Welt-AIDS-Kongress in Barcelona

Imago Hominis (2002); 9(3): 156-157
Claudia Umschaden

Insgesamt leben 40 Millionen HIV Infizierte auf der Welt, davon 95% in Entwicklungsländern. Das ist die erschreckende Bilanz der 14. Internationalen AIDS Konferenz, die diesen Sommer in Barcelona stattfand. Im Jahr 2001 starben in den westlichen Staaten 25.000 Menschen an AIDS und 500.000 Personen erhielten Medikamente gegen das HI-Virus. Im starken Kontrast dazu steht das südliche Afrika, wo 2,2 Millionen Menschen jährlich an AIDS sterben, aber nur 25.000 eine Therapie empfangen. Dr. Peter Piot, Direktor des UNAIDS (AIDS-Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen) meint optimistisch , dass eine Therapie praktisch überall auf der ganzen Welt erhältlich sein müsste. „Ich kenne keinen einzigen Ort auf der Welt, wo auf Grund mangelnder Gesundheitsinfrastruktur eine Grundbehandlung für AIDS nicht lieferbar ist. (…) Das ist ein politisches Problem“ [vgl. NEJM (2002)8: 553-554].

Erste Schritte für einen verbesserten Zugang sind die Entwicklung effektiver Medikamente und die Reduzierung der Preise. Immer mehr wird erkannt, dass AIDS ein globales Problem ist. Das HI-Virus breitet sich schneller als erwartet in vielen Gebieten, v.a. in Osteuropa, Zentralasien und China aus.

China steht vor dem Ausbruch einer AIDS-Epidemie unvorstellbaren Ausmaßes und könnte bald zu dem Land mit der höchsten HIV-Infektionsrate der Welt werden. Die AIDS-Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen in China [vgl. www.unchina.org/unaids/enews.html] kritisiert in einem Bericht, dass noch nicht einmal die grundlegenden Vorkehrungen gegen ein Ausbreiten der AIDS-Epidemie ergriffen worden seien und fordert schnelles Handeln. Bewusstsein und Kenntnis über AIDS hätten sich in den letzten Jahren kaum verbreitet. Millionen von Chinesen haben das Wort AIDS noch nie gehört. Jene, die sich infiziert haben, hätten oft nicht einmal Zugang zu den einfachsten Pflege- und Hilfseinrichtungen.

Der Bericht spricht von 850.000 Infizierten in China und schätzt, dass sich im Jahr 2010 bis zu zehn Millionen Chinesen infiziert haben könnten. In China trifft AIDS besonders die Ärmsten. In vielen armen Regionen Chinas verkaufen Bauern ihr Blut, um ihr Einkommen aufzubessern. In einigen Provinzen sind die Bauern Opfer illegaler Plasma-Händler, die dem gespendeten Blut das Plasma entziehen, die restlichen Blutbestandteile dann in Containern zusammenmischen und den Bauern wieder injizieren. Ganze Dörfer sind dadurch mit HIV infiziert.

Bislang waren die größte Risikogruppe in China die Drogenabhängigen, die über gemeinsame Nadelnutzung den Virus weitergaben. Mittlerweile ist auch der Geschlechtsverkehr zu einem wichtigen Übertragungsweg geworden [vgl. FAZ 28. Juni 2002].

Auch in Russland haben sich die Neuinfektionen mit dem HI-Virus nahezu verdoppelt. Etwa 80% der Neuinfizierten sind jünger als 29, jeder fünfte ist jünger als 20 Jahre. Die Leiterin der UNICEF-Programme für Russland, Weißrussland und die Ukraine erklärte, AIDS verbreite sich in Russland und der Ukraine schneller als irgendwo sonst auf der Welt. Besonders gefährdet seien mehr als eine Million Kinder und Jugendliche, die in Osteuropa ohne ein Zuhause aufwachsen. Außerdem haben Befragungen ergeben, dass mehr als die Hälfte der Jugendlichen in Osteuropa wenig bzw. gar nicht über AIDS aufgeklärt ist.

Für eine HIV-Infektion sind insbesondere junge Drogensüchtige gefährdet. Fast 1% der osteuropäischen Bevölkerung ist von harten Drogen wie Heroin abhängig. Vor allem unter Teenagern explodiert die AIDS-Seuche. Zudem wird die Sucht häufig durch Prostitution finanziert und so wird das Virus schnell weiterverbreitet.

