Bioethik aktuell

IMAGO HOMINIS-Vorschau: Mental Health und Arbeitswelt

Der Mensch zwischen Arbeit, Stress und Lebenssinn

Lesezeit: 02:12 Minuten

Laut Angaben der Pensionsversicherungsanstalt in Österreich leidet jeder Fünfte einmal in seinem Leben an einer Depression und jeder Sechste an einer Angststörung. Die Zahl der Krankenstandstage aufgrund psychischer Erkrankungen hat sich in den vergangenen 20 Jahren beinahe verdreifacht. Eine adäquate Analyse der Fakten, Hintergründe und Auswege zum Spannungsfeld Arbeit, Lebenssinn und seelische Erkrankungen braucht einen interdisziplinären Zugang. Dies zeigte auch die hohe Resonanz für das fachübergreifende IMABE-Symposium Mental Health und Arbeitswelt. Arbeit zwischen Stress und Lebenssinn, das im November 2013 in Wien stattfand und dessen Themen nun in Imago Hominis dokumentiert sind.

Rudolf Müller (Chefarzt, PV) legt Zahlen, Daten und Fakten zur psychischen Gesundheit österreichischer Arbeitnehmer dar. Immer mehr Menschen treten wegen psychischer Leiden krankheitsbedingt eine Frühpension an: Im Jahr 2012 erfolgten 35,1 Prozent aller Neuzugänge der Berufsunfähigkeit aufgrund psychischer Erkrankungen. Frauen sind mehr betroffen als Männer. Seit 2002 versucht die PV gezielte Reha-Programme für psychisch Kranke, die zu einer Trendabschwächung geführt haben.

Arbeitgeber, die weiterhin nur Effizienz in Monokultur von ihren Mitarbeitern fordern, sind offenbar noch nicht im neuen Wirtschaftsleben angekommen. Anhand von 10 Thesen veranschaulicht Klaus Dörner (Psychiater, Soziologe, Hamburg) die Industrieepoche, die vom Paradigma der permanenten Beschleunigung und Effizienzsteigerung gelebt hat. Dass dies irgendwann die Grenzen, auch der psychischen Gesundheit, überschreiten musste, liege auf der Hand. Der derzeitige Umbruch zur Dienstleistungsepoche sei eine historische Chance für eine Humanisierung der Arbeitswelt. Auch die Psychiatrie müsse sich rückbesinnen auf ihre Dimension als philosophisch-anthropologische Disziplin.

Dass das innere Bedürfnis des Menschen nach Lebenssinn keinesfalls allein durch Arbeit abgedeckt ist, betont Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz (Religionsphilosophin, Europäisches Institut für Philosophie und Religion EUPHRat, Heiligenkreuz) in ihrem Beitrag. Sie zeigt anhand von Deutungsmustern ausgehend von der Antike über das jüdisch-christliche Erbe bis in die Moderne, wie das spannungsreiche Zusammenspiel zwischen Tun und Lassen, Mühe und Gabe, Zweck und Sinn interpretiert wurde - und wie es gelingen kann.

Arbeitgeber werden zwar verstärkt in die gesetzliche Pflicht zur Prävention von Work-Related-Stress genommen. Vorschriften bleiben aber zahnlose Instrumente, wenn nicht zugleich die Überzeugung im Unternehmen wächst, dass eine neue Kultur der Arbeit die positive Entwicklung der eigenen Mitarbeiter miteinschließt. Auf dieser Basis legt Markus Schwarz (Unternehmensberater, L|B|F ADVISORS Wien) Eckpunkte einer erfolgreichen betrieblichen Vorsorge- und Gesundheitsförderung dar („salutogene betriebliche Gesundheitsförderung“) und beschreibt neben den wesentlichen Erfolgsfaktoren auch die Barrieren für diese innerbetrieblichen Programme.

Die Imago-Hominis-Ausgabe 2/2014 mit dem Schwerpunkt „Mental Health und Arbeitswelt“ findet sich auf http://www.imabe.org/index.php?id=1522 und kann als Einzelheft um € 10,- aus dem Inland (aus dem Ausland fällt das reguläre Porto an) bezogen werden.

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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