdosis von 200 Mikrogramm.

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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