Meinungsmache für Euthanasie in Österreich. Meinungsforscher manipulieren Befragung

Imago Hominis (2001); 8(1): 8-9
Enrique H. Prat

Das IMAS-Institut hat Ende Dezember eine telefonische Umfrage an 1000 Österreichern zum Thema Euthanasie durchgeführt. Das Institut wollte erstens wissen, ob die Österreicher sich über Sterbehilfe Gedanken machen, und zweitens, wie sie dazu stehen. Die Ergebnisse samt Kommentar wurden  in einer Aussendung vorgelegt und via APA allen Medien zur Verfügung gestellt. In den letzten Wochen sorgte dies für Schlagzeilen. Die „Kronenzeitung“ hat gleich ein paar Prozente dazu gelegt: „Mehrheit ist für Sterbehilfe“. „Die Presse“ war sachlicher: „Die Hälfte der Österreicher tritt für aktive Sterbehilfe ein“; andere Medien wollten es ganz genau wissen: „49% der Österreicher sind für Sterbehilfe“. Am 21.1. hat Kardinal König in der „Kronenzeitung“ die Umfrage und die Ergebnisse kritisiert: Sie seien nicht glaubwürdig.

Seit mehr als 10 Jahren beschäftigt sich das Imabe-Institut mit der Frage der Euthanasie aus ethischer Sicht und hat dazu mehrere Symposien veranstaltet. Wir konnten in Österreich eindeutig einen sehr breiten Konsens gegen eine gesetzliche Zulassung des „Tötens auf Verlangen“ feststellen. Hat sich Kardinal König und haben wir uns auch mit ihm geirrt?

Die Antwort darauf hat ein aufmerksames Studium der Quellen und des Kommunikationsvorganges erfordert. Ein als seriös anerkanntes Meinungsforschungsinstitut hat Umfrageergebnisse vorgelegt. Die Zeitungsredaktionen haben keinen Anlass gesehen, diese Nachricht anzuzweifeln. Die Überschrift des Berichtes: „Mehrheit bejaht Sterbehilfe nach holländischem Beispiel“ dürfte so manchem wohl etwas überraschend vorgekommen sein, aber die Seriosität des Institutes zerstreute letzten Endes mögliche Zweifel.

Bei dieser Überschrift drängt sich zunächst die Frage auf: was weiß überhaupt die österreichische Bevölkerung vom „holländischen Beispiel“? Die telephonische Befragung hätte es klären sollen: „In Holland wurde kürzlich ein Gesetz erlassen, wonach Ärzte in ganz bestimmten Fällen schwerstkranken Menschen, die keine Chance mehr zum Überleben haben und große Schmerzen erdulden müssen, eine sogenannte „Sterbehilfe“ leisten dürfen. Das heißt, dass das Leben solcher Menschen auf deren eigenen Wunsch verkürzt werden darf. Haben Sie davon gehört/gelesen oder hören Sie das zum ersten Mal?“. Man braucht kein diplomierter Sozialforscher zu sein, um zu bemängeln, dass für eine telephonische Befragung diese Frage viel zu lang ist. Man braucht auch kein diplomierter Psychologe zu sein, um vorauszusagen, dass solche Fragen ganz bequem mit einem Ja beantwortet werden können. Niemand will gerne als Ignorant dastehen, und schließlich hat jeder irgend etwas davon schon mal gehört. Die logische Antwort ist also „Ja“. Tatsächlich: 70% antworteten mit Ja. Nicht schlüssig ist dagegen die Interpretation des seriösen Instituts: „Eine erste Erkenntnis ist, dass das Thema bei der Bevölkerung eine offenkundig sehr große Aufmerksamkeit gefunden hat“. Die Tatsache, dass die Mitarbeiter von IMAS ganz sicher nicht so naiv sein dürften, dass sie den Fehler übersehen haben, lässt den Verdacht aufkommen, dass wir es hier mit einer ideologisch präjudizierten Befragung zu tun haben.

