Bioethik aktuell

Kanada: Bioethiker fordern aktive Sterbehilfe auch für Kinder

Ärzte-Allianz wehrt sich gegen Druck, Patienten Tötungsangebote zu machen

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Eine Arbeitsgruppe kanadischer Bioethiker und Kinderärzte tritt dafür ein, dass auch Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren in Kanada aktive Sterbehilfe in Anspruch nehmen dürfen. Es handle sich bei um eine medizinische Behandlung, über die der Arzt pro-aktiv informieren sollte wie über jede andere Möglichkeit der Behandlung auch. Dies sei Teil seiner ärztlichen Verpflichtungen, so die Autoren in ihrem Beitrag im Journal of Medical Ethics (online first: 21 September 2018, doi: 10.1136/medethics-2018-104896). Die Tötung auf Verlangen sollte im Falle eines selbstbestimmten Wunsches der Minderjährigen auch ohne Wissen oder Zustimmung der Eltern möglich sein, falls die Kinder zurechnungsfähig sind und keine Beratung mit den Eltern wünschen. Zugleich sollte das „soziale Stigma“, mit dem Kinder-Euthanasie noch behaftet ist, beseitigt werden, so die Ethiker.

Die Autoren des Beitrags argumentieren, dass Beihilfe zum Suizid und aktive Sterbehilfe (Medical Assistance in Dying, MAID) Teil eines Kontinuums der Palliativpflege sei. Man dürfe eine Person nicht „dazu zwingen, trotz unerträglichen und unheilbaren Leidens zu leben“.

Im Juni 2016 wurde in Kanada das sog. MAID-Gesetz verabschiedet, mit dem sowohl aktive Sterbehilfe als auch assistierter Suizid landesweit erlaubt wurden. Das Gesetz ist umstritten und die Kontroverse hält an. Manchen ging das Gesetz nicht weit genug, sie forderten analog zur Sterbehilfe-Regelung in Belgien auch die Möglichkeit der Tötung auf Verlangen für „reife Minderjährige“ und Menschen mit psychischen Erkrankungen. Die Regierung hat den Rat der kanadischen Akademien gebeten, diesbezüglich bis Ende 2018 Stellung zu beziehen.

Heftige Kritik kommt von der kanadischen Ärztevereinigung Physicians' Alliance against Euthanasia, der mehr als 1.100 kanadische Ärzte angehören. Es sei „keine Aufgabe von Ärzten zu töten“, so die Allianz (vgl. Pressemitteilung, online, 1.10.2018). Sie wehrte sich gegen einen Antrag, den die Canadian Medical Association (CMA) und Netherland Medical Association (NMA) an den Weltärztebund (World Medical Association, WMA) stellten. Der internationale Dachverband der Ärztekammern solle offiziell eine „neutrale Position“ gegenüber Euthanasie und ärztlicher Beihilfe zum Suizid einnehmen, so die Forderung der beiden Ärztekammern. „Als kanadische Ärzte möchten wir betonen, dass die Position der CMA weder unsere Ansichten noch unsere Erfahrung widerspiegelt und wir eine neutrale Haltung als unlogisch und nicht vertretbar erachten“, betont Catherine Ferrier, Präsidentin der Physicians' Alliance against Euthanasia. Weltweit ist es Ärzten in nur sechs von 200 Ländern (3 Prozent) gestattet, den Tod ihrer Patienten direkt herbeizuführen, die große Mehrheit nationaler Ärzteverbände spricht sich klar dagegen aus.

Die WMA hat sich wiederholt gegen Tötung auf Verlangen und Beihilfe zum Suizid ausgesprochen und hat auf der jüngsten WMA-Generalversammlung in Island (3.-6.10.2018) den Antrag der CMA und NMA abgelehnt (vgl., Bioedge, online, 6.10.2018). Erst jüngst hatte die WMA in einer Stellungnahme gegenüber Australien (WMA-Erklärung, online, 29.10.2017) bekräftigt: „Ärztlich assistierter Suizid und Euthanasie sind unethisch und müssen von der Ärzteschaft verurteilt werden. Wo die Assistenz des Arztes absichtlich darauf gerichtet ist, einem Individuum zu ermöglichen, sein eigenes Leben zu beenden, handelt der Arzt unethisch“, betont der Weltärztebund. Die Kanadische Ärztekammer ist nun aus dem Weltärztebund ausgetreten.

Institut für Medizinische
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