Bioethik aktuell

Krebs: Keine Vorteile durch Chemotherapie im Endstadium

„Trauma Krebs. Tun und Lassen in der Medizin“ IMABE-Symposium, 3.12.15 in Wien

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Vielen Krebspatienten im Endstadium wird trotz fehlender klinischer Evidenz noch eine Chemotherapie angeboten. Doch wenn die Prognose der Lebenserwartung bei sechs Monaten liegt, sollten Ärzte besondere Zurückhaltung hinsichtlich einer Chemotherapie üben. Dies bestätigt eine aktuelle in JAMA Oncology publizierte Studie (2015; 1(6): 778-784. doi:10.1001/jamaoncol.2015.2378). In der Praxis scheint das Gegenteil der Fall zu sein: Die American Society of Clinical Oncology (ASCO) beklagt den Einsatz einer Chemotherapie, deren Vorteile in der allerletzten Lebensphase klinisch nicht belegt sind, als die am weitesten verbreitete, aufwendigste und unnötigste Vorgehensweise in der Onkologie, so die Studienautoren.

Holly G. Prigerson vom Center for Research on End-of-Life Care am Weill Cornell Medical College in New York und ihr Team untersuchte den Zusammenhang zwischen der Lebensqualität und dem Einsatz einer Chemotherapie am Lebensende. Die Studie lief von 2008 bis 2012 und begleitete insgesamt 661 Krebspatienten. Alle litten an Krebs im Endstadium und waren im Schnitt 58,6 Jahre alt. Von den Teilnehmern, vornehmlich Männer, bekamen 51 Prozent trotz weit fortgeschrittenem Tumor eine Chemotherapie. Bei den übrigen 49 Prozent war darauf verzichtet worden. Während der Studiendauer verstarben 58 Prozent der Patienten. Im Schnitt trat der Tod nach 3,8 Monaten ein.

Es zeigte sich, dass der Verzicht auf eine Chemotherapie die verbleibende Lebenserwartung nicht verkürzte und damit im Umkehrschluss, dass eine durchgeführte Chemotherapie das Leben nicht weiter verlängerte. Dafür beeinträchtigten die aggressiven Wirkstoffe die Lebensqualität insbesondere jener Patienten, die noch in einem besseren Allgemeinzustand waren, berichtet die Ärztezeitung (online, 18.8.2015). Ging es Patienten im Endstadium ohnehin schon schlecht, blieb dieser Zustand gleich schlecht.

Charles Blanke und Erik Fromme von der Oregon Health and Science University in Portland betonen in einem begleitenden Kommentar (JAMA Oncol 2015; 1(6): 785-786, doi:10.1001/jamaoncol.2015.2379), dass Therapie und Hoffnung nicht gleichgesetzt werden dürften. Die aktuellste Studie zum Thema Chemotherapie zeigt erneut deutlich, dass bei Krebs im Endstadium eine tumorspezifische Behandlung um jeden Preis nicht sinnvoll ist. Im Interesse des Patienten wäre es, die Behandlung so zu gestalten, um eine möglichst schmerzfreie und würdevolle Zeit bis zum Krebstod zu ermöglichen.

Gespräche über das baldige Lebensende stellen Ärzte vor große Herausforderungen. Wie eine in Cancer 2014 veröffentliche Studie zeigte, fühlen sich Ärzte nicht auf den Umgang mit sterbenden Patienten vorbereitet und weichen den Gesprächen aus. Hier sind Training, Supervision und Vorbilder nötig, um mit der Situation professionell umzugehen (vgl. hilfreiche Hinweise unter DocCheck, online, 23.1.2013).

Save the Date: IMABE lädt in Kooperation mit der Österreichischen Ärztekammer, der Sozialversicherung der Gewerblichen Wirtschaft und der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) zum interdisziplinären Symposium:
„Trauma Krebs: Tun und Lassen in der Medizin“, 3. Dezember 2015

Die Tagung findet in der AUVA, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65 statt, Tagungsgebühr: 30 Euro.

Programm und Informationen zur Anmeldung sind ab sofort hier zu finden.

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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