Dieser Verdacht wird bei der zweiten Frage und der Interpretation der Antworten sogar bekräftigt: „Sind sie persönlich dafür oder dagegen, dass unheilbar Kranken und schwer leidenden Menschen der Wunsch zu sterben erfüllt wird?“. 49% der Befragten antworteten darauf mit Ja. Die Frage hat es in sich. Dazu drei Anmerkungen:

a) Diese Frage ist schwer zu beantworten, weil sie inkorrekterweise eine Voraussetzung für Sterbehilfe unterschlägt, die laut der ersten Frage im holländischen Modell eine Bedingung ist, nämlich, dass der schwer leidende, unheilbare Kranke keine „Chance mehr zu überleben“ hat. Diese Voraussetzung dürfte nur vergessen worden sein, denn wie die erwähnte Überschrift des IMAS-Berichtes zeigt, werden die Antworten auf diese Frage als Befürwortung oder Ablehnung des holländischen Beispiels interpretiert, das diese Voraussetzung ja enthält. Das heißt, man konnte davon ausgehen, dass es in dieser Frage um die Sterbehilfe unter drei Bedingungen geht: große Schmerzen, unheilbare Krankheit und fehlendeÜberlebenschance.

b) Die zweite Frage ist aber auch zweideutig. Sie spricht nicht von Sterbehilfe, und erwähnt in keiner Weise die ethisch relevante Unterscheidung zwischen Töten und Sterbenlassen (d.h. es geht darum, den Sterbeprozess nicht unnötigerweise künstlich zu verlängern). Dies wäre aber wichtig gewesen, weil der angesprochene Sterbewunsch nämlich in den meisten Fällen rein technisch mit einem Sterbenlassen erfüllt werden kann.

c) Der Begriff Euthanasie, der in der Bevölkerung eher bekannt und klarer als der der Sterbehilfe ist, wird von IMAS gemieden.

Daraus ziehe ich folgende Schlussfolgerungen: Erstens ist es eigentlich seltsam, dass die zweite Frage nur von 49% bejaht wird. Es wäre nämlich verwunderlich, dass 51% der Österreicher moralisch strenger als die katholische Kirche sind. Unter den drei erwähnten Bedingungen spricht sich die Kirche prinzipiell für ein Sterbenlassen und gegen einen therapeutischen Übereifer aus. Allerdings lehnt sie eine Verkürzung des Sterbeprozesses durch eine direkte Tötungsmaßnahme, d.h. die Euthanasie im engeren Sinn, kategorisch ab. Aber Euthanasie wurde in der Frage nicht angesprochen, nur indirekt in einer mehrdeutigen Formulierung, die die Beantwortung der Frage erschwert.

Zweitens hätte auch ich aus Überzeugung mit Ja geantwortet, ebenso wie jeder andere Katholik im Einklang mit dem Lehramt der Kirche dies hätte tun können. Allerdings steht für mich zur Erfüllung des Sterbewunsches unter den drei oben erwähnten Voraussetzungen nur ein Sterbenlassen zur Disposition. Widersinnig ist, dass meine Aussage von dem genannten Institut trotzdem als Euthanasiebefürwortung bewertet worden wäre! Dies dank eines Tricks in der Fragestellung.

Vielleicht war den IMAS-Mitarbeitern alles dies nicht bewusst, und es ist ihnen ein großer Fehler unterlaufen. Dann wäre es seinem guten Ruf jedenfalls in dem Fall nicht gerecht geworden. Und der Schaden ist bereits angerichtet. Mich hat jedenfalls das aufmerksame Studium der Aussendung beruhigt. Ich hoffe, auch andere damit beruhigen zu können: Der breite Konsens gegen eine Tötung auf Verlangen dürfte vorerst noch vorhanden sein. Aber solche und ähnliche Methoden (Manipulationen) könnten ihn langsam unterminieren.

Fazit: Traut auch seriösen Meinungsforschern nicht ganz!

Anschrift des Autors:

Prof. Dr. Enrique H. Prat
Ethiker und Geschäftsführer von IMABE
Landstraßer Hauptstraße 4/13
A-1030 Wien

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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