RU 486 und Österreich. Geschichte eines Rückziehers

Imago Hominis (1998); 5(4): 237-239
Edel M. Cech

Ende August dieses Jahres teilte die französische Firma „Exelgyne“ mit, sie werde in acht EU-Ländern, darunter auch Österreich, den Antrag stellen, ein Zulassungsverfahren nach den neuen EU-Regeln für das „Medikament“ RU 486 (mit neuem Namen „Mifegyne") einzuleiten.

Zunächst wurden interessante Hypothesen aufgestellt, wie: „’Medikament’ RU 486 könnte bereits Anfang 1999 unter dem neuen Namen ‘Mifegyne’ auch in Österreich erhältlich sein“; „RU 486 wird sicher kommen“ und „Abtreibungspille kann von Österreich nur schwer abgelehnt werden.“

Ein umstrittenesThema war nach sechs Jahren plötzlich wieder in aller Munde und führte zu Schlagzeilen und Leitartikeln, was nicht ohne Wirkung blieb. Denn bereits zwei Monate nach der Ankündigung (am 29.10.) las man in einer österreichischen Tageszeitung: „Die Abtreibungspille Mifegyne kommt NICHT nach Österreich“, was vom Gesundheitsministerium bestätigt wurde.

Was führte zu dieser so plötzlichen Wende?

Einige sprechen von „Ängsten der Abtreibungsgegner“, die „ins Leere gingen“. Andere meinen, der Widerstand habe sich gelohnt. Sicher ist, daß eine Diskussion in Gang kam, die nicht nur beim Wort blieb, sondern auch zu Taten führte.

Die Lebensschutzbewegung „Jugend für das Leben“ (JFDL – mit Hauptsitz in Linz) rief bereits am Tag der Ankündigung in einer Presseerklärung zum Widerstand gegen das „Tötungspräparat“ auf. Die „Aktion Leben“ meldete sich ebenfalls am selben Tag zu Wort: Die geplante Einführung der Abtreibungspille in Österreich sei ein „Skandal“. 1992/93 waren binnen weniger Monate 80.000 Unterschriften gegen RU 486 gesammelt worden. Der damalige Gesundheitsminister hatte die Diskussion beendet, indem er sich dezidiert gegen das Tötungsmittel aussprach.

Auch der Katholische Familienverband der Erzdiözese Wien (KFVW) schaltete sich ein und warnte vor einer „Verharmlosung der Abtreibung“. Es sei beschämend, im zehntreichsten Land der Welt „ungeborene Kinder mit Pillen töten zu wollen – und das unter dem Deckmantel der Humanität“ (Kathpress 25.8.98).

Lebensschutzbewegungen wie kirchliche Institutionen appellieren an Regierung und Bevölkerung.

Sowohl KFVW als auch „Aktion Leben“ und JFDL richteten dringende Appelle an die Gesundheits- und Sozialministerin, sich neuerlich dezidiert gegen die Zulassung von Mifegyne in Österreich auszusprechen. JFDL rief die Bevölkerung oft und eindringlich dazu auf, Protestbriefe an die Ministerin und an Regierungsvertreter in Österreich sowie an Pillen-hersteller SAKIZ zu schreiben. JFDL verbreitete weiters 100.000 Flugblätter, in denen grundlegende Informationen über RU 486 (Mifegyne) erteilt und ebenfalls zu Protestbriefen aufgefordert wurde.

Diözesan- und Familienbischof Klaus Küng (Feldkirch), appellierte an die Bevölkerung, „die Zulassung der Abtreibungspille Mifegyne in Österreich aus ethischen Überlegungen zu unterbinden“ (Kathpress 26.8.). Der Gesetzgeber sei verpflichtet, für den Schutz des menschlichen Lebens Sorge zu tragen. Es widerspräche einem in der Verfassung grundlegenden Auftrag, wenn er sogenannte „Heilmittel“ oder „Medikamente“ zuläßt, die zur Tötung von Menschen entwickelt wurden und für die Abtreibung verwendet werden. Die Einführung der Abtreibungspille würde – so Küng – den „Druck auf die Frauen, die neben den abgetriebenen Kindern die ersten Leidtragenden sind, weiter erhöhen.“

Das kirchliche Lehramt meldet sich zu Wort.

