Bioethik aktuell

OECD-Bericht: Österreich hat die meisten Spitalsbetten und künstlichen Kniegelenke

Zunahme von chronischen Erkrankungen braucht bessere Verteilung der Ressourcen

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© Health at a Glance

Die gute Nachricht: Die Lebenserwartung ist innerhalb der EU seit dem Jahr 1990 um mehr als sechs Jahre gestiegen, von 74,2  im Jahr 1990 auf 80,9 Jahre im Jahr 2014. Aufgrund der Überalterung bzw. Unterkinderung wächst in allen EU-Ländern der Anteil der Einwohner über 65 Jahren. Während er im Jahr 1960 im Durchschnitt weniger als 10 Prozent der Bevölkerung betrug, stieg er auf fast 20 Prozent im Jahr 2015 und dürfte bis zum Jahr 2060 auf fast 30 Prozent anwachsen. Zugleich bestehen nach wie vor Ungleichheiten beim Zugang und der Qualität der Versorgung sowohl zwischen den Ländern als auch innerhalb der einzelnen Staaten. Wer in Westeuropa wohnt, lebt im Durchschnitt mehr als acht Jahre länger als die Menschen in Mittel- und Osteuropa, wo die Lebenserwartung am niedrigsten ist. Wer einen höheren Bildungsgrad und überdurchschnittliches Einkommen aufweist, lebt länger und gesünder. Armut macht hingegen krank. Das geht aus dem aktuellen OECD-Report Gesundheit auf einen Blick 2016 hervor.

Österreich liegt bei den Gesundheitsausgaben gemessen am BIP mit 10,4 Prozent auf dem sechsten Platz über dem Durchschnitt in der EU von 9,9 Prozent. In allen Ländern dürfte der Anteil der Ausgaben im Gesundheitswesen am BIP in den nächsten Jahren zunehmen, hauptsächlich aufgrund der Bevölkerungsalterung und der Verbreitung neuer Diagnose- und Therapiemethoden. Außerdem wird der Druck auf die Regierungen stärker werden, eine Antwort auf den wachsenden Pflegebedarf zu finden, mahnt der OECD-Report.

Noch nie gab es so viele Ärzte in der EU, Österreich liegt mit 5,1 Ärzten pro 1.000 Einwohner schon an zweiter Stelle hinter Griechenland (6,3), der EU-Schnitt liegt bei 3,5. Die Anzahl der Ärzte pro Kopf ist in fast allen EU-Ländern seit dem Jahr 2000 um rund 20°Prozent gestiegen. Allerdings hat die Anzahl der Fachärzte schneller zugenommen als die Anzahl der Hausärzte, sodass in allen EU-Ländern inzwischen mehr als doppelt so viele Fachärzte als Hausärzte zur Verfügung stehen.

Gegenwärtig leiden schätzungsweise rund 50 Millionen EU-Bürger an zwei oder mehr chronischen Erkrankungen, und die meisten dieser Personen sind über 65 Jahre alt, heißt es im Report. Laut EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis entstehen daraus jährliche Kosten von 115 Milliarden Euro für die Volkswirtschaften in der Europäischen Union (vgl. OECD-Pressemitteilung, online, 23.11.2016). Würde sich der Alkohol- und Tabakkonsum verringern, könnten etliche verfrühte Todesfälle in Europa vermieden werden. Trotz Regulierung und Besteuerung sowie diverser Aufklärungskampagnen raucht in der EU noch immer jeder fünfte Erwachsene mindestens einmal täglich Zigarette, Zigarre oder Pfeife. Mehr als jeder fünfte Erwachsene in den EU-Ländern konsumiert mindestens einmal monatlich sehr viel Alkohol. Jeder sechste Erwachsene ist so stark übergewichtig, dass Ärzte von Fettleibigkeit sprechen, während dies im Jahr 2000 noch für jeden neunten Erwachsenen zutraf (vgl. Süddeutsche Zeitung, online, 23.11.2016). Trauriger Spitzenreiter im Alkoholkonsum ist Österreich: Die Alpenrepublik hat nach Litauen und Belgien mit mehr als 12 Liter reinem Alkohol pro Jahr den höchsten Alkoholkonsum bei Erwachsenen.

Die Unterversorgung chronisch Kranker ist ein notorisches Problem des Gesundheitssystems. Auffallend ist dabei weiterhin die teure Spitalsbetten-Lastigkeit Österreichs: Mit 7,6 Betten pro 1.000 EW liegt Österreich an zweiter Stelle hinter Deutschland. Sie ist damit zweimal so hoch wie in Portugal und über dem EU-Durchschnitt von 5,2 Betten. Einhergehend mit der hohen Verfügbarkeit an Spitalsbetten hat Österreich mit 263 pro 1.000 Einwohner die zweithöchste Zahl an Spitalsbehandlungen (der EU-Durchschnitt liegt bei 169).

In keinem anderen Land stieg die Zahl der Implantation von künstlichen Hüft- und Kniegelenken in den Jahren 2002 - 2014 so rasant an wie in Österreich: bei Hüften um 25 Prozent und bei Knien um 70 Prozent (!) pro 100.000 Einwohner. Da Prothesen nach rund 15 bis 20 Jahren gewechselt werden müssen, steigt die Zahl der Operationen automatisch mit wachsendem Patientengut: mit 279 neuen Hüften (EU-Durchschnitt: 189) und 289 (EU-Durchschnitt: 130) neuen Kniegelenken pro 100.000 EW liegt Österreich weit über dem Durchschnitt anderer Länder.

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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