Bioethik aktuell

Deutschland: Ärzte machen Druck für Steuererhöhung bei ungesunden Lebensmitteln

Österreicher liegen mit 93 Gramm Zucker pro Tag im problematischen Spitzenfeld

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In Deutschland macht ein breites Bündnis aus Ärzten, Fachorganisationen und Krankenkassen Druck auf die Bundesregierung, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um Menschen vor ungesunden Lebensmitteln zu schützen. Insgesamt 2061 Ärzte, darunter mehr als 1300 Pädiater, 222 Diabetologen und 58 Medizinprofessoren, fordern in einem Offenen Brief an Kanzlerin Angela Merkel dazu auf, „ernst zu machen“ mit der Prävention von Fettleibigkeit, Diabetes und anderen chronischen Krankheiten. Das berichtet die Ärztezeitung (online, 2.5.2018).

Die „gesunde Wahl“ müsse zur „einfacheren Wahl“ werden, so die Unterzeichner, unter ihnen der Arzt und Moderator Eckart von Hirschhausen. Weder Ernährungsbildung noch Maßnahmen zur Verhaltensprävention allein oder gar freiwillige Selbstverpflichtungen der Lebensmittelwirtschaft seien wirksam gegen Übergewicht und Fehlernährung, schon gar nicht auf Bevölkerungsebene, kritisieren die Experten.

Initiiert worden war die Unterschriftenaktion vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, der Deutschen Diabetes Gesellschaft und Foodwatch. Die Unterzeichner sprechen sich für ein Bündel von Maßnahmen aus, darunter eine Zuckersteuer, verständlichere Kennzeichnungen (Stichwort: Lebensmittelampel), Beschränkungen der an Kinder gerichteten Lebensmittelwerbung, insbesondere auch im Internet, sowie Standards für die Schul- und Kindergartenverpflegung. Nur damit könnten auch bildungsferne Schichten erreicht werden, heißt es - Aufklärung allein reiche nicht.

Die Einführung einer Steuer auf gesüßte Getränke könne ein Anreiz für Hersteller sein, den Zuckergehalt zu senken, wird in der Stellungnahme argumentiert. Die Einnahmen daraus ermöglichten es auch, Obst und Gemüse billiger zu machen. Erfahrungen aus Ländern wie Mexiko, Finnland und Frankreich zeigten darüber hinaus, dass mit dem höheren Preis auch der Konsum dieser Getränke zurückgehe.

Höhere Preise schützen auch einkommensschwache Bevölkerungsgruppen, da gerade sie gleichzeitig besonders oft von schweren Krankheiten und damit verbundenen finanziellen Auswirkungen betroffen seien. Dies zeigte erst kürzlich die Auswertung von über 300 internationalen Studien im Fachjournal Lancet. Wenn ungesunde Produkte teurer werden, werden sie auch weniger gekauft (vgl. Deutsches Ärzteblatt, online, 5.4.2018).

Großbritannien hatte am 6. April 2018 eine - seit mehr als 10 Jahren diskutierte - Steuer auf stark gezuckerte Getränke eingeführt, die von den Herstellern zu entrichten ist. Sie sieht Abgaben auf Limonaden und Säfte vor, die mehr als fünf Gramm Zucker je 100 Milliliter enthalten, bei mehr als acht Gramm wird noch einmal eine höhere Abgabe fällig. In Frankreich wird eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke bereits seit 2013 erhoben. Ziel ist die schrittweise Erhöhung der Abgabe bei bereits einem Gramm Zucker auf 100 Milliliter Getränk. Österreich ist von diesen Werten weit entfernt: Cola, Fanta und Sprite enthalten hier neun bis zehn Gramm Zucker pro 100 Milliliter (vgl. ORF.at, online, 5.4.2018).

Experten empfehlen ein sog. Ampel-System (Aktuelle Ernährungsmedizin 2018; 43(S 01): S37-S41): Gesunde Produkte wie Obst und Gemüse sollten mit null Prozent (grün), Lebensmittel wie Nudeln oder Fleisch mit sieben Prozent (gelb) und besonders zuckerhaltige oder fettige Produkte mit mindestens 19 Prozent (rot) besteuert werden.

In Österreich gilt für Lebensmittel zum überwiegenden Teil ein Umsatzsteuersatz von zehn Prozent. Der durchschnittliche Bürger nimmt laut Statistik Austria 93 Gramm Zucker pro Tag zu sich. Das ist fast das Vierfache der von der WHO maximal empfohlenen Menge von 25 Gramm. 15,6 Prozent der Männer und 13,2 Prozent der Frauen sind in Österreich adipös, 41 Prozent sind übergewichtig.

Institut für Medizinische
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