Bioethik aktuell

Genom Editing: Forscher fordern vorläufigen Stopp für Eingriffe in Keimbahn

Länder sollten in den kommenden Jahren freiwillig auf Designerbabys verzichten

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Die Visionen, die Forscher beim Einsatz der Genschere CRISPR/Cas9 beflügeln, reichen von der Ausmerzung genetischer Krankheiten über die Schaffung krankheitsresistenter Menschen bis hin zur Kreation von Wunschkindern nach Maß. Allein: Keine dieser Visionen ist nebenwirkungsfrei - weder medizinisch noch gesellschaftlich -, weshalb nun international bekannte Wissenschaftler ein Moratorium für Eingriffe in die menschliche Keimbahn mithilfe von Genscheren fordern. Bereits 2015 war ein derartiger Aufruf allerdings gescheitert.

In ihrem nun in Nature (2019; doi:10.1038/d41586-019-00726-5) veröffentlichten Beitrag schlagen 18 Spitzenforscher aus sieben Ländern eine freiwillige Verpflichtung aller Nationen vor, in den kommenden fünf Jahren auf den klinischen Einsatz von Keimbahninterventionen zu verzichten. Die Methode sei noch zu wenig ausgereift, um gentechnisch veränderten Embryonen das Leben zu ermöglichen. Vor allem ist das Problem der sog. Off-Target-Effekte, also der unerwünschten Nebenwirkungen, nicht gelöst, weshalb vorerst keine Schwangerschaften mit derartigen Embryonen herbeigeführt werden sollten (vgl. IMABE 12/2018).

Damit stellen sich die renommierten Spitzenforscher - unter ihnen auch drei Chinesen - gegen die Versuche von He Jiankui, der Ende November in China die Geburt von genmanipulierten Zwillingsmädchen verkündet hatte. Kritiker sprachen von unverantwortlichen Menschenversuchen. Der mittlerweile beurlaubte Universitätsprofessor hatte bei seinen Experimenten die DNA der Babys nach eigenen Angaben so verändert, dass die Kinder vor einer HIV-Infektion geschützt sein sollen. He hat das Gen CCR5 in den Embryos entfernt, was nach einer US-Studie auch Folgen für die kognitiven Leistungen der Designerbabys haben könnte, berichtet das Deutsche Ärzteblatt (online, 28.2.2019). Die chinesische Regierung hat nun harte Strafen gegen Wissenschaftler angekündigt, die Änderungen am Erbgut von Babys vornehmen.

Mit der Genschere vom Typ CRISPR/Cas9 werden weltweit Heilmethoden entwickelt, die ethisch unbedenklich sind, wenn sie an Körperzellen der Patienten stattfinden. Kritisch wird es, wenn die genetische Manipulation den ganzen Menschen betrifft und an die nächsten Generationen weitergegeben wird. Das geschieht, wenn Spermien, Eizellen oder Embryonen genetisch verändert werden (vgl. Feuchtner M., Genomeditierung: Aktuelle Entwicklungen und ethische Überlegungen, Imago Hominis (2018); 25(3): 154-161).

Nicht nur Heilung, auch Manipulationsräume für sog. Designerbabys werden mit der Genschere eröffnet. Die Wissenschaftler setzen sich in Nature besonders kritisch mit dieser Gefahr auseinander. Hier gebe es noch weit größere Risiken als bei der Korrektur einzelner Krankheitsgene. Allerdings: Nach einem Zeitraum von zum Beispiel fünf Jahren solle ein Spielraum für spezifische Anwendungen von Veränderungen der menschlichen Keimbahn in einigen Ländern eröffnet werden, heißt es. Voraussetzung seien aber ausreichend Zeit für öffentliche Debatten, eine gerechtfertigte Anwendung und ein gesellschaftlicher Konsens. Die WHO hatte im Dezember 2018 empfohlen, Standards für Keimbahneingriffe vorzulegen.

Wenngleich der Vorstoß eines Moratoriums allgemein begrüßt wird, zeigt sich die Vorsitzende des Europäischen Ethikrates, Christiane Woopen, verhalten: Ein Moratorium müsste auch Kontrollen und Sanktionen vorsehen. Beobachter halten zudem die Umsetzung eines Moratoriums angesichts unterschiedlicher Rechtssysteme für schwierig.

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