Bioethik aktuell

Studie: Verdachtsfälle von Forschungsbetrug werden zu selten gemeldet

Kollegen fürchten um eigene Projektgelder und wollen nicht schaden

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Geschönte Bilder, unterschlagene Daten, getürkte Ergebnisse: Wie reagieren Forscher, wenn gegenüber einem Kollegen der Verdacht von wissenschaftlichem Betrug auftaucht? Dieser Frage ging eine nun in Nature (2008; 453: 980-982, doi:10.1038/453980a) veröffentlichte US-Studie nach. Fazit: In mehr als einem Drittel würde den beobachteten Verdachtsfällen niemals nachgegangen, schreiben die Autoren des Gallup-Instituts, die die Umfrage im Auftrag des Office of Research Integrity durchführten. Das ORI ist eine dem US-Gesundheitsministerium zugehörige Behörde, die den biomedizinischen Wissenschaftsbetrieb prüft. Gründe dafür, die „schwarzen Schafe“ nicht zu nennen, sind die Angst, dem Kollegen zu schaden bzw. eigene Projektgelder zu gefährden. Die Umfrage wurde unter 4.298 Wissenschaftlern in 605 Forschungseinrichtungen durchgeführt. 2.212 Wissenschaftler hatten den „Mumm“, auswertbare Fragebögen zurückzuschicken. 192 von ihnen (8,7%) gaben an, innerhalb von drei Jahren (2002-2005) in 265 Fällen tatsächliches oder mögliches Fehlverhalten von Kollegen innerhalb der eigenen Abteilung beobachtet zu haben. In 201 dieser Fälle trafen die offiziellen Kriterien für Fehlverhalten zu, wie das Erfinden oder Fälschen von Daten, Plagiatsfälle etc. Mehr als ein Drittel der Verdachtsfälle (37 Prozent) wurde jedoch nie gemeldet. Nach einer sehr konservativen Schätzung auf Grundlage dieser Daten folgern die Autoren, dass dem Office of Research Integrity innerhalb des Dreijahreszeitraums 1.350 Fälle hätten gemeldet werden müssen - tatsächlich waren es nur 24 Fälle pro Jahr. Die Autoren schlagen mehrere Strategien zur „Reparatur“ der Integrität wissenschaftlicher Forschung vor: 1. Null Toleranz gegenüber diejenigen, die Fehlverhalten begehen und diejenigen, die darüber wissen aber schweigen; 2. Schutzmaßnahmen für Personen, die Fehlverhalten anderer öffentlich machen; 3. klare Vorgehensweisen in den Einrichtungen mit expliziter Benennung der Verantwortlichen bzw. der Ansprechpartner 4. Schulungen der Vorgesetzten, ihre Vorbildfunktion zu erfüllen; 5. gezielter Einsatz von Methoden, um Fehlverhalten zu identifizieren, wie Überprüfung von Unterlagen durch Dritte (Audit) sowie 6. ein vorbildliches ethisches Verhalten der Führungskräfte.

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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