Bioethik aktuell

Wiener Bioethik-Club: Menschenrechte stehen höher als die Forschungsfreiheit

Experten lehnen gesetzliche Freigabe embryonaler Stammzellenforschung ab

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Embryonale Stammzellen werden als Alleskönner gepriesen, mit deren Hilfe man in Zukunft speziell degenerative Erkrankungen wird heilen können. Diese Verheißung, die die „positive Botschaft eines leidfreien Lebens“ in sich birgt, wird von den Medien allzu oft unkritisch aufgenommen, sagt Thomas Friedl, Büroleiter des CDU/CSU-Gesundheitsausschusses für Bioethik in Berlin. Friedl sprach über aktuelle Entwicklungen der Biopolitik im Rahmen des von IMABE initiierten Wiener Bioethik-Clubs. Hohe Forschungssummen würden investiert, die Realität der tatsächlichen wissenschaftlichen Ergebnisse stehe jedoch weit hinter den Erwartungen zurück. So gäbe es trotz zahlreicher Ankündigungen bislang keine einzige klinische Studie, bei der embryonale Stammzellen eingesetzt werden. Die Nebenwirkungen (etwa Tumorbildung) können nicht kontrolliert werden. Mit adulten Stammzellen dagegen gibt es bereits Therapien, mehr als 1400 klinische Studien laufen. Und auch „Alleskönner“-Zellen aus dem Nabelschnurblut wurden inzwischen bei 6000 Transplantationen verwendet. „Wir sind nicht alternativlos“, betonte der Pathologe Lukas Kenner, Professor für Klinische Pathologe am AKH Wien und Abteilungsleiter am Ludwig-Boltzmann-Institut für Krebsforschung. Japanische Forscher hätten erst kürzlich vier Proteinen entdeckt, die für die Umwandlung einer adulten Zelle in eine pluripotente Stammzelle verantwortlich sind (Takahashi K., Yamanaka S., Cell 2006; 126: 663-676). „Das ist ein Durchbruch“, betonte Kenner. Mit diesem Verfahren lassen sich „Alleskönner“-Stammzellen herstellen, ohne dass dabei Embryonen zerstört werden. Warum machen trotz ethisch sauberer und attraktiver Alternativen Wissenschaftler wie derzeit in Deutschland Druck, dass die embryonale Stammzellenforschung freigegeben wird? „Der Embryo wird hier als eine Galionsfigur im Streit um die Freiheit der Forschung missbraucht“, sagt Friedl. Die Freiheit der Forschung habe jedoch eine Grenze: die Menschenrechte. „Der Mensch, auch als Embryo, hat Vorrang vor irgendwelchen sekundären Rechten“, betonte der deutsche Biorechtsexperte.

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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