Immer häufiger kommen Kinder drogenabhängiger Mütter HIV-infiziert zur Welt. In Russland wurden bis Juni 2002 bereits 3.000 Säuglinge registriert, die mit dem HIV-Virus geboren wurden [vgl. Pressetext, 22. August 2002].

Im Moment gibt es sieben Länder in Afrika (Botswana, Lesotho, Namibia, Südafrika, Swaziland, Zambia und Zimbabwe), in denen mehr als jeder Fünfte zwischen 15 und 49 Jahren mit HIV infiziert ist, in weiteren sechs afrikanischen Ländern ist jeder Zehnte an AIDS erkrankt. Im Jahr 2010 wird die Lebenserwartung in manchen Ländern des südlichen Afrika auf 30 Jahre fallen (ähnlich der Lebenserwartung im 19. Jahrhundert!). Ohne AIDS wäre in Botswana die Lebenserwartung 74 Jahre, doch mit der AIDS-Epidemie muss man mit einer Lebenserwartung von 27 Jahren rechnen.

Die Internationale AIDS Konferenz vereinigt Verantwortungsträger verschiedener Gruppierungen: Wissenschaftler, praktische Ärzte, Politiker und Journalisten. Während die Wissenschaftler ihre neuen Erkenntnisse präsentieren, verwenden Politiker die Konferenz als Plattform, um für schnellere und gemeinsame Tätigkeiten zu mobilisieren. Insgesamt wären 10 Milliarden Dollar erforderlich, um die Epidemie in den Griff zu bekommen, so Piot. Im Moment stehen 2,8 Milliarden Dollar von Regierungen, verschiedensten Fonds und der Wirtschaft zur Verfügung. Zurzeit kosten die Arzneimittel zur Bekämpfung von AIDS 350 Dollar pro Person und Jahr. Gäbe es die Möglichkeit, die Preise auf 100 Dollar zu reduzieren, wären die Behandlungen in mehreren Ländern erschwinglich und auch die Spenden hätten einen größeren Wirkungsradius [vgl. NEJM (2002)8: 553-554].

Eine interessante Alternative zur Aidsbekämpfung bringt jüngst eine Studie der Harvard Universität [vgl. www.harvard.edu]. So ist Uganda auf dem besten Weg, AIDS durch auf Enthaltsamkeit und Treue beruhende Programme auszumerzen. Die HIV-Infektionsrate ist in den Jahren 1992-2000 um 50% gefallen. Die Kampagne begann in den späten 80igern. Damals war die Rate der HIV infizierten Schwangeren bei 21,2%. Im Jahr 2001 waren es nur noch 6,2%. Auch bei den Jugendlichen gab es Veränderungen: hatten 1989 18,4% der jugendlichen Mädchen im Alter von über 15 Jahren sexuellen Kontakt, so waren es im Jahr 2000 nur noch 2,5% [vgl. Culture and Family Report 17.07.2002].

Uganda ist das einzige Land, das seinen Schwerpunkt bei der Bekämpfung von AIDS auf Enthaltsamkeit setzt. In anderen Ländern mit hoher HIV-Infektionsrate (sowie in Botswana oder Zimbabwe) werden Kondome ausgeteilt, um die AIDS Epidemie in Griff zu bekommen. Zum Vergleich: letztes Jahr waren in Botswana 38% der schwangeren Frauen HIV positiv, in Uganda waren es nur 6,2%. Enthaltsamkeit und Treue als eine mögliche Verhinderungsstrategie bei AIDS wird aber noch von vielen Institutionen trotz Beweise zurückgewiesen. So meint Paolo Teiteria, Direktor des brasilianischen AIDS Programms, dass Millionen von jungen Menschen sexuelle Beziehungen eingehen und es nicht möglich wäre, mit Ihnen über Enthaltsamkeit zu sprechen. So glaubt man, dass Werbekampagnen für Kondome und „safer Sex" die richtige Antwort für das Beenden der Ausbreitung von AIDS wären. Hingegen gibt es immer wieder Personen, wie z.B. Mark Souder vom U.S. Komitee für Politische Reformen, die überzeugt sind, dass nur Monogamie, Enthaltsamkeit, das Ermutigen zur Ehe und Warnungen vor Gelegenheitssex die einzige wirkliche Alternative sind, um die Ausbreitung von AIDS zu stoppen, wie es am Beispiel von Uganda ersichtlich ist.

Anschrift der Autorin:

Claudia Umschaden, Imabe-Institut
Landstraßer Hauptstraße 4/13
A-1030 Wien
lapka(at)imabe.org

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
Unterstützt von: