Bioethik aktuell

Pflege: Mangel an Pflegepersonal erhöht Sterblichkeitsrisiko der Patienten

Viele Pflegende erleben ihre Arbeitssituation als „Rush-Hour rund-um-die-Uhr“

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Ein hoher Pflegeschlüssel - also eine bessere personelle Ausstattung - ist signifikant mit einem geringeren Risiko für die Patienten verbunden, im Krankenhaus zu sterben. Dies zeigt eine groß angelegte, im British Medical Journal Open publizierte Studie (2016; 6: e008751 doi:10.1136/bmjopen-2015-008751). Eine Gruppe von Wissenschaftlern von der University of Southampton und dem Kings College London untersuchte den Konnex zwischen der Anzahl von Krankenschwestern, Ärzten und anderen Gesundheitshelfern und der Sterblichkeit von Patienten. Sie analysierten dazu die Daten aus 137 öffentlichen Akut-Krankenhäusern in Großbritannien. Das Ergebnis: Wenn Krankenschwestern 10 oder mehr Patienten zu betreuen haben, steigt das Sterblichkeitsrisiko um 20 Prozent gegenüber jenen Pflegenden, die nur für sechs oder weniger Patienten zu sorgen hatten. Dieser Zusammenhang blieb auch nach Bereinigung aller anderen Faktoren bestehen. Für Studienautorin Jane Ball sei dies eine wichtige Botschaft an die Politik (vgl. Daily Telegraph, online, 9. 2. 2016). Der Personalstand in der Pflege sollte auf der Grundlage der Sicherheit der Patienten getroffen werden, nicht der Finanzen, so Ball.

Eine aktuelle Studie aus Deutschland zeigt, dass der Personalmangel nicht nur eine schlechtere Versorgung der Patienten bedeutet, sondern auch die Pflegenden aus ihrem Beruf treibt. Frühpensionierungen bei Pflegekräften spielen auch in Deutschland eine Rolle. Angesichts der großen Nachfrage nach Pflegenden stellt sich die Frage, wie man die bereits Beschäftigten länger im Arbeitsprozess halten kann.

Bei einer durchschnittlichen Verweildauer der Patienten von 4,8 Tagen würden viele Pflegende ihre Arbeitssituation als „Rush-Hour rund-um-die-Uhr“ empfinden, heißt es in der Übersichtsarbeit des Instituts Arbeit und Technik an der Westfälischen Hochschule. Der Personalmangel auf den Stationen führt zu erhöhtem Arbeitsdruck. Beim Versuch, diesen durch Mehrarbeit zu kompensieren, stoßen viele zunehmend an ihre persönlichen Leistungsgrenzen. Dies zeige sich in Arbeitsunzufriedenheit, aber auch im Auftreten psychischer Erkrankungen, so Studienautorin Laura Schöder.

Entscheidend ist auch, dass Pflegende häufig ihre Arbeit nicht so erfüllen können, wie es ihr persönliches Pflegeverständnis verlangen würde. Ihr ursprüngliches Berufsideal habe in der „Fabrik Krankenhaus“ keinen Platz mehr, so das Ergebnis der Studie.

Den Pflegenotstand erklärt Schöder für hausgemacht. Sie empfiehlt Umstrukturierungen, die es den Betroffenen erlauben, die pflegerischen Kernkompetenzen ihrer Tätigkeit wieder als Sinn stiftend zu erleben, über ein größeres Zeitbudget für die Betreuung der Patienten zu verfügen, sowie die Pflege als eigenständiger Profession aufzuwerten wie etwa in den skandinavischen Ländern im Rahmen von Maßnahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements.

Eine groß angelegte Studie hatte 2014 gezeigt, dass eine gute Arbeitsumgebung und eine adäquate Stellenbesetzung zu geringeren Komplikations- und Mortalitätsraten bei Patienten führen. Und sie tragen auch zu einer höheren Arbeitszufriedenheit und einer geringeren Burnout-Rate beim Pflegepersonal bei (vgl. IMABE Studie: Bessere Arbeitsbedingungen für Pflegepersonal kommen Patient zugute).

Pflegeberufe gelten als „Zukunftsberufe“: Die Zahl der pflegebedürftigen Menschen wird in Österreich bis 2030 auf mehr als 800.000 Personen steigen. Derzeit gibt es etwa 100.000 professionelle Pflegerinnen und Pfleger in Österreich, viele davon gehen in den nächsten 15 Jahren in Pension. Laut Österreichischem Hilfswerk werden in den kommenden Jahren in Österreich jährlich rund 1.000 neue Mitarbeiter im Bereich Pflege benötigt.

Institut für Medizinische
Anthropologie und Bioethik
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