Indes hatte die „Aktion Leben“ ihre Unterschriftenaktion gestartet und hoffte, wie im Jahr 1992, auf breite Unterstützung. Kardinal Schönborn sowie Kardinal König unterzeichneten die Liste öffentlich im Wiener „Club Stephansplatz 4“. Beiden Kardinälen ging es dabei – wie sie vor Journalisten betonten – um ein „Ja zum Leben“. „Ein Medikament darf kein ‘Mordikament’ sein“, so sagte Schönborn schon zuvor gegenüber einer Tageszeitung in einem Interview.

Die Ärzteschaft bestätigt: Ein Medikament soll helfen und nicht schädigen.

Ähnlich wie Kardinal Schönborn argumentierte auch die Ärzteschaft. Johannes Bonelli, gab in einem Interview mit der FURCHE (1.10.) zu bedenken: Bisher habe man bei der Einführung von Medikamenten immer darauf geachtet, daß Medikamente „helfen und nicht schädigend sind". Mit „Mifegyne" würde hingegen erstmals ein „Tötungsmittel“ eingeführt werden und könne demnach nicht als „Medikament" bezeichnet werden. „Schwangerschaft ist ja keine Krankheit, und der Embryo kein Geschwür, sondern ein Lebewesen.“

Auch im Rahmen einer Stellungnahme der Ethikkommission des von ihm geführten IMABE-Instituts wurde der unbedingte Schutz des menschlichen Lebens, „unabhängig von seiner Qualität oder seinem Entwicklungsstadium“ (Gesamtwortlaut siehe Imago Hominis 3/98).

Juristisch gesehen wäre eine Zulassung der Abtreibungspille rechtswidrig, betonte der Salzburger Rechtswissenschaftler Theo Mayer-Maly. Nach den Paragraphen 96 und 97 des geltenden österreichischen Strafgesetzbuches sei der „Schwangerschaftsabbruch“ grundsätzlich rechtswidrig und nur unter den als „Fristenlösung“ etikettierten Voraussetzungen straffrei. Unter diesen scheint die Einnahme eines pharamzeutischen Präparates jedoch nicht auf.

Die plötzliche Meldung: Der Antrag wird nicht gestellt.

Bis Ende Oktober kehrte dann scheinbar wieder Ruhe in die Medienwelt ein. Das Thema Abtreibungspille verschwand förmlich von der Bildfläche, bis die Meldung von der Antragsunterlassung kam und neuen „Staub“ aufwirbelte – diesmal jedoch sehr zur Freude der Lebensbefürworter: Statt wie ursprünglich geplant in acht, würde der Antrag nur in fünf EU-Ländern gestellt werden. Nicht mehr dabei wären Italien, Deutschland und Österreich.

Das Leben hat zu jedem Zeitpunkt unantastbare Würde.

Fest steht – und das haben die Aktionen der vergangenen Monate gezeigt, daß es den Österreichern nicht egal ist, was in ihrem Land vor sich geht, daß die Bevölkerung sehr wohl bereit ist, Position zu beziehen, wenn es darum geht, das Leben zu verteidigen. Sicher ist auch, daß in jedem Fall – ob es nun zu einer Einführung kommt oder nicht – der Mensch von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod geschützt werden muß, weil er eine unantastbare Würde besitzt. Das bekundeten auch die Vertreter von elf Lebensschutz-Bewegungen bzw. Institutionen. „Wir sind gegen jede Form des Tötens von unschuldigen Menschen“, heißt es darin abschließend, „folglich auch gegen jede Erweiterung, wie etwa die Einführung der Abtreibungspille Mifegyne.“

Im Rahmen ihrer jüngsten Tagung Anfang November hat auch die österreichische Bischofskonferenz in einer Erklärung erneut mit Nachdruck ihre Stimme zum Schutz des menschlichen Lebens erhoben. Die Bischöfe begrüßten es, daß die Herstellerfirma der Pille derzeit von einem Ansuchen um Zulassung dieses Präparates in Österreich absieht. Zugleich wird aber betont: „Die Österreichische Bischofskonferenz wird sich niemals mit der sogenannten Fristenlösung abfinden, weil das menschliche Leben ab dem Augenblick der Empfängnis bis zum natürlichen Tod zu schützen ist.“

Und das meinen nicht nur die Vertreter der Kirche und der Lebensschutzbewegungen – das bezeugen auch Tausende von Unterschriften.

Anschrift der Autorin:

Mag. Edel M. Cech, Imabe-Institut
Landstraßer Hauptstraße 4/13
A-1030 Wien

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
Unterstützt von: