Was denken Österreicher über Euthanasie? Kritische Anmerkungen zum IMAS-Report 2/2001

Das österreichische IMAS-Institut hat Ende Dezember 2000 eine telephonische Umfrage an 1000 Österreichern zum Thema Euthanasie durchgeführt. Das Institut wollte erstens wissen, ob die Österreicher sich über Sterbehilfe Gedanken machen, und zweitens, wie sie dazu stehen. Die Ergebnisse wurden in einem Bericht Jänner 2001 vorgelegt.

Die Überschrift des Berichtes „Mehrheit bejaht Sterbehilfe nach holländischem Beispiel“ ist mehr als überraschend und wirft zunächst die Frage auf, was weiß überhaupt die österreichische Bevölkerung vom „holländischen Beispiel“? Die telephonische Befragung hätte es klären sollen.

Die Frage lautete: „In Holland wurde kürzlich ein Gesetz erlassen, wonach Ärzte in ganz bestimmten Fällen schwerstkranken Menschen, die keine Chance mehr zum Überleben haben und große Schmerzen erdulden müssen, eine sogenannte „Sterbehilfe“ leisten dürfen. Das heißt, dass das Leben solcher Menschen auf deren eigenen Wunsch verkürzt werden darf. Haben Sie davon gehört /gelesen oder hören Sie das zum ersten Mal?“ Befragungstechnisch ist diese Frage für eine telephonische Befragung eher ungeeignet. Die Beantwortung dieser Frage mit Ja ist fast naheliegend: Schließlich hat jeder irgendetwas davon schon mal gehört. Tatsächlich: 70% der Befragten antworten mit Ja. Dies darf allerdings nicht zur Schlussfolgerung von IMAS führen: „Eine erste Erkenntnis ist, dass das Thema bei der Bevölkerung eine offenkundig sehr große Aufmerksamkeit gefunden hat.“ Diese Interpretation der Ergebnisse lässt den Verdacht aufkommen, dass es sich hier um eine ideologisch präjudizierte Befragung handelt.

Dieser Verdacht erhärtet sich bei der zweiten Frage und der Interpretation der Antworten: „Sind Sie persönlich dafür oder dagegen, dass unheilbar Kranken und schwer leidenden Menschen der Wunsch zu sterben erfüllt wird?“ 49% der Befragten antworten darauf mit Ja.

Vier Anmerkungen dazu:

a) Die Frage ist schwer zu beantworten, weil sie inkorrekter Weise eine Voraussetzung für Tötung auf Verlangen unterschlägt, die laut der ersten Frage im holländischen Modell eine Bedingung ist. Der schwer leidende, unheilbare Kranke darf keine „Chance mehr haben zu überleben“. Diese Bedingung dürfte in der zweiten Frage nur vergessen worden sein. Laut IMAS-Bericht sollten die Antworten auf diese Frage als Befürwortung oder Ablehnung des holländischen Modells interpretiert werden, das diese Voraussetzung ja enthält. Zu dieser Frage um die "Sterbehilfe" gehören also drei Bedingungen: große Schmerzen, unheilbare Krankheit und keine Chance zum Überleben.

b) Die Frage ist zweideutig. Sie spricht nicht von Sterbehilfe im Sinne von Tötung auf Verlangen und erwähnt in keiner Weise die ethisch relevante Unterscheidung zwischen Töten und Sterbenlassen (d.h. den Sterbeprozess nicht unnötigerweise künstlich verlängern). Dies wäre aber wichtig gewesen, weil der angesprochene Sterbewunsch nämlich in den meisten Fällen rein technisch mit einem Sterbenlassen erfüllt werden kann.

c) Der Begriff Euthanasie, der in der Bevölkerung eher bekannt und klarer als der der "Sterbehilfe" ist und in den Niederlanden auch unumwunden so gebraucht wird, wird von IMAS gemieden.

d) Selbst jeder Christ, der die Euthanasie kategorisch ablehnt, hätte im Einklang mit der katholischen Kirche diese Frage mit „Ja“ beantwortet können. Unter den drei erwähnten Bedingungen spricht sich die katholische Kirche prinzipiell für ein Sterbenlassen und gegen einen therapeutischen Übereifer aus. Allerdings lehnt sie eine Verkürzung des Sterbeprozesses durch eine direkte Tötungsmaßnahme, d.h. die Euthanasie im engeren Sinn, kategorisch ab. Aber Euthanasie wurde in der Frage nicht angesprochen, nur indirekt in einer mehrdeutigen Formulierung, welche die Beantwortung der Frage erschwert.

Widersinnig ist, dass IMAS die Aussage von Euthanasiegegnern  wegen der Zweideutigkeit der unscharfen Fragestellung als Euthanasiebefürwortung bewerten konnte. Vielleicht war den IMAS-Mitarbeitern alles dies nicht bewusst, und es ist ihnen ein großer Fehler unterlaufen.

Der Schaden ist bereits angerichtet. Hier wurde die öffentliche Meinung auf unverantwortliche Weise irregeführt. Ethisch wäre es angemessen und geboten, dass IMAS sich in der Öffentlichkeit entschuldigt, den Fehler zugibt und ihn richtigstellt.

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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