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Public Health: Kanadische Experten empfehlen Bremse bei Finanzierung von IVF

IMABE kritisiert sinkende Transparenz und Qualitätskontrolle bei künstlicher Befruchtung in Österreich

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Dass die Geburtenrate nach künstlicher Befruchtung bei Frauen über 40 Jahren sinkt, ist bekannt. Während das österreichische IVF-Register (Jahresbericht 2014) bislang keine Daten der Baby-Take-Home-Rate in Korrelation zum Alter der Frauen vorlegt hat, sind andere Länder schon weiter - und ziehen nun offenbar die Bremse.

Eine aktuelle kanadische Studie hat die tatsächliche Geburtenrate bei 44-jährigen Frauen nach IVF untersucht und kommt zu dem Schluss, dass die Kostenübernahme für das Verfahren in diesem Alter überdacht werden sollte. Quebec hatte als erste kanadische Provinz IVF auf Krankenkasse eingeführt. Im Jahr 2013 wurden 70 Millionen Dollar, zwischen August 2010 und Dezember 2012 wurden mehr als 16 Millionen Dollar für IVF-Behandlungen bei älteren Frauen ausgegeben. Nun zeigt sich, dass sich Frauen über 40 gesundheitlichen und psychologischen Risiken aussetzen - und es bei den 44-jährigen dennoch zu keiner einzigen Lebendgeburt kam. Daher sollte man in Zukunft besser Altersbeschränkungen überlegen und die finanzielle Bremse ziehen, sagt Neal Mahutte, Direktor des Montreal Fertility Centre. Er stellte die Ergebnisse seiner Studie Mitte Oktober im Rahmen der Jahresversammlung der American Society for Reproductive Medicine (ASRM) in Baltimore vor, berichtet die National Post (online, 19.10.2015). Demnach kostete eine Lebendgeburt bei 40-jährigen Frauen nach IVF 43.153 Dollar aus dem öffentlichen Finanztopf. Laut Studienergebnissen stieg die Summe mit dem Alter exponentiell an und erreichte fast 104.000 Dollar für 43-Jährige. Für 44-Jährige liegen keine Daten vor, da es zu keiner einzigen Lebendgeburt kam. Die Gesamtkosten dieser Versuche lagen im Zeitraum von zwei Jahren bei 600.000 Dollar.

Diese Daten könnten auch für Österreich interessant sein, denn: Laut dem 2015 beschlossenen österreichischen Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetz (FMedRÄG) können Frauen in Österreich vom IVF-Fonds zumindest ein bis zwei co-finanzierte Versuche künstlicher Befruchtung durchführen lassen, sofern sie damit im Alter knapp unter 40 Jahren beginnen. „Wir wissen aus anderen Ländern, dass die Erfolgsraten hier katastrophal sind“, betont Susanne Kummer, IMABE-Geschäftsführerin. Dennoch übernimmt der IVF-Fonds 70 Prozent der Kosten.

Der Rechnungshof übte in seinem jüngsten Bericht scharfe Kritik am IVF-Fonds. Der Fonds zahlte zwischen 2009 und 2013 insgesamt mehr als 66 Millionen Euro an Paare für künstliche Befruchtung. Das gesetzlich „vorgesehene Konzept zur umfassenden Qualitätssicherung auf dem Gebiet der IVF“ fehle seit der Einrichtung des Fonds vor 14 Jahren noch immer, kritisiert der Rechnungshof. Außerdem hätte es der Fonds verabsäumt, jährliche Geschäftsberichte vorzulegen, trotz offensichtlicher Ungereimtheiten in den Abrechnungen.

Die Gesetzesnovelle 2015 hat die Lage verschlechtert: Das Konzept zur Qualitätssicherung muss nun gar nicht mehr nachgeliefert werden, denn: „Diese gesetzliche Verpflichtung ist mit der Novelle des IVF-Fonds-Gesetzes überhaupt gefallen“, kritisiert Kummer die österreichische Lage. Auch der Rechnungshof hatte dies in seiner Stellungnahme in Frage gestellt. „Das ist wahrlich kein Signal für mehr Transparenz. Der Ruf nach Studien und offengelegten Statistiken, vor allem auch über die langfristigen Gesundheitsrisiken für Mütter und Kinder, wurde mit der Novelle einfach geblockt“, betont Kummer. „Dagegen werden Frauen dazu verführt, ihren Körper Hormonbehandlungen und invasiven Verfahren zu unterziehen, mit sehr geringen Chancen, tatsächlich mit einem Baby nach Hause zu gehen.“ Das habe „weniger mit Autonomie als mit einem aggressiven Markt zu tun“, so die Medizinethikerin.

Führende Reproduktionsmediziner warnten anlässlich aktueller britischer Daten zur künstlichen Befruchtung davor, Frauen falsche Hoffnungen zu wecken. So liegen die Chancen auf ein Kind nach normaler IVF ab 40 Jahre bei 3 bis 4 Prozent, sagt IVF-Pionier Robert Winston gegenüber The Guardian (online, 24.10.2015). Dramatischer sieht es nach „Social Egg Freezing“ aus: Weniger als zwei Prozent der zwischen 2008 und 2013 aufgetauten Eizellen hätten zu Lebendgeburten geführt. Dennoch hat sich gleichzeitig die Zahl der in Fruchtbarkeitskliniken eingelagerten Eizellen verdreifacht. Dies geht aus den aktuellen Zahlen der Human Fertilisation and Embryology Authority (HFEA) hervor. Winston kritisiert, dass niemand aus der Branche die Frauen darüber ausreichend aufkläre.

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