Bioethik aktuell

COVID-19: Psychische Probleme in Österreich durch Pandemie gestiegen

Stressbelastung hält bei vielen auch noch nach dem Lockdown an

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Depressive Symptome, Schlafstörungen und Angstsymptome haben laut einer Studie der Donau-Universität-Krems während der Pandemie in Österreich signifikant zugenommen. Doch auch nach der Lockerung der Maßnahmen fühlen sich viele Menschen immer noch psychisch belastet. Das legt eine aktuelle Schweizer Studie der Universität Basel (preprint) nahe.

Die COVID-19-Pandemie und die damit einhergehenden Ausgangsbeschränkungen wirken sich deutlich negativ auf die psychische Gesundheit aus: Nach vier Wochen Lockdown gaben mehr als 20 Prozent von 1.009 befragten Österreichern an, unter depressiven Symptomen zu leiden. In den Befragungen vor Corona waren es lediglich vier Prozent gewesen. Eine ähnlich starke Zunahme zeigt sich bei Angstsymptome (von 5 auf 19 Prozent). Zudem litten rund 16 Prozent Schlafstörungen. Belastet waren besonders Erwachsene unter 35 Jahren, Frauen, Singles und Menschen ohne Arbeit. Ältere Menschen waren im Vergleich weniger stark betroffen (vgl. ORF, online 5.5.2020). Die Teilergebnisse der an der Donau Universität Krems durchgeführten Studie wurden im International Journal of Environmental Research and Public Health (2020 Jun; 17(11): 3815) publiziert.

Für Studienautor Christoph Pieh, Leiter des Departments für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit, sind diese Ergebnisse alarmierend. Peter Stippl, Präsident des Österreichischen Bundesverbands für Psychotherapie (ÖBVP), sieht akuten Handlungsbedarf. Psychische und körperliche Erkrankungen müssten gleichgestellt, die derzeitige Deckelung von Psychotherapieplätzen aufgehoben werden. Der ÖBVP startete daher die Initiative #mehrpsychotherapiejetzt für eine krankenkassenfinanzierte Versorgung ohne Wartelisten und Kontingente (vgl. OTS, online 1.7.2020). Gerade junge Erwachsene leiden unter der Situation besonders. In allen untersuchten Skalen zur psychischen Gesundheit schneidet diese Altersgruppe am schlechtesten ab.

Dass es vielen Menschen psychisch schlechter als vor der Pandemie geht – trotz inzwischen gelockerter Corona-Maßnahmen – legt auch die Corona-Stress-Studie der Universität Basel (Preprint: The Swiss Corona Stress Study 2020 https://doi.org/10.31219/osf.io/jqw6a) nahe. Noch immer 40 Prozent der mehr als 10.000 befragten Schweizer fühlte sich im Mai/Juni trotz gelockerter Maßnahmen gestresster als vor Corona – das sind nur um 10 Prozent weniger als im Lockdown im April. Der Anteil der Menschen, die unter depressiven Symptomen leiden, hat sogar zugenommen. Statt 9,1 % im Lockdown erfüllten jetzt 11,7 % der Teilnehmer die Kriterien für eine klinische Depression. Stärker nachgelassen hat nur die Angst.

Positiv fällt auf, dass 32 Prozent der Befragten weniger gestresst sind als vor der Krise. Sie haben mehr Zeit für Erholung gewonnen und fühlten sich entlastet durch die Reduktion beruflicher, schulischer und privater Verpflichtungen. Die Forscher untersuchten auch, welche Personen die Coronakrise am besten verarbeitet haben. Interessanterweise wiesen Personen mittleren und fortgeschrittenen Alters (ab 55 Jahren) und Männer überproportional häufig eine hohe Resilienz auf, was die Autoren überraschte. Somit waren offenbar jene, die durch eine ernsthafte Viruserkrankung gesundheitlich am meisten gefährdet wären, mental am wenigsten davon beeinträchtigt.